Sanierungsrecht: Der neue Weg aus der Krise

19 Januar, 2021

Die Bundesregierung eröffnet Unternehmen bessere Möglichkeiten, Restrukturierungspläne umzusetzen und Insolvenzen zu vermeiden – auch gegen den Widerstand einzelner Gläubiger. Was Entscheider über das neue Sanierungsrecht wissen sollten.

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Woran Sanierungen häufig scheitern – und warum sich das jetzt ändert

Unternehmen, die ums Überleben kämpfen, sehen sich häufig mit unverhältnismäßigen Forderungen konfrontiert. Denn bislang müssen sämtliche Gläubiger einer Restrukturierung ohne Insolvenz zustimmen. Einzelne haben deshalb ein faktisches Vetorecht – und nutzen ihre Position bisweilen für fragwürdige Sonderwünsche. Das führt häufig dazu, dass Verhandlungen über eine außergerichtliche Sanierung scheitern. 

Das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG), das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, erschwert nun Blockaden einzelner Gläubiger. Die Bundesregierung ergänzt das Insolvenzrecht damit um ein echtes Sanierungsrecht – und schafft auf diese Weise mehr Rechtssicherheit für Restrukturierungen in eigener Verantwortung. Angesichts der COVID-19-Pandemie könnte die Neuregelung für viele mittelständische Unternehmen genau zur rechten Zeit kommen. 

Allerdings definiert das Gesetz auch klare Anforderungen an Geschäftsleiter. Sie sollten künftig noch genauer beobachten und prüfen, ob dem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit droht. Auf einen neuen Haftungstatbestand bei der Verletzung von Gläubigerinteressen hat der Gesetzgeber nach scharfer Kritik doch noch verzichtet.

„Sanierungen und Restrukturierungen sind bei inhabergeführten Unternehmen besonders diffizil, da die Interessen der Familie und des Unternehmens in Einklang gebracht werden müssen. Deshalb sollten sie sich, falls betroffen, mit dem neuen Sanierungsrecht rasch vertraut machen.“

Uwe Rittmann, Leiter Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC Deutschland

Das Herz des neuen Sanierungsrechts: die neuen Abstimmungsregeln für Restrukturierungspläne.

Die entscheidende Hürde für außergerichtliche Sanierungen ist die Abstimmung der Gläubiger über den Restrukturierungsplan. Die neuen Verfahrensregeln hebeln zwar das faktische Vetorecht Einzelner aus – führen aber nicht automatisch zum Ziel. Wie genau läuft es künftig?

Gruppen
Gläubiger werden zunächst je nach rechtlicher Stellung in Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe bilden all jene, die über Sicherheiten verfügen („Sicherheitsnehmer“), eine andere die „einfachen Gläubiger“. Dazu gehören typischerweise Lieferanten und die öffentliche Hand. Weitere Gruppen bilden nachrangige Gläubiger und Anteilseigner.

Mehrheit
Ein Restrukturierungsplan gilt als angenommen, wenn in jeder Gruppe mindestens eine Dreiviertel-Mehrheit zustimmt. Die Stimmrechte orientieren sich dabei an der Höhe der Forderung.

Überstimmung
Wenn die erforderliche Mehrheit in einzelnen Gruppen nicht zustande kommt, können Unternehmen vor Gericht beantragen, diese Gruppen zu „überstimmen“. Voraussetzung ist, dass die Mehrheit der Gruppen zugestimmt hat und dass die Mitglieder ablehnender Gruppen nicht schlechter gestellt werden als ohne Restrukturierungsplan.

Vorgesehen war darüber hinaus, dass Gerichte Verträge mit Gläubigern auf Antrag von Unternehmen einseitig beenden können. Diese Möglichkeit wurde aber kurz vor der Verabschiedung aus dem Gesetz gestrichen – eine gute Nachricht für Gläubiger wie beispielsweise Vermieter.  

So geht‘s: In vier Schritten aus der Krise.

Unternehmen sollten gerade in Krisensituationen genauer denn je beobachten, ob eine Zahlungsunfähigkeit droht. Denn wer früh reagiert, erhöht seine Chancen, vom neuen Sanierungsrecht zu profitieren. Zudem gewinnt ein ausgereiftes Frühwarnsystem an Bedeutung (siehe Interview).

Im konkreten Krisenfall gilt es, möglichst schnell das Gespräch mit den Gläubigern zu suchen – und auszuloten, ob und inwieweit sie zu Zugeständnissen bereit sind.

Auf Basis der Erkenntnisse können Entscheider dann einen Restrukturierungsplan aufstellen. Typische Elemente sind ein Forderungsverzicht („Haircut), verlängerte Zahlungsfristen sowie ein neuer Gesellschafter.

Wenn sämtliche Gläubigergruppen mit Drei-Viertel-Mehrheit zustimmen, ist die Sache beschlossen und die Insolvenz vorerst abgewendet. Bei Widerstand einzelner Gruppen können sie überstimmt werden (siehe oben).

Interview „Permanentes Monitoring“

Verena Riemer ist Ihre Expertin für Sanierungsrecht bei PwC Legal

Verena Riemer
Rechtsanwältin Corporate/M&A, PwC Legal
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Verena Riemer, Anwältin bei PwC Legal, über die Anforderungen an Entscheider und eine erfreuliche Änderung in letzter Minute.

Das neue Sanierungsrecht eröffnet Vorständen, Geschäftsführern und Gesellschaftern neue Möglichkeiten, definiert aber zugleich klare rechtliche Anforderungen. Inwiefern?

Entscheider müssen im Rahmen eines permanenten Monitorings genau beobachten, wie es um die die Zahlungsfähigkeit bestellt ist. Das ist zwar kein Novum, wird aber mit dem StaRUG erstmals für sämtliche Rechtsformen gesetzlich kodifiziert. Geschäftsführer und Vorstände sollten das Thema deshalb nicht auf die leichte Schulter nehmen und spätestens jetzt ein ausgereiftes Frühwarnsystem etablieren. Bei Verstößen gegen diese Pflicht drohen im Fall einer Insolvenz empfindliche Schadensersatzforderungen.

Bringt das neue Gesetz darüber hinaus neue Haftungsrisiken?

Nein. Ursprünglich war vorgesehen, dass Unternehmen bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit die Interessen der Gläubiger berücksichtigen müssen. Kurz vor der Verabschiedung hat der Gesetzgeber diese Regelung nach scharfer Kritik jedoch aus dem Gesetz gestrichen.

Was waren die wesentlichen Kritikpunkte?

Die Neuregelung hätte unternehmerische Handlungsspielräume erheblich eingeschränkt. Denn der Zeitpunkt, zu dem formal betrachtet eine Zahlungsunfähigkeit droht, ist bisweilen früher erreicht als Entscheider denken – gerade in der Corona-Krise. In vielen Fällen hätte deshalb die Gefahr bestanden, dass Investitionen von Gerichten als Pflichtverstoß gewertet werden. Zudem hätte das Gesetz für zahlreiche rechtliche Zweifelsfälle und Konflikte innerhalb von Unternehmen gesorgt – etwa zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern in Familienunternehmen. Gerade aus Sicht des Mittelstandes ist es deshalb zu begrüßen, dass der Gesetzgeber auf den neuen Haftungstatbestand verzichtet.

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