07 Juli, 2022
Die Regierung hatte China für 2022 ursprünglich ein Wirtschaftswachstum von 5,5 Prozent verordnet, aber Corona dämpft den Konsum und sorgt für höhere Arbeitslosigkeit. Mit großer Aufmerksamkeit wurden deshalb die Beschlüsse zweier Staatsorgane verfolgt, die sich turnusgemäß Anfang März in Beijing zu zeitgleich stattfindenden Sitzungen trafen.
Der Teilnehmerkreis der „National two Sessions“ repräsentiert die politische Führungsriege des gesamten Landes: die Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (PKKCV) und den Nationalen Volkskongress (NVK). Die PKKCV hat vorrangig eine beratende Funktion und umfasst mehr als 2.000 Persönlichkeiten aus Unternehmen, Gewerkschaften und dem öffentlichen Leben. Der NVK mit seinen knapp 3.000 Delegierten ist Chinas oberstes gesetzgebendes Organ.
Die Sitzungen geben zu Beginn jedes Jahres einen Ausblick auf die kurzfristige politische Agenda des Landes und werden insoweit im In- und Ausland mit großem Interesse verfolgt. In diesem Jahr wurden die Ergebnisse der Beratung wenige Tage nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges und unmittelbar vor dem erneuten Aufflammen der Coronapandemie auf dem Festland veröffentlicht.
Nach einem Anstieg des Bruttoinlandprodukts um 8,1 Prozent im Vorjahr strebt China für 2022 ein Wirtschaftswachstum von rund 5,5 Prozent an. Damit würde das Plus seit Ausbruch der Coronapandemie im Dreijahresdurchschnitt jeweils über 5 Prozent liegen.
In diesem Zusammenhang sollen elf Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen und die Arbeitslosenquote soll in Ballungsgebieten auf weniger als 5,5 Prozent gesenkt werden. Der Anstieg des Verbraucherpreisindexes soll maximal 3 Prozent betragen, wobei zu bedenken ist, dass China unter anderem auch unter importierten Inflationsfaktoren leidet (etwa steigende Preise bei den Rohstoffen).
Die Staatsschuldenquote soll im dritten Jahr in Folge weiter sinken und maximal 2,8 Prozent betragen. Hierzu soll die Fiskalpolitik im Voraus aktiv werden sowie nachhaltige Impulse setzen und die Währungspolitik weiterhin ausreichend Liquidität für Investitionen sicherstellen.
Ein weiteres Hauptziel ist die Sicherstellung einer Rekordernte von über 650 Millionen Tonnen Getreide. Klimaziele sollen im Einklang mit wirtschaftlichen Verbesserungen erreicht werden. Allerdings wurde dieses Ziel gegenüber dem Plan im Vorjahr weicher formuliert.
Die ökonomischen Wachstumsziele sollen vorrangig das Vertrauen in die chinesische Wirtschaft aufrechterhalten und erhöhen sowie weitere ausländische Investitionen stimulieren. Unabhängig davon kann eine unterschiedliche monetäre Handelspolitik zwischen den USA und China zu weiteren Geldabflüssen aus China führen.
Die auf Steuererleichterungen oder Umsatzsteuererstattungen basierende proaktive Finanzpolitik soll vorrangig weitere Unternehmensinvestitionen in China begünstigen. Die derzeitige Geldpolitik Chinas zielt auf einen stabilen Wechselkurs des Renminbi und fortgesetzt niedrige Bankzinsen ab. Beides soll Unternehmensinvestitionen weiter begünstigen. Darüber hinaus will China damit fortfahren, ausländische Unternehmen in speziellen Industriebranchen und für ausgewählte Regionen im Westen und Süden Festlandchinas gezielt anzuwerben. Dadurch soll eine ausgewogenere regionalwirtschaftliche Entwicklung im Land gefördert werden. Für Unternehmen, die vorrangig den chinesischen Binnenmarkt als Absatzziel anstreben, können die Anreize in diesen Provinzen besonders attraktiv sein.
Klimaneutralität rückt auch in China immer stärker in den Fokus von Politik und Wirtschaft: Produktionsanlagen sollen modernisiert, vereinzelte mittelfristig auch geschlossen werden. Des Weiteren werden klimaneutrale Investitionen gezielt gefördert. Es bleibt abzuwarten, ob die Neuausrichtung im Jahr 2022 die Energiesicherheit für Unternehmen stärker in den Vordergrund rückt als im Vorjahr.
Digitale Technologien unterstreichen weiter Chinas wirtschaftliche Vormachtstellung in einzelnen Bereichen: Der Ausbau des 5-G-Netzes ist bereits weit fortgeschritten, Smart Cities, Smart Infrastructure und Big Data sollen den heimischen Absatzmarkt für Unternehmen attraktiver machen.
Bei Redaktionsschluss – Ende Mai 2022 – befand sich die Wirtschaftsmetropole Shanghai noch immer in einem mehrwöchigen strikten Lockdown und ein Ende des Russland-Ukraine-Krieges war nicht absehbar. Nach dem ersten Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 in Zentralchina leiden seit dem zweiten Quartal 2022 nun vor allem der Nordosten des Landes, die Region Shanghai sowie mittlerweile auch die Hauptstadt Beijing fast durchweg unter harten Einschränkungen. Insoweit geraten die wirtschaftlichen Ziele der Sitzungen Anfang März teilweise in den Hintergrund.
Es bleibt also abzuwarten, ob das öffentliche und wirtschaftliche Leben in der zweiten Jahreshälfte wieder so weit normalisiert werden kann, dass die Beschlüsse der beiden Staatsorgane zu einem erfolgreichen Comeback – speziell der chinesischen Wirtschaftsleistung – beitragen können. Dann könnten ausländische Unternehmen im weiteren Jahresverlauf die oben beschriebenen Ziele in vollem Umfang für ihre eigene Unternehmensausrichtung nutzen.
Nach seinem Abschluss in International Business begann Sebastian Huth 2006 bei PwC als Prüfungsassistent in Düsseldorf. Dort wurde er 2011 als Steuerberater und 2013 als Wirtschaftsprüfer bestellt. Danach wechselte er nach Siegen. Neben seinen Kenntnissen in internationalen Konzernprüfungen verfügt er über langjährige Erfahrung in der Betreuung von nationalen und internationalen Familienunternehmen. Ab 2017 war er in Köln verantwortlich für die Steuerung und Leitung von Konzernprüfungen börsennotierter Unternehmen. Seit April 2021 ist er erster Ansprechpartner am German Desk von PwC Shanghai. Im Vordergrund stehen für ihn die persönliche Betreuung deutschsprachiger Mandanten in China und der Ausbau des internationalen Netzwerks.