Cannabis auf Rezept: Ein neuer Markt öffnet sich

12 November, 2019

Ärzte dürfen schwerkranken Patienten seit 2017 ein Rezept über medizinisches Cannabis ausstellen und unter bestimmten Voraussetzungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen. Die Nachfrage nach dem Medikament steigt – und kann nicht mehr ausschließlich über Importe abgedeckt werden. Daher darf jetzt auch in Deutschland Cannabis legal für medizinische Zwecke angebaut werden. Drei Unternehmen haben dafür Lizenzen erhalten. Das Interesse von Unternehmen aus dem In- und Ausland an diesem wachsenden Markt ist groß.

Medizinisches Cannabis auf Rezept aus der Apotheke: Dafür hat der Gesetzgeber im März 2017 den Weg geebnet. Doch in der Medizin ist Cannabis schon viel älter – es wird bereits seit Jahrhunderten, vermutlich sogar Jahrtausenden zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Beweise für seinen Gebrauch vor mehr als 5.000 Jahren gibt es in Rumänien, bereits vor 10.000 Jahren soll das Arzneimittel in Japan zum Einsatz gekommen sein.

Das Wichtigste in 30 Sekunden

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  • In Deutschland darf seit 2017 medizinisches Cannabis, sogenanntes Medizinalhanf, verschrieben werden. Da die Importe hauptsächlich aus Kanada und den Niederlanden den Bedarf des deutschen Marktes nicht mehr decken, darf es auch angebaut werden.
  • Bisher haben drei Unternehmen vom BfArM Lizenzen zum Cannabis-Anbau erhalten: die Aphria Deutschland GmbH, die Aurora Deutschland GmbH und die Demecan GmbH.
  • Dieser junge, turbulente Markt kann auch für Ihr Unternehmen zahlreiche Chancen bieten.
  • PwC unterstützt Sie dabei, Ihr Geschäftsmodell besonders aus rechtlicher Sicht zu prüfen, um die strengen Vorgaben des Betäubungsmittelgesetzes zu erfüllen.

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Volker Fitzner
Partner, PwC Germany
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Cannabispflanzen produzieren eine Gruppe von Chemikalien, die Cannabinoide genannt werden und Wirkungen im menschlichen Körper hervorrufen. Die beiden Cannabinoide, die am häufigsten produziert werden, sind Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC). THC hat psychoaktive Wirkung, die zu einem Zustand der Entspannung und leichter Euphorie führt, aber auch Fälle von Paranoia auslösen kann. THC ist der Wirkstoff, dessen Konsum das umgangssprachlich bezeichnete „High“ bewirkt.

Die Substanz kann in Medikamenten verwendet werden, um Übelkeit zu reduzieren, zum Beispiel bei Chemotherapie, um den Appetit zu verbessern, etwa bei Patienten mit Aids, und chronische Schmerzen sowie Muskelkrämpfe zu behandeln. CBD hat keine psychotropen Effekte. Es kommt vorwiegend in Nahrungsergänzungsmitteln und vereinzelt in Medikamenten vor, die dem Patienten Schmerzlinderung und Entspannung versprechen. Auch aus Sicht der deutschen Gesetze werden die beiden Wirkstoffe unterschiedlich behandelt.

Erstmals medizinisches Cannabis „Made in Germany“

Bislang ist das Cannabis, das zu medizinischen Zwecken eingesetzt wird, aus dem Ausland importiert worden, beispielsweise aus den Niederlanden. Doch die Importmenge reichte nach der Cannabis-Legalisierung nicht mehr aus. Um im Sinne des Patienten das Ausfallrisiko zu verringern, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Lizenzen zum legalisierten Anbau von Cannabis ausgeschrieben. Den Zuschlag in diesem Vergabeverfahren erhielten drei Unternehmen mit kanadischer Beteiligung: die Aphria Deutschland GmbH und die Aurora Deutschland GmbH, die zu den kanadischen Konzernen Aphria und Aurora gehören, sowie das Berliner Startup Demecan GmbH, an dem ebenfalls der kanadische Cannabis-Produzent Wayland Group über ein Joint Venture beteiligt ist. Sie setzten sich gegen 76 andere Unternehmen durch. Medizinalhanf aus legalisiertem Anbau „Made in Germany“ kann allerdings voraussichtlich erst Ende 2020 geerntet werden.

Die rechtliche Lage

Die Unternehmen, die mit Medizinalhanf handeln, müssen sich an strenge Rechtsvorgaben halten, die das Betäubungsmittelgesetz (BtMG, Anlagen I und III) regelt. Der konkret anwendbare Rechtsrahmen für den Handel und Import von Cannabisprodukten richtet sich unter anderem nach dem THC-Gehalt.

Produkte mit einem THC-Anteil von 0,2 Prozent oder mehr fallen ggf. unter das Betäubungsmittelrecht und sind gemäß Anlage III BtMG nur verkehrsfähig, wenn sie „einem Anbau [entstammen], der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Absatz 1 des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (Einheits-Übereinkommen) erfolgt, sowie in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind“.

Für den Verkehr mit Betäubungsmitteln muss beim BfArM eine Erlaubnis nach § 3 BtMG beantragt werden, für die umfassend dokumentiert werden muss, dass eine sichere Handhabung der Cannabisprodukte gewährleistet ist. Dabei ist unter anderem nachzuweisen, dass die Produkte besonders sicher gelagert werden. Zudem sind für medizinisches Cannabis auch Genehmigungen nach dem Arzneimittelrecht zu beantragen.

Zuständig sind hier die regionalen Behörden. Welche Genehmigungen im Einzelfall beispielsweise bei einem Import benötigt werden, hängt davon ab, ob der Anbau der Cannabispflanzen, aus denen das Importgut hergestellt wird, innerhalb oder außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes erfolgt. Für den Handel mit medizinischen Cannabisprodukten wird in der Regel eine Großhandelserlaubnis gemäß § 52a Arzneimittelgesetz (AMG) benötigt.

Produkte mit einem THC-Anteil von unter 0,2 Prozent (der CBD-Gehalt ist an dieser Stelle unerheblich) sind gemäß Anlage I BtMG verkehrsfähig, wenn „sie aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit zertifiziertem Saatgut […] stammen [...] oder ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen [...] ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen“. In diese Kategorie fallen die zunehmend nachgefragten CBD-Produkte. Je nach konkreter Ausgestaltung können diese Produkte beispielsweise als Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika in Verkehr gebracht werden – jeweils unter den für die Produktkategorie anwendbaren Voraussetzungen. Bei CBD-Ölen ist derzeit umstritten, ob diese als Nahrungsergänzungsmittel oder als sogenanntes „Novel Food“ einzustufen sind. Diese Unterscheidung ist für potentielle Marktteilnehmer wichtig, weil Novel Food an deutlich strengere Voraussetzungen geknüpft ist.

Die Marktlage in Deutschland

In Deutschland kommen sowohl verschreibungspflichtige als auch freiverkäufliche Produkte auf Basis der Cannabispflanze auf den Markt. Freiverkäufliche Produkte zeichnen sich durch einen THC-Anteil von unter 0,2 Prozent aus und werden zumeist als Nahrungsergänzungsmittel deklariert und in den Handel gebracht. Nutzer erhoffen sich durch eine CBD-Konzentration von fünf bis 15 Prozent eine schmerzstillende und entspannende Wirkung. Aktuell finden sich diese Produkte in Apotheken und einigen Drogerien.

Verschreibungspflichtige Medikamente müssen hingegen über eine Apotheke bezogen werden und werden dort entweder als Rezeptur- oder Fertigarzneimittel verkauft. Die Anzahl der ausgestellten Rezepte hat sich von 44.000 im Jahr 2017 auf 145.000 in 2018 mehr als verdreifacht, wozu vor allem die Anzahl der Rezepturarzneimittel – und davon insbesondere Cannabisblüten – stark beigetragen haben. Langfristig soll der Trend allerdings wieder zu mehr Fertigarzneimitteln führen, wie Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, betont. Insgesamt betrug das Marktvolumen für verschreibungspflichtige Cannabisprodukte in Deutschland im Jahr 2018 nach offiziellen Angaben ca. 60 Millionen Euro. Aufgrund der aktuell sehr hohen Nachfrage nach bestimmten Cannabissorten bestehen Lieferengpässe, was zum Teil die hohen Margen erklärt.

Große Chance für Startups

Die aktuelle Lage führt zu zahlreichen Markteintritten von Startups, die fast alle mit einem ähnlichen Geschäftsmodell operieren: Sie importieren Cannabisprodukte aus Kanada oder den Niederlanden und vertreiben sie an deutsche Apotheken. Auch in Deutschland haben mittlerweile zahlreiche Kapitalgeber wegen hoher Renditeerwartungen Interesse an dieser jungen Branche gefunden, etwa das Startup Cannamedical, das von Orkila Capital im Januar 2019 15 Millionen Euro eingeworben hat und damit auf eine implizite Bewertung von 79 Millionen Euro kommt. Ein Monat später, im Februar 2019, wurde das in der Cannabis-Forschung aktive und unter anderem für seine Rezeptursubstanz Dronabinol bekannte Unternehmen C3 von Bionorica an Canopy Growth, einem kanadischen Licensed Producer, für 226 Millionen Euro verkauft. Beide Unternehmen wurden im Rahmen ihrer Transaktionen zum acht- bis zehnfachen ihres Umsatzes bewertet. Diese Umsatz-Multiples sind somit nahezu zehnmal so hoch wie die, die in reifen Industrien erzielt werden.

Prognosen zufolge, wird künftig der Verkaufspreis wohl erheblich absinken und die Branche sich konsolidieren, sobald das Angebot die Nachfrage deckt. Um langfristig erfolgreich am Markt zu sein, müssen Medizin-Unternehmen ihre Produkte differenzieren. Das können Firmen zum Beispiel über neu zugelassene Medikamente, über Indikationserweiterung bereits zugelassener Medikamente oder über den Aufbau von Marken im Nahrungsergänzungsmittelbereich erreichen. In diesem turbulenten Markt sind Unternehmen gefordert, unterschiedliche Geschäftsmodelle mit entsprechender Variabilität in ihren Businessplänen und Finanzmodellen sowohl aus wirtschaftlicher als auch rechtlicher Sicht zu durchdenken.

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