Wenn gestohlene Kundendaten zu Angriffsbeschleunigern werden

Identität als Ware

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  • 29 Dez 2025

Kundendaten sind längst mehr als bloße Informationen: In der Ära der Plattformökonomie bilden sie die Grundlage für Geschäftsmodelle, Innovationen und individuelle Kundenerlebnisse – insbesondere im Onlinehandel. Unternehmen, die ihre Daten klug nutzen, schaffen Vertrauen und sichern sich Marktvorteile. Doch mit dem wachsenden Wert steigt auch die Gefahr. Cyberkriminelle richten ihren Fokus immer gezielter auf die digitalen Identitäten von Kunden. Ein einziger erfolgreicher Angriff kann das Vertrauen ganzer Märkte erschüttern und Unternehmen massiven Schaden zufügen. Laut unserer „Digital Trust Insights“-Studie lagen die Schäden der gravierendsten Data-Breach-Vorfälle in den vergangenen drei Jahren bei 37 % der deutschen Unternehmen im Millionenbereich. Sicherheitsverantwortliche müssen diese gefährliche Entwicklung mit starken Technologien und Prozessen kontern.

Sicherheit im Schatten krimineller Datenökonomie 

Angreifer agieren beim Datendiebstahl immer effizienter: Sie nutzen KI-generierte Phishing-Mails, die täuschend echt wirken, und leiten ahnungslose Nutzer auf manipulierte Webseiten. Dort greifen sie nicht nur Zugangsdaten ab, sondern installieren oft direkt Schadsoftware wie z. B. Credential Stealer. Diese Programme arbeiten im Hintergrund, bleiben lange unentdeckt und liefern kontinuierlich neue Datensätze an kriminelle Netzwerke.  

Technische Schwachpunkte in Schnittstellen und Datenbanken bieten weitere Einfallstore. Hacker scannen automatisiert nach offenen Ports und unsicheren Konfigurationen. Sie nutzen Exploits, um sich Zugang zu verschaffen und Kundendaten systematisch auszulesen. Und auch Insider stellen eine konstante Gefahr dar: Sie kennen die Architektur der Systeme und können Schadsoftware gezielt platzieren oder Daten direkt entnehmen. 

Vor allem im E-Commerce-Sektor folgen solche Angriffswellen saisonalen Mustern: In Zeiten hoher Transaktionsvolumina, wie zu Black Friday oder Weihnachten, steigt das Risiko deutlich. 

Blühender Schwarzmarkt für Kundendaten 

Mit dem Diebstahl der Daten gehen die Probleme erst los: Kriminelle Händler bieten ihre Beute immer häufiger auf spezialisierten Plattformen im Darknet an. Die Nachfrage ist groß, denn Identitäten eröffnen Betrügern zahlreiche Möglichkeiten. Kreditkartendaten, Zugangsinformationen zu Online-Konten und vollständige Kundendatensätze wechseln dort täglich den Besitzer. Verkäufer listen die Daten nach Kategorien, sortieren sie nach Aktualität und Vollständigkeit. Ein Datensatz mit Namen, Adresse, Geburtsdatum und Zahlungsinformationen erzielt einen höheren Preis als fragmentierte Einzelinformationen. 

Den Wert bestimmen mehrere Faktoren: Aktuelle und verifizierte Daten bringen mehr Geld als veraltete oder unvollständige. Besonders begehrt sind Datensätze, die direkten Zugriff auf Finanzdienstleister oder E-Commerce-Plattformen ermöglichen. Die kriminellen Händler prüfen die Qualität der Daten oft selbst. Sie führen Testtransaktionen durch oder bieten Käufern sogenannte „Proof-of-Life“-Belege an. In exklusiven Foren, die nur mit Einladung zugänglich sind, steigen die Preise weiter. Dort handeln erfahrene Akteure mit großen Mengen und besonders hochwertigen Datensätzen. Die Zahlungen erfolgen anonym, meist in Kryptowährungen. 

Unternehmen spüren die Folgen, wenn ihre Kundendaten auf diesen Märkten auftauchen. Ein einziger Leak kann das Vertrauen der Kunden erschüttern und regulatorische Konsequenzen nach sich ziehen. Wer die Dynamik dieser Schwarzmärkte versteht, erkennt die Dringlichkeit, Kundendaten effektiv zu schützen und die eigenen Sicherheitsmechanismen regelmäßig zu überprüfen. 

Mehr Integrität durch das Zusammenspiel von Technologie und belastbaren Prozessen 

Unternehmen stehen vor der Aufgabe, Kundendaten nicht nur zu verwalten, sondern entschlossen zu schützen. Technische Maßnahmen bilden das Fundament. Den Grundstein setzt eine konsequent implementierte Multi-Faktor-Authentifizierung für alle geschäftskritischen Systeme, inklusive Administrationszugänge und externer Schnittstellen. Über zentrale Plattformen lassen sich Zugriffsrichtlinien konsistent steuern und risikobasiert anpassen; Kontextfaktoren wie Gerät, Standort oder Nutzerverhalten fließen direkt in die Authentifizierungsentscheidung ein. Darauf aufbauend kommt starken Passwortrichtlinien eine wichtige Rolle zu: Lange Passwörter bzw. Passphrasen, Abgleich mit bekannten Leaks, moderne Hashing-Verfahren (z. B. Argon2, bcrypt) und der unternehmensweite Einsatz von Passwort-Managern erhöhen die Widerstandsfähigkeit der Identitätsebene deutlich. 

Je robuster die Zugriffssicherung, desto wichtiger wird der Blick nach außen und innen auf mögliche Datenverluste. Automatisierte Datenleck-Checks prüfen Identitäten gegen Breach-Datenbanken und spüren exponierte, sensible Informationen in Repositories, Cloud-Speichern und Kollaborationsumgebungen auf. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse entfalten ihren Wert vor allem dann, wenn sie nahtlos in ein leistungsfähiges Security-Monitoring einfließen: Moderne Systeme aggregieren Logs zentral (SIEM), ergänzen sie um verhaltensbasierte Analysen (UEBA) und entwickeln über SOAR-Workflows (Security Orchestrierung, Automatisierung und Reaktion) automatisierte Erstreaktionen – etwa das Sperren kompromittierter Konten oder die dynamische Anpassung von Zugriffs-Policies in Echtzeit. Auf diese Weise entsteht aus einzelnen technischen Bausteinen ein integrierter, operativ wirksamer Schutzschirm für Kundendaten. 

Technologie ist aber nur eine Seite der Medaille. Effektive Prozesse sorgen derweil dafür, dass Unternehmen im Ernstfall richtig handeln. Schnelles Krisenmanagement, die konsequente Löschung nicht benötigter Daten und die laufende Überprüfung der Schutzmechanismen schaffen Widerstandskraft. Entscheider, die sowohl in präventive als auch in technologische Maßnahmen investieren, schützen somit nicht nur Kundendaten, sondern auch die Reputation und Zukunft des Unternehmens. 

Der Autor

Lorenz Kuhlee
Lorenz Kuhlee

Director, PwC Germany

Lorenz Kuhlee ist Director im Bereich Cyber Security bei PwC Deutschland und hat langjährige Erfahrung in den Bereichen digitale Forensik und Incident Response (DFIR). Mit seiner Spezialisierung auf die Abwehr von Cyberangriffen und als erster Ansprechpartner in Krisensituationen unterstützt er bei Verhandlungen und entwickelt effektive Reaktionsstrategien. Als BSI-zertifizierter Vorfall-Experte und Mitglied im Expertenrat Lagebild Cybersicherheit trägt er maßgeblich zum öffentlichen Bewusstsein für die Risiken im digitalen Raum bei.
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