Kaufpreisfindung bei Transaktionen: So schützen sich Käufer und Verkäufer vor bösen Überraschungen

07 Februar, 2019

Dem Kauf oder Verkauf eines Unternehmens gehen oftmals langwierige Verhandlungen voraus, bis sich die Vertragsparteien auf alle Bedingungen geeinigt haben. Die Verhandlungsergebnisse fließen in den Unternehmenskaufvertrag (englisch: "Sales and Purchase Agreement", kurz SPA) ein. Ein zentraler Bestandteil des SPA ist die Ermittlung des finalen Kaufpreises (der Kaufpreismechanismus). 

Bei den Verhandlungen, Vertragsformulierungen und insbesondere bei der Gestaltung möglicher Kaufpreismechanismen kommt es auf Erfahrung an: Denn beide Parteien versuchen, den Kaufpreis in ihrem Interesse zu optimieren.

Käufer und Verkäufer verfolgen unterschiedliche Ziele

Während der Verkäufer darauf drängen wird, einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen, wird der Käufer genau das Gegenteil erreichen wollen. Zentrales Thema im Kaufvertrag ist die Festlegung des Kaufpreismechanismus. Grundsätzlich sind bei Transaktionen zwei Mechanismen gebräuchlich, die für den Käufer und Verkäufer Vorteile und Nachteile mit sich bringen.

„Damit es bei der finalen Kaufpreisfindung keine bösen Überraschungen gibt, sollten sich die Vertragsparteien bei den Verhandlungen und den Vertragsformulierungen über alle möglichen finanziellen und bilanziellen Auswirkungen einzelner Vertragsregelungen genau bewusst sein.“

Matthias Rüssel,Transaktionsexperte und Senior Manager bei PwC

Die Vor- und Nachteile der Modelle im Überblick

Locked-Box-Modell:

  • Einfach, schnell und kostensparend für beide Parteien.
  • Bietet dem Verkäufer Preissicherheit, Vergleichbarkeit und gute Steuerungsmöglichkeiten.
  • Der Käufer trägt das Risiko, dass sich die Geschäftslage bis zum Abschluss verschlechtert.

Das „Locked-Box-Modell“ nimmt den letzten Bilanzstichtag als Referenz

Beim sogenannten „Locked-Box-Modell“ wird der final zu zahlende Nettokaufpreis auf Basis einer in der Vergangenheit liegenden Bilanz ermittelt und fest vereinbart. 

Dieser historische Bilanzstichtag fungiert gleichzeitig als Bewertungsstichtag. Auf diesen Stichtag wird die Kaufpreisermittlung zwischen den beiden Vertragsparteien verhandelt und das Verhandlungsergebnis als Nettokaufpreis in den Vertrag aufgenommen.

Entscheidend bei der Vertragsgestaltung eines Locked-Box-Mechanismus ist, dass es bis zur Vertragserfüllung, das heißt dem rechtlichen Übergang der Anteile auf den Käufer, zu keinem unvereinbarten Abfluss von Cash kommt. Diese sogenannten „leakages“ müssen im Vertrag genau definiert sein.

Completion-Mechanismus:

  • Mindert das Risiko für den Käufer.
  • Berücksichtigt Abflüsse nach dem Bewertungsstichtag.
  • Ist komplizierter und zeitintensiver in der Handhabung.
     

Der „Completion-Mechanismus“ schaut in die Zukunft

Beim Completion-Mechanismus erfolgt die Übertragung ebenso wie beim Locked-Box-Mechanismus auf einer „Cash and debt free“-Basis ergänzt um einen Working-Capital-Ausgleich. Jedoch wird der Nettokaufpreis hier mit Blick auf einen Zeitpunkt in der Zukunft, dem zukünftigen Stichtag des rechtlichen Übergangs des Unternehmen („Completion“), ermittelt. Der Vertrag definiert die Herleitung des Nettokaufpreises im Detail. Für diese Herleitung ist ein gutes Verständnis der einzelnen Bilanzpositionen sowie viel Erfahrung wichtig. Sollte es dann zu Abflüssen nach dem Bewertungsstichtag kommen, wirken diese Mechanismen – falls sie richtig definiert sind – als Korrektiv.

Der „Cash and debt free“-Mechanismus bezieht den Barmittelbestand und die Finanzverbindlichkeiten zum Stichtag in den Kaufpreis mit ein. Der Käufer übernimmt die liquiden Mittel und zahlt dafür in Cash. Der Verkäufer zahlt für die im Unternehmen verbliebenen Schulden. Stellt sich nachträglich heraus, dass die Finanzverbindlichkeiten höher waren als im Vertrag definiert, verringert sich der Kaufpreis und umgekehrt.

Beim Working-Capital-Mechanismus wird im SPA berücksichtigt, dass ein operativer Geschäftsbetrieb veräußert wird, der in einem bestimmten Umfang über Working Capital verfügen muss. In dem SPA wird vereinbart, wie hoch dieses Working Capital sein darf, ohne dass es den Nettokaufpreis beeinflusst. Abweichungen von diesem Niveau führen zu einer Korrektur des Kaufpreises.

Bei einem volatilen Geschäft birgt die Locked-Box Risiken

Ein Beispiel zeigt, wie die beiden Mechanismen besonders bei volatilem Geschäftsverlauf Chancen und Risiken unterschiedlich auf die Vertragsparteien übertragen: Ein Unternehmen hat ein anderes Unternehmen im Rahmen eines Locked-Box-Mechanismus übernommen. Das Locked-Box-Datum war der 30. Juni 2018, der Vertrag wurde am 30. September 2018 unterzeichnet. Der Abschluss des Deals erfolgte zum 31. Dezember 2018.

Im vierten Quartal brachen die Umsatzerlöse des erworbenen Unternehmens massiv ein. Das Risiko dieser Ergebnisverschlechterung war durch den Locked-Box-Mechanismus bereits am 30. Juni 2018 auf den Käufer übergegangen, auch wenn die Transaktion erst zum 31.Dezember 2018 abgeschlossen war. Der Käufer musste das Risiko aus dem Umsatzrückgang tragen.

Bei einem Completion-Mechanismus wären die Chancen und Risiken erst zum 31. Dezember 2018 auf den Käufer übergegangen. Die Effekte aus dem Umsatzrückgang hätten sich direkt im Kaufpreis widergespiegelt oder wären aufgrund einer Ergebnisabgrenzung beim Verkäufer verblieben.

In einem Verkäufermarkt hat die Locked-Box Konjunktur

„In einem Verkäufermarkt, wie er derzeit zu beobachten ist, hat der bis dato häufig verwendete Completion-Mechanismus an Attraktivität verloren und der Trend geht zum Locked-Box-Mechanismus. Dieser gewährt dem Verkäufer eine höhere Transaktions - und Kaufpreissicherheit und der Verkäufer muss keine weiteren Resourcen in die Finalisierung und Kaufpreisabrechnung eines Deals stecken“,  sagt Transaktionsexperte Rüssel.

„In den letzten Jahren lässt sich ein Trend hin zum Locked-Box-Mechanismus beobachten. Unternehmen haben erkannt, dass sich durch eine einfache Strukturierung des Prozesses Geld und Zeit sparen lässt.“

Matthias Rüssel,Transaktionsexperte und Senior Manager bei PwC

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