Das Thema Digitale Souveränität hat in den letzten Monaten enormes Momentum entwickelt. Der CIO des Bundes definiert digitale Souveränität als die Fähigkeit von Individuen und Institutionen, ihre Rollen in der digitalen Welt eigenständig, selbstbestimmt und sicher wahrzunehmen. Da Cloud-Services das Rückgrat der Digitalisierung bilden und auf mehreren Ebenen, wie etwa Technologie, Fertigkeiten, Recht oder Abhängigkeiten, anders funktionieren als konventionelle IT, benötigt es auch eine eigene Definition von Cloud-Souveränität: Cloud-Souveränität ist die Fähigkeit einer Organisation, genutzte Cloud-Technologien vertragsgemäß und im Einklang mit regulatorischen Anforderungen zu nutzen und zu steuern, ohne dass externe, im Rechtsverhältnis bekannte Akteure dies einschränken können.
Aus der geopolitischen Lage resultieren Risiken für Vertraulichkeit und Verfügbarkeit sowie für die Bezugskosten. Die Integrität – also das unautorisierte Verändern von Daten – ist in dieser Betrachtung bewusst ausgeklammert, weil derartige Eingriffe eher im Kontext einer Konfliktvorbereitung zu erwarten sind und damit auch auf übergeordneter staatlicher Ebene zu behandeln wären.
Die Schutzziele Vertraulichkeit und Verfügbarkeit entsprechen den klassischen Zielen der Cyber-Security. Im Rahmen der Souveränitätsoptimierung erfolgt die Bewertung jedoch nach anderen Kriterien, da Herkunft und Motivlage der Bedrohung abweichen. Ein Beispiel: Aus Cyber-Security-Perspektive kann die leistungsfähigste Endpoint-Protection von einem US-Anbieter stammen. Da ein solches System Zugriff auf unverschlüsselte Daten benötigt und die Bedrohungsanalyse in der globalen Cloud des Anbieters erfolgt, ist es aus Souveränitätssicht allerdings weniger geeignet.
Für die weitere Betrachtung stehen die Souveränitätsaspekte im Fokus. Zugleich müssen im Organisations- und Unternehmensumfeld die daraus entstehenden Zielkonflikte für die Umsetzung diskutiert, abgewogen und tragfähig gelöst werden.
Ziel der Cloud-Kunden ist es, den angemessenen Souveränitätsgrad für die in der Leistungserbringung genutzten Cloud-Dienste individuell zu definieren. Voraussetzung dafür ist eine detaillierte, umfassende und nachvollziehbare Bestimmung des Ausgangszustands. Hierbei sollten die Cloud-Kunden annehmen, dass die bestehende IT-Architektur, die etablierten Betriebsprozesse und das eingesetzte Personal sämtliche fachlichen, funktionalen und regulatorischen Anforderungen erfüllen. Dies stellt sicher, dass bestehende Defizite nicht (fälschlicherweise) als Souveränitätsproblem interpretiert werden, sondern ausschließlich bewertet wird, wie sich die reale Souveränität darstellt und wie sich Maßnahmen zu deren Erhöhung auswirken.
Es empfiehlt sich, die Maßnahmen zur Stärkung der Souveränität aufgrund der diversen Abhängigkeiten mittels eines iterativen Vorgehens auszugestalten und umzusetzen. Unternehmen sollten die Lösungsoptionen strukturiert identifizieren und deren Auswirkungen auf Funktionalität, Kosten sowie Betriebs- und IT-Sicherheit bewerten, um das Gesamtpaket kontinuierlich und zielgerichtet zu optimieren.
Je nach Ausgangslage und angestrebtem Zielniveau lässt sich die Cloud-Souveränität in drei abgestuften Handlungsfeldern erhöhen.
Die Stärkung der Souveränität erscheint zwar grundsätzlich einfach. In der Realität stellt sich die Umsetzung der Veränderungen jedoch als anspruchsvoll dar. Für viele Unternehmen sind Maßnahmen der ersten beiden Stufen vergleichsweise gut realisierbar, da sie meist nur begrenzten Einfluss auf andere Bewertungsdimensionen wie Funktionalität, Kosten, Betrieb und Sicherheit haben. Ab Stufe drei vergrößern sich jedoch Tragweite und Wechselwirkungen deutlich, und es entstehen spürbare Konsequenzen für Funktionsumfang, Prozessgestaltung und Wettbewerbsfähigkeit – weil sich Leistungsangebote, und damit die Fähigkeit, Leistungen am Markt anzubieten, verändern. Unternehmen sollten ihr Vorgehen daher sorgfältig vorbereiten und klare Entscheidungskriterien, belastbare Szenarien und fortlaufende Beobachtung der Rahmenbedingungen sicherstellen. Souveränität ist kein reines IT-Thema, sondern eine unternehmensweite Aufgabe mit direktem Einfluss auf Marktauftritt, Kundenerlebnis, Wirtschaftlichkeit und die strategische Positionierung.