30 Mai, 2022
Von Barnabas Kerekes und Karol Dziwiński. Am 22. Dezember 2021 hat die Europäische Kommission den Entwurf einer neuen Richtlinie zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke veröffentlicht (Anti-Tax-Avoidance-Directive (ATAD) 3). Der Entwurf sieht erweiterte Berichtspflichten sowie einen Substanztest für mögliche Briefkastenfirmen vor.
Die Einstufung als ein solches Unternehmen ist mit weitgehenden steuerlichen Konsequenzen verbunden, die sich sowohl auf den Zugang zu einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) als auch auf die Verrechnungspreise auswirken.
Die Richtlinie gilt für alle Unternehmen (mit bestimmten Ausnahmen), die in einem Mitgliedstaat der EU steuerlich ansässig sind und einen Nachweis über die steuerliche Ansässigkeit erhalten können. Ein Unternehmen muss den zuständigen Behörden einen Bericht erstatten, wenn es die folgenden Kriterien erfüllt:
Unternehmen, welche die obigen Kriterien erfüllen, müssen in ihrer jährlichen Steuererklärung für jedes Steuerjahr angeben, ob sie den folgenden Indikatoren für die minimale Substanz gerecht werden:
Die Steuerbehörden werden die übermittelten Informationen nutzen, um festzustellen, ob das betreffende Unternehmen ein Mindestmaß an Substanz aufweist oder ob es als eine Briefkastenfirma einzustufen ist. Die lokalen Steuerbehörden können auch eine alternative Beurteilung gemäß den nationalen Vorschriften vornehmen.
Ein Unternehmen, das als Briefkastenfirma deklariert wird, kann einen Gegenbeweis antreten oder beweisen, dass die von ihm oder von seinem Intermediär ausgeübte Tätigkeit einen echten Geschäftszweck hat und nicht zu einer Verringerung der Steuerschuld seines wirtschaftlichen Eigentümers oder der Unternehmensgruppe führt, zu der das Unternehmen gehört.
Die folgenden steuerlichen Konsequenzen sind mit dem Status der Briefkastenfirma verbunden:
Die in den Verfahren gewonnenen Informationen werden über den automatischen Informationsaustausch zwischen den EU-Steuerbehörden ausgetauscht.
Die EU-Mitgliedstaaten sollten außerdem Sanktionen in Höhe von mindestens fünf Prozent des Umsatzes des betreffenden Unternehmens verhängen.
Besteht die Vermutung, dass ein in einem anderen Mitgliedstaat steuerlich ansässiges Unternehmen seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie nicht nachgekommen ist, kann die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats der ausländischen Steuerbehörde einen Antrag auf Durchführung einer Steuerprüfung stellen.
Die Richtlinie wird sich vor allem auf die als risikoreich eingestuften Unternehmen auswirken. Diese Unternehmen werden spezifischen und weitreichenden Berichtspflichten unterliegen. Diejenigen Unternehmen, die als Briefkastenfirma eingestuft werden, werden etliche Steuervorteile (vor allem aus den DBAs und den EU-Richtlinien) versagt. Beispielsweise können die Vorteile der Mutter-Tochter-Richtlinie sowie der Zins- und Lizenzrichtlinie zwischen den verbundenen Unternehmen nicht mehr geltend gemacht werden. Ein mangelnder DBA-Schutz bedeutet, dass z. B. ein DBA-Verständigungsverfahren nicht eingeleitet werden kann. Dies ist aus Sicht der multinationalen Unternehmen ein klarer Nachteil, was vor allem Verfahren mit Verrechnungspreisbezug betrifft.
In diesem Zusammenhang sollten alle multinationalen Konzerne, die von ihren Unternehmen oder Geschäftseinheiten ausgeübten Tätigkeiten daraufhin überprüfen, ob sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen und ob sie ihre Tätigkeiten belegen müssen. Obwohl die Richtlinie erst am 1. Januar 2024 in Kraft treten soll, wird die Überprüfung der Erfüllung der Eigenschaften eines risikobehafteten Unternehmens wahrscheinlich auf den Daten aus den zwei vorangegangenen Jahren basieren. Das bedeutet, dass schon das Jahr 2022 für diese Analyse relevant sein kann.
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