BFH-Urteil: Wie der Kauf kassenärztlicher Zulassungen steuerlich zu behandeln ist

11 März, 2014

Bei Praxis-Übernahmen stellt sich immer wieder die Frage, wie der Wert der Vertragsarztzulassung steuerlich zu bewerten ist, um Abschreibungen zu optimieren.

Der BFH hat mit Urteil vom 9. August 2011 (Az. VIII R 13/08) entschieden, dass der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt grundsätzlich kein selbständiges Wirtschaftsgut sondern ein wertbildender Faktor des Praxiswerts ist, wenn sich der Kaufpreis für die Arztpraxis ausschließlich am Verkehrswert orientiert.

Der Hintergrund: Erlöschen frei werdender Vertragsarztsitze bei Überversorgung

Für die Niederlassung von Ärzten bestehen seit dem Gesundheitsstrukturgesetz 1993 vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I 1993 S. 2266) Zulassungsbeschränkungen. Sofern die kassenärztliche Vereinigung eine Überversorgung in einem Planungsbereich feststellt, tritt grundsätzlich eine Zulassungssperre ein, wobei die frei werdenden Vertragsarztsitze erlöschen. Allerdings besteht nach § 103 Abs. 4 Sozialgesetzbuch V (SGB V) die Möglichkeit, dass ein ausscheidender Arzt, der seine Praxis im überversorgten Planungsbereich veräußern möchte, bei dem Zulassungsausschuss der kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag stellt, den Vertragsarztsitz auszuschreiben, so dass für ihn eine wirtschaftliche Verwertung der Praxis oder zumindest der Zulassung möglich wird.

Der Fall: Gesamtkaufpreis für Praxisübernahme

Der Kläger (Facharzt) erwarb zu einem Gesamtkaufpreis eine bereits eingeführte Facharztpraxis mit dem Patientenstamm der gesetzlich Versicherten. Hierzu war im „Praxis-Übernahmevertrag" bestimmt, dass der Praxisübergeber an den Übernehmer die Unterlagen derjenigen Patienten herausgibt, die sich in die Behandlung des Klägers begeben und mit einer Herausgabe der Patientenkarteien an diesen einverstanden sind. Von dem Gesamtkaufpreis sollte entsprechend der vertraglichen Vereinbarung ein Teil auf das übernommene Inventar und der größere Teil auf den "ideellen Wert der Arztpraxis" entfallen. Dieser Praxiswert war anhand des vom Veräußerer erzielten Umsatzes und Gewinns aus der Behandlung der gesetzlich versicherten Patienten ermittelt worden. Der Praxiserwerb stand unter dem Vorbehalt der Vertragsarztzulassung des Käufers im Nachbesetzungsverfahren.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Hälfte des entrichteten Betrags für den ideellen Anteil der Arztpraxis auf den "wirtschaftlichen Vorteil einer Vertragsarztzulassung" entfalle. Dieser sei als ein eigenes nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut anzusehen, welches vom Praxiswert zu trennen ist und nicht abgeschrieben werden könne.

Die Entscheidung: Kassenarztzulassung kein selbständiges Wirtschaftsgut

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 9. April 2008, Az. 2-K-2649/07) hatte in der Vorinstanz entschieden, dass der "wirtschaftliche Vorteil einer Vertragsarztzulassung" kein gesondert zu bewertendes Wirtschaftsgut darstellt. Vielmehr handelt es sich um einen wertbildenden Faktor des Wirtschaftsguts "Praxiswert" im Rahmen des Gesamtkaufpreises zum Erwerb der Vertragsarztpraxis. Der BFH hat diese Rechtsauffassung bestätigt und ist damit der Auffassung der Finanzverwaltung entgegengetreten.

Der Vertragsarztsitz stellt lediglich einen Einzelbestandteil des Wirtschaftsguts "Praxiswert" (Goodwill) dar, welcher Ausdruck für die Gewinnchancen durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im Ganzen aufgrund besonderer, dem Unternehmen eigener Vorteile ist. Der Vorteil aus der Vertragsarztzulassung lasse sich, sofern sich der Kaufpreis der Praxis nach dem Verkehrswert richtet, nicht von dem Praxiswert abspalten.

Wertansatz und Abschreibungen

Die Kassenzulassung ist kein gesondert vom Praxiswert zu erfassendes nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn sich der für eine Arztpraxis mit Vertragsarztsitz zu zahlende Kaufpreis ausschließlich nach dem Verkehrswert richtet. Im Übrigen komme eine gesonderte Bewertung des Vorteils aus der Zulassung nach Ansicht des BFH auch aus Gründen der Praktikabilität nicht in Betracht, weil ein sachlich begründbarer Aufteilungs- und Bewertungsmaßstab nicht ersichtlich ist.

Somit ist der Kaufpreis nur sachgerecht nach dem Wert des materiellen Anlagevermögens und dem Wert des immateriellen Wirtschaftsguts "Praxiswert" (Goodwill) aufzuteilen. Die Abschreibung des immateriellen Wirtschaftsguts, welches die Einheit aller wertbildenden Faktoren der Praxis bildet, erfolgt danach entsprechend den jeweiligen Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung in der Regel über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren.

Vertragsarztzulassung in Sonderfällen doch selbständiges Wirtschaftsgut

Am Schluss der Urteilsbegründung nimmt der BFH ausdrücklich Bezug auf das weitere zum Erwerb einer Kassenarztzulassung ergangene Urteil des Finanzgericht Niedersachsen (Urteil vom 28. September 2004, Az. 13-K-412/01, rechtskräftig). In diesem Fall hatte ein Arzt einem ausscheidenden Arzt eine Zahlung für den Vorschlag gegenüber den Zulassungsinstanzen als favorisierten Nachfolger zur Erlangung der Vertragsarztzulassung geleistet, ohne jedoch dessen Praxis zu übernehmen. Nach Erhalt der Zulassung verlegte er den Vertragsarztsitz an einen anderen Ort.

In einem solchen Fall werde die Vertragsarztzulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht und kann damit zu einem selbständigen nicht abnutzbaren immateriellen Wirtschaftsgut konkretisiert werden.

Handlungsmöglichkeiten im vorgegebenen Rahmen

Mit dem vorliegenden Urteil hat der BFH eine klare Richtung für die einkommensteuerliche Behandlung des Erwerbs kassenärztlicher Zulassungen angegeben. Demnach ist der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt im Regelfall im Praxiswert einer Arztpraxis enthalten, wenn sich der Kaufpreis ausschließlich nach dem Verkehrswert richtet und wird mit diesem abgeschrieben. Wenn die Zahlung allein für die Vertragsarztzulassung geleistet wird, stellt sie ein eigenständiges nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut dar.

Innerhalb des vom BFH vorgegebenen Rahmens sind die Möglichkeiten zur steuerlich optimierten Gestaltung von Praxis-Übernahmen individuell zu prüfen.

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