„In der Gesundheitswirtschaft sind Frauen auf Führungsebene völlig unterrepräsentiert“

30 Oktober, 2015

Frauen sind im Gesundheitswesen traditionell gut vertreten. Geht es jedoch um leitende Positionen, nimmt ihr Anteil drastisch ab. Das belegen die Ergebnisse der PwC-Studie „Frauen in der Gesundheitswirtschaft“. Doch es gibt durchaus einzelne Bereiche, in denen der Frauenanteil auch in Führungspositionen stimmt.

Im Gespräch mit Corinna Friedl, Expertin bei PwC im Bereich Gesundheitswesen, und Sevilay Huesman-Koecke, bis 2022 Expertin bei PwC im Bereich Gesundheitswesen und Pharma

Frau Huesman-Koecke, Frauen stellen im Gesundheitsbereich laut Statistischem Landesamt etwa drei Viertel der Beschäftigten. Und in Führungspositionen?

Sevilay Huesman-Koecke: Da kam unsere Erhebung zu ernüchternden Ergebnissen: Nur jede dritte Führungsposition ist in der Gesundheitswirtschaft weiblich besetzt. Angesichts der relativ hohen Beschäftigungsquote von Frauen in diesem Bereich sind sie dort völlig unterrepräsentiert. Im Topmanagement stellt sich die Situation noch dramatischer dar: Dort sind Frauen nur zu 15 Prozent vertreten.

Corinna Friedl: Allerdings überraschen diese Zahlen nicht wirklich. Damit unterscheidet sich die Gesundheitswirtschaft keinen Deut von den übrigen Branchen. Der Anteil weiblicher Führungskräfte liegt in Deutschland auch insgesamt durchschnittlich bei nur 33 Prozent. Allerdings ist es schade, dass Frauen, die das Bild des Gesundheitswesens so stark prägen, ihre Erfahrung und ihr Know-how nicht stärker in Managementfunktionen einbringen können. In der Branche liegt also viel Potenzial brach.

Gab es denn auch Ergebnisse, die Sie verblüfft haben?

Sevilay Huesman-Koecke: Bei Krankenversicherungen sind Frauen mit leitenden Aufgaben noch weniger zu finden als in anderen Unternehmen. Auf Vorstandsebene und in der Geschäftsführung ist mit nur neun Prozent nicht einmal jede zehnte Stelle mit einer Chefin besetzt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es sich bei Krankenkassen um Körperschaften des öffentlichen Rechts handelt, gibt das zu denken. Denn generell kann der öffentliche Sektor sonst mit einer besseren Frauenquote punkten als die Privatwirtschaft.

Corinna Friedl: Verblüffend ist vor allem, dass das Thema „Frauen in Führungspositionen“ bei vielen Krankenkassen noch nicht sehr präsent zu sein scheint.  Konkrete Frauenförderungsprogramme und auch die gezielte Förderung einer beruflichen Vernetzung von Frauen finden selten statt. Das könnte unter anderem daran liegen, dass die Krankenkassen sehr stark miteinander konkurrieren und es deshalb kaum Kontakt und Zusammenarbeit gibt. Hier sehe ich Handlungsbedarf.

Gibt es denn Bereiche in der Gesundheitswirtschaft, in denen die Frauenquote stimmt?

Sevilay Huesman-Koecke: Es gibt bestimmte Aufgabenfelder, in denen Frauen auch als Chefin häufig zu finden sind: Dazu gehören Presse, Werbung und Marketing. An wissenschaftlichen Instituten sind 69 Prozent der Führungskräfte in diesem Bereich weiblich, an Kliniken 58 Prozent. Ein weiteres Beispiel ist das Personalwesen. In Pharmaunternehmen stellen Frauen dort 55 Prozent der Führungskräfte. In Kliniken sind Frauen in der Pflegedienst- und OP-Leitung sowie im Qualitätsmanagement stark vertreten. Ihr Anteil liegt da jeweils deutlich über 60 Prozent.

Corinna Friedl: Es gibt aber auch regionale Unterschiede: In Ministerien und Behörden der ostdeutschen Bundesländer liegt die Frauenquote bei 49 Prozent. Im Westen (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland) sind Frauen dagegen nur zu 36 Prozent auf Leitungsebene zu finden. Auch bei Krankenhäusern ist ein solches Ost-West-Gefälle zu beobachten. In Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist fast die Hälfte aller Führungspositionen in Kliniken weiblich besetzt. Zum Vergleich: In Niedersachsen sind es nur 29,5 Prozent, in Baden-Württemberg 32,6 Prozent, in Nordrhein-Westfalen 31,6 Prozent.

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