Sie gelten als Alternative zu Diplomatie oder Waffen: Wirtschaftssanktionen. Mit ihrer Hilfe versuchen Regierungen auf internationaler Ebene politische Ziele durchzusetzen. Gerade in den vergangenen Jahren hat die Zahl der US- ebenso wie der EU-Sanktionen stark zugenommen – mit erheblichem Einfluss auf den Welthandel: Mittelständische Unternehmen werden verpflichtet, immer schärfere und komplexere Wirtschaftssanktionen einzuhalten. Das gilt insbesondere für Unternehmen mit verzweigten Produktions- und Vertriebsstrukturen.
So sind deutsche Unternehmen etwa vom Konflikt um die Gasleitung Nord Stream 2 betroffen. Mittelständlern, die gegen Sanktionen verstoßen, drohen empfindliche Strafen bis zur Einschränkung ihres Geschäftsbetriebs. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, sich des Risikos bewusst zu sein und die entsprechenden Sanktionsrisiken laufend zu steuern.
Ihr Experte für Fragen
Uwe Rittmann
Leiter Familienunternehmen und Mittelstand
bei PwC Deutschland
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Gerade die Länder, in denen der deutsche Mittelstand stark vertreten ist oder historisch starke Netzwerke aufgebaut hat, stehen im Fokus von Sanktionen. Dazu zählen etwa der Iran und Russland – Länder, in denen die US-Sanktionen 2020 noch verschärft wurden. Prinzipiell sind mittelständische Unternehmen aller Branchen einem hohen Sanktionsrisiko ausgesetzt. Entscheidend ist dabei neben den einzuhaltenden EU-Sanktionen die Frage, ob es Kontaktpunkte in die USA gibt. Die Gefahr von Sanktionsverstößen besteht immer dann, wenn ein Unternehmen global aufgestellt ist und einen US-Nexus hat, Auslandsgeschäfte mit einem Unternehmen macht, das von US-Sanktionen betroffen ist oder mit Geschäftspartnern in sanktionierten Ländern zusammenarbeitet. Hinzu kommt die Hürde, dass die US-Sanktionen teilweise von EU-Sanktionen abweichen, die jedes deutsche Unternehmen zwingend einhalten muss.
Auch Banken, die in der Vergangenheit selbst mit hohen Strafen belegt wurden, setzen den Mittelstand unter Druck: Sie fordern von ihren Kunden die Einhaltung von Wirtschaftssanktionen, melden potentielle Verstöße an die Behörden, verweigern die Durchführung von Transaktionen oder kündigen die Geschäftsbeziehung.
„Der Mittelstand ist enorm von verschärften Wirtschaftssanktionen, insbesondere denen der USA, betroffen. Um sich vor hohen Strafen, langwierigen Verfahren und dem Ausschluss vom US-Markt zu schützen, sollten sich Firmen dringend mit dem Thema beschäftigen.“
Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat die US-Sanktionen im Zusammenhang mit Nord Stream 2 kürzlich scharf kritisiert. Wie bewerten Sie Wirtschaftssanktionen?
Zunächst sind sie ein politisches Instrument, mit dem Staaten versuchen, nationale Interessen durchzusetzen – oftmals berechtigte Interessen wie den Kampf gegen den Terrorismus. Als solches haben Sanktionen aber in den vergangenen Jahren einen Wandel vollzogen. Im Zuge einer aggressiveren Handelspolitik, die insbesondere Länder wie die USA und China betreiben, sind sie auch zu einem wirtschaftlichen Machtmittel geworden. Wir stellen fest, dass Wirtschaftssanktionen immer häufiger eingesetzt werden.
Ist das wirklich ein Thema für den Mittelstand oder sind davon nicht eher Großkonzerne betroffen?
Jedem mittelständischen Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen ins Ausland ist dringend zu raten, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Schon ein US-Nexus reicht aus, um in den Fokus zu geraten. Viele Firmen sind sich gar nicht bewusst, welch hohe Bedeutung das Thema für sie hat.
Wie schützen Unternehmen sich am besten?
In jedem Fall ist es wichtig, dass sie sich einen Überblick über die Risiken und den Einfluss von Sanktionen verschaffen und ihre Sicherungsmaßnahmen daran ausrichten. Das hilft auch im Fall eines Sanktionsverstoßes: Unternehmen, die keine Vorsorge getroffen haben, stehen aus der Sicht der Behörden schlecht da.
Lothar Müller
Director, Risk & Regulatory, Forensic, PwC Sanctions Compliance Center of Excellence, PwC Germany
Tel.: +49 160 5364479
Marco Smeets
Senior Manager, Risk & Regulatory, Forensic, PwC Sanctions Compliance Center of Excellence, PwC Germany