Autonome Systeme brauchen mehr als gute Absichten – sie brauchen steuerbare Regeln.

Wenn KI-Handeln autonom wird – wie bleibt Governance beherrschbar?

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  • 4 Minuten Lesezeit
  • 02 Dez 2025

Je autonomer Systeme werden, desto häufiger handeln sie außerhalb klassischer Taktzyklen - und genau dort verlieren klassische Governance-Modelle ihre umfängliche Wirksamkeit. Verantwortung, Überwachung und Policies müssen neu gedacht und codiert werden. Organisationen stehen also vor einem Paradigmenwechsel: Nicht nur technisch, sondern auch im Steuerungsmodell, in dem Entscheidungssicherheit Teil der DNA des KI-Systems werden muss. 

Abstrakte Regeln treffen auf operative Autonomie

Künstliche Intelligenz verlässt gerade eine Phase, in der sie vor allem unterstützt, analysiert und empfiehlt. In immer mehr Organisationen entwickeln sich KI-Systeme zu handelnden Einheiten: Sie koordinieren Prozesse, priorisieren Aufgaben, treffen Vorentscheidungen – und handeln zunehmend autonom. Was technologisch beeindruckend ist, wird organisatorisch zur Herausforderung. Denn bestehende Governance-Modelle sind nicht vollumfänglich für Systeme wirksam, die selbstständig entscheiden, lernen und agieren. Sie sind für Innovationssteuerung gebaut. Für Organisationen und Hierarchien. Für lineare Abläufe und Compliance. Sie sind oftmals Teil eines umfassenden Operating Models. Und dennoch entsteht hier eine strukturelle Lücke für Agentic AI. 

Hinzu kommt eine zweite Dynamik: Je stärker KI in kritische Prozesse eingebunden wird, desto größer werden die Auswirkungen von Fehlentscheidungen. Nicht jede KI-Aufgabe ist gleich riskant. Eine Marketingoptimierung ist etwas anderes als eine automatisierte Kreditentscheidung. Eine interne Priorisierung ist etwas anderes als die Steuerung sicherheitskritischer Systeme.

Drei Faktoren bestimmen, ob die Organisation mit dem Potenzial von Agentic AI Schritt halten kann 

  • Kritikalität und Komplexität der Aufgabe: Wie hoch ist das Risiko bei Fehlverhalten? 

  • Technische Steuerbarkeit: Wie gut lässt sich das System kontrollieren, begrenzen und erklären? 

  • Organisatorische Reife: Wie gut ist die Organisation darauf vorbereitet, autonome Systeme zu führen?

Wenn diese Dimensionen auseinanderlaufen, entsteht ein gefährliches Ungleichgewicht: Autonomie für sensible Aufgabenbereiche wird unmöglich und das Potenzial für KI nicht ausgeschöpft.

Vertrauen muss neu definiert werden: systemisch codiert

In autonomen Systemen muss Vertrauen noch stärker technisch belegbar werden.

Doch genau das fehlt heute häufig:

  • Es gibt keine standardisierten, maschinenlesbaren Regeln.

  • Es fehlen messbare Vertrauensparameter.

  • Entscheidungen sind schwer nachvollziehbar, weil sie in Modellen und Agentenlogiken entstehen.

Die eigentliche Frage ist nicht „ob“, sondern „wie“

Die Diskussion um autonome Agenten ist längst entschieden: Sie kommen. Sie skalieren. Sie beschleunigen. Die eigentliche, ungelöste Frage lautet:

Wie können Systeme autonom handeln, ohne die Steuerungsfähigkeit der Organisation zu überholen?

Wie entsteht Governance, die in Echtzeit lenkt? 
Nicht nur vertraut, sondern Vertrauen messbar macht? 

Governance wird technisch – und parametrisch

Governance selbst muss zu einem technischen System werden: hin zu parametrisierten, maschinenlesbaren und auditierbaren Strukturen, die direkt in das Verhalten autonomer Agenten eingebettet sind. 

Manche sprechen in diesem Zusammenhang bereits von parametric, agentic AI – einem Ansatz, bei dem Autonomie nicht ungesteuert wächst, sondern durch messbare Leitplanken in Echtzeit geführt wird.

Noch ist dieses Feld jung. Aber die Richtung ist klar:

Governance wird nicht verschwinden. Sie wird sich erweitern – von Operating Model, Compliance und Innovationsfokus in Systeme, Parameter und Metriken.

Ausblick

Responsible AI wird zum right to play für KI Autonomie und das Potenzial von (Agentic)AI. Dieser Shift steht erst am Anfang seiner praktischen Relevanz, muss aber umso konsequenter angegangen werden, als dass die technischen Entwicklungen rasant voranschreiten und der globale Wettbewerb den Wandel befeuert. Deshalb arbeiten wir aktuell an einem vertiefenden Whitepaper, das die Konzepte rund um autonome KI-Governance, Parametrisierung und agentische Systeme systematisch aufarbeitet. 

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Autor:innen

Hendrik Reese
Hendrik Reese

Partner, Responsible AI Lead, PwC Germany

Hendrik Reese ist Partner bei PwC Deutschland und Responsible AI Lead. Er unterstützt Unternehmen dabei, KI verantwortungsvoll, sicher und skalierbar in ihre Wertschöpfung zu integrieren. Sein Schwerpunkt liegt auf Governance-Architekturen, die Innovation ermöglichen – von Agentic AI und Operating Models über Data & Model Trust bis hin zur Umsetzung regulatorischer Anforderungen wie dem EU AI Act. Seit 2017 treibt er Responsible AI in Europa voran und verbindet Technologie, Regulierung und Organisationsdesign zu einem integrierten Transformationsansatz. Für ihn ist Responsible AI kein Compliance-Projekt, sondern ein strategischer Hebel, um robuste KI-Ökosysteme, neue Geschäftsmodelle und nachhaltigen Wettbewerbsvorteil aufzubauen.
Vivien Bender
Vivien Bender

Manager, PwC Germany

Vivien Bender ist Teil des Responsible AI Teams bei PwC und spezialisiert auf vertrauenswürdige KI-Entwicklung und -Einführung. Mit internationalem Management Hintergrund (Indien, China) unterstützt sie Unternehmen bei der Umsetzung des EU AI Act, beim Aufbau klarer Rollen, effizienter Zusammenarbeit und einer verantwortungsvollen KI Kultur. Ihr Ziel: verantwortungsvolle KI als Basis für Innovation und Vertrauen.
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Partner, Responsible AI Lead, PwC Germany

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