04 Juni, 2020
Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat der deutsche Gesetzgeber den Unternehmen erstmals ermöglicht, ihre Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre als virtuelle Hauptversammlung (vHV) abzuhalten. Damit einher gehen zahlreiche weitere Erleichterungen.
Die neuen Regelungen gelten zunächst lediglich für Hauptversammlungen, die im Jahr 2020 stattfinden. Dabei muss es aber mit Blick auf eine generelle Modernisierung der Hauptversammlung deutscher Unternehmen nicht bleiben. Die Debatte darüber, ob der Gesetzgeber auch in Zukunft virtuelle Hauptversammlungen zulassen sollte, hat vielmehr bereits begonnen.
Eine PwC-Umfrage zum Umgang mit der vHV unter 33 großen und mittelgroßen börsennotierten Unternehmen unterschiedlicher Branchen lässt erste Trends erkennen. Einzelheiten werden sich im Laufe der Saison noch weiter ausprägen.
Alle Unternehmen, deren ordentliche Hauptversammlung bei Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen noch nicht stattgefunden hatte, gaben an, eine vHV durchführen zu wollen bzw. diese bereits abgehalten zu haben. Von den Erleichterungen hinsichtlich angepasster Einberufungs- und Durchführungsfristen machen in diesem Zusammenhang nur wenige Unternehmen Gebrauch. Keines der teilnehmenden Unternehmen will die Möglichkeit nutzen, eine Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn auch ohne entsprechende Satzungsgrundlage zu leisten.
Beinahe alle Unternehmen lassen die Einreichung von Aktionärsfragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung zu. Damit schließen sie das Fragerecht zum gesetzlich frühestmöglichen Zeitpunkt aus.
Der überwiegende Teil der Umfrageteilnehmer sieht davon ab, die Reden des Aufsichtsrats- und des Vorstandsvorsitzenden im Vorfeld zu veröffentlichen. Auch wird ein Großteil der Unternehmen (vorab) keine Antworten auf ausgewählte Fragen oder Stellungnahmen von Aktionären veröffentlichen.
Eine Übertragung der Hauptversammlung inklusive Generaldebatte im Internet sieht knapp ein Drittel der Unternehmen vor, ein weiteres Drittel zeigt dort jedenfalls die Reden der Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden.
Nahezu alle Unternehmen übertragen die vHV (auch) über das Aktionärsportal bzw. ein vHV-Tool. Darüber können in aller Regel auch Fragen eingereicht, Stimmen abgegeben sowie das Widerspruchsrecht ausgeübt werden. Gleichwohl werden (zusätzlich) auch andere Kanäle genutzt.
Die Schaffung von Vertrauen und Wertschätzung ist elementar für eine erfolgreiche vHV. Diesbezüglich zeigen sich aber noch keine einheitlichen Standards. So werden etwa unterschiedliche Vorgehensweisen zur Sicherstellung der Authentizität der Teilnehmer an der virtuellen Hauptversammlung verwendet. Eine Einschätzung unabhängiger Dritter zur technischen Sicherheit der vHV holen nur wenige Unternehmen ein.
Um die vHV als wertige, die Aktionäre wertschätzende Veranstaltung auszugestalten, legen viele Unternehmen ein besonderes Augenmerk auf die umfassende, transparente Beantwortung von Aktionärsfragen. Daneben streben viele Unternehmen eine hohe Qualität der Übertragung sowie des visuellen Erscheinungsbilds oder ein anwenderfreundliches User Interface an. Darüber hinaus haben nur wenige Unternehmen eine dezidierte Antwort auf die Frage, wie sie (zusätzliches) Vertrauen in die virtuelle Durchführung der Hauptversammlung erzeugen.
„Die virtuelle Hauptversammlung kann nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn sie sowohl auf Seiten der Aktionäre als auch der Unternehmen Vertrauen genießt – und zwar nicht nur in die Sicherheit der IT-Technik, sondern in die Abläufe insgesamt. Dies stellt mangels physischer Präsenz der Aktionäre eine besondere, auch psychologische Herausforderung dar.“