04 November, 2021
Ein Interview mit Karina von Detten Head of Portfolio Solutions (Nufarm EuMEA) und David Colligan, Head of 3rd Party Strategic Relationships (Nufarm Global). Deals konzentrieren sich zunehmend auf Transaktionen, die in einer sich langsamer entwickelnden Wirtschaft Wert liefern – so lautete ein Kernergebnis des M&A Integration Survey 2020 von PwC. Welche unterschiedlichen Deal-Arten gibt es? Und welche Ansätze können Wert liefern? Für Unternehmen können M&A-Integrationen, aber auch strategische Partnerschaften ein wesentlicher Bestandteil ihrer Wachstumsstrategie sein. Warum gehen Unternehmen Partnerschaften oder Allianzen ein? Dies zu verstehen, ist insbesondere vor dem Hintergrund unsicherer wirtschaftlicher Entwicklungen und der aktuellen Herausforderung durch konstant hohe Bewertungen interessant.
Wir haben unseren Kunden Nufarm dazu befragt, wie das Unternehmen auf Übernahmen und Partnerschaften blickt. Karina von Detten, Head of Portfolio Solutions, Nufarm EuMEA, und David Colligan, Head of 3rd Party Strategic Relationships, Nufarm Global, haben ihre Gedanken mit uns geteilt. Karina von Detten als Teil des Integration Steering Committee und David Colligan als Integration Manager haben im Jahr 2018, unterstützt von PwC, die Portfolio-Akquisition von Century und Surf abgeschlossen. Sie sprechen über die wichtigsten Erfolgsfaktoren von Integrationen und über strategische Partnerschaften als Wachstumschance.
Nach welchen Kriterien entscheidet Nufarm, ob es ein anderes Unternehmen übernimmt oder eine strategische Partnerschaft mit ihm eingeht, wie zum Beispiel bei der Übernahme von Century and Surf?
Karina von Detten: Ausschlaggebend sind in der Regel fünf Kriterien: Zunächst die Portfolioerweiterung, mit der wir Zugriff auf Kernkompetenzen oder spezifische Fähigkeiten erhalten. Zweitens der Grad der Kontrolle: Müssen wir das Unternehmen wirklich besitzen oder genügt eine strategische Partnerschaft? Der dritte Faktor sind die wertbezogenen Kosten für jede der Optionen, und viertens spielen externe Faktoren wie Markt- und andere Dynamiken eine Rolle; dazu gehört zum Beispiel auch das Timing. Das fünfte Kriterium schließlich ist die Frage, welche Rolle Desinvestitionen spielen.
Wie kam es zur Century-and-Surf-Übernahme 2018?
Karina von Detten: Zunehmende Herausforderungen, insbesondere viele patentfreie Innovationen und steigende Betriebskosten, führten in der Pflanzenschutzindustrie zu einer Phase der Konsolidierung. Im Zuge einer kartellrechtlichen Überprüfung ordnete die Europäische Kommission bestimmte Veräußerungen von Vermögenswerten an, um den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Für Nufarm bot sich damit eine einmalige Gelegenheit, in Europa rasch nachhaltig und strategisch zu wachsen.
Was war die strategische Idee hinter der Übernahme?
Vor der Akquisition war Nufarm ein kleines bis mittelständisches Unternehmen mit einem weitgehend standardisierten Portfolio. Unsere Wachstumsstrategie war klar: Wir mussten unser Portfolio auf Segmente ausweiten, die nicht gut abgedeckt waren. Wir mussten unsere Marktposition verbessern, und zwar mit differenzierten, wertschöpfenden Lösungen für unsere Kunden. Die Gelegenheit zur Übernahme von Century and Surf bestand für etwa vier Monate, und Nufarm bündelte alle Kräfte, um sie zu nutzen.
Mit dem Deal hat das europäische Nufarm-Geschäft um ca. 50 Prozent an Umsatz gewonnen. Wenn Sie an die Integration zurückdenken: Was war ausschlaggebend, um die Marktziele zu erreichen und eine positive Umsatzentwicklung sicherzustellen?
Karina von Detten: Mit dem Century-und Surf-Deal hat Nufarm spezifische Portfolio-Assets im Wert von ungefähr 600 Millionen Euro hinzugewonnen. Damit sich der Deal rentiert, haben wir auf drei Themen besonders geachtet: Portfolio, Go-to-Market und Lieferketten bzw. Beschaffung. Entscheidend für uns war zum einen das Management der regulatorischen Transfers, und zwar mit einem sehr strengen Prozess.
Und zum anderen?
Karina von Detten: Ein detaillierter Plan für den Produktionstransfer, den wir sehr diszipliniert umgesetzt haben.
Unsere Go-to-Market-Initiativen haben uns drei wesentliche Dinge gelehrt: maximale Integration zwischen Portfolio- und Go-to-Market-Strömen, die richtige Balance zwischen Integrationsbemühungen und dem Management des bestehenden Geschäfts sowie ein umfassendes Programm, um Vertrieb und Marketing zu stärken.
Ob Käufer:innen den Transaktionswert einer Akquisition erzielen, hängt ja maßgeblich davon ab, wie gut die erwerbende Seite Synergien für sich nutzen kann. Was war Ihr Ansatz?
Karina von Detten: Um Top- und Bottom-Line-Synergien zu erreichen, ist unserer Erfahrung nach ein pragmatischer Business-Case-Ansatz mit definierten KPIs am besten geeignet. Oft ist der Business Case, unabhängig vom Portfolio, zu theoretisch gefasst, auch weil sich die Marktdynamik direkt auf den Umsatz auswirkt. Das kann für ein Unternehmen belastend werden.
Welche Faktoren waren ausschlaggebend für die erfolgreiche Integration von Century und Surf in das Nufarm-Geschäft?
David Colligan: Entscheidend waren die Geschwindigkeit und die Richtungsvorgabe:
Das „Clean Team“ ermöglichte es uns, unmittelbar nach dem Abschluss der Transaktion voll durchzustarten. Es hat vor dem Abschluss die entscheidenden Informationen analysiert und strukturiert. So hatten wir von Anfang an alle Daten und Erkenntnisse, die wir brauchten.
Gab es weitere wichtige Aspekte?
David Colligan: Ja, die Berater haben eine klare Struktur für das Integrationsmanagementbüro (IMO) etabliert. Sie unterstützten das Integrationsprogramm mit einer rigorosen Planung. So gelang es, die vielen komplexen Abhängigkeiten zu managen. Außerdem haben wir einen Integrationslenkungsausschuss etabliert und damit die europäische und globale Führungsebene eingebunden. Das hat schnelle und klare Entscheidungen ermöglicht.
Warum setzt Nufarm auf Akquisitionen, um zukünftige Fähigkeiten zu entwickeln?
Karina von Detten: Speziell in Europa durchläuft die Landwirtschaft große Veränderungen. Wir agieren in einem volatilen Umfeld – zwischen den Green-Deal-Zielen der Europäischen Kommission einerseits und der langsamer verlaufenden Innovation der F&E-Unternehmen andererseits. Es bedarf großer Investitionen, um Produkte aus regulatorischer Sicht zu unterstützen. Daher steigen kleinere Pflanzenschutzunternehmen immer häufiger aus der Branche aus – und das bietet Chancen für Akquisitionen. Grundsätzlich geht es um die Portfolioerweiterung, zum Beispiel die Kombination von biologischen Lösungen und „New Tech“. Mit solchen Akquisitionen können wir auf künftige Anforderungen in der europäischen Landwirtschaft reagieren.
Und wann bevorzugen Sie strategische Partnerschaften?
David Colligan: Die Motive für strategische Partnerschaften sind in vielerlei Hinsicht dieselben wie bei Akquisitionen. Allerdings sind die Kosten für Partnerschaftsgeschäfte verständlicherweise niedriger als bei Akquisitionen. In der Branche beobachten wir den Trend, dass Unternehmen, die historisch gesehen Konkurrenten sind, ihre Innovationen gegenseitig lizenzieren oder Vertriebsrechte zur Verfügung stellen.
Was sind die Vorteile für beide Seiten?
David Colligan: Die Innovationsinhaber:innen können den Marktanteil ihrer Lösungen vergrößern. Die lizenzierenden Unternehmen erhalten im Gegenzug Zugang zu komplementären Lösungen, um ihr Portfolio zu erweitern. Solange beide Parteien die Deals sorgfältig für eine Win-Win-Situation strukturieren, kann eine nachhaltige Partnerschaft aufgebaut werden. Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Aspekt.
Nämlich welchen?
David Colligan: In Europa eskalieren die regulatorischen Kosten geradezu. Das erhöht die Betriebskosten und verstärkt die Dynamik in der Branche. Deshalb arbeiten immer mehr Unternehmen in regulatorischen Fragen zusammen und entwickeln sogar gemeinsam Innovationen.
In beiden Fällen geht es darum, Investitionen und Kosten zu teilen und dadurch zu minimieren. Insbesondere die Zusammenarbeit bei regulatorischen Initiativen ist inzwischen sehr verbreitet und bringt echte Vorteile für das Endergebnis. Wir werden sicher auch weiterhin Übernahmen sehen, aber das Wachstum durch strategische Partnerschaften gewinnt definitiv an Dynamik.
Was würden Sie mit Blick auf Ihre bisherigen Integrationen künftig anders machen?
David Colligan: Die Century- und Surf-Transaktion war für Nufarm eine einmalige Gelegenheit, seine Strategie umzusetzen. Die sorgfältige Integrationsarbeit zahlt sich aus. Beim nächsten Mal würden wir allerdings den Integrationsleiter früher in den Deal-Prozess einbinden.
Worum geht es konkret?
David Colligan: Um die Gestaltung der Kaufverträge, in unserem Fall des Asset Purchase Agreements bzw. Transitional Service Agreements. Die Details in diesen Dokumenten bilden die Leitplanken für die Integration. Sie dürfen nicht offen für Interpretationen bleiben. Die verschiedenen Unternehmensfunktionen müssen diese Bedingungen genau prüfen, um Mehrdeutigkeiten zu vermeiden. Natürlich ist in dieser Deal-Phase der Zeitdruck groß, sodass man genau abwägen muss.
Gibt es weitere Erfahrungen?
David Colligan: Wir würden die dedizierten Integrationsressourcen verstärken, gegenüber denjenigen, die zusätzlich neben dem Tagesgeschäft Integrationsaktivitäten durchführen sollen. Die Integrationsaktivitäten in den Händen der Unternehmensmitarbeiter:innen zu belassen, hat viele Vorteile, mitunter haben wir zu viel von ihnen verlangt. Solche Kompromisse würden wir in Zukunft vermeiden. Wir würden uns außerdem stärker auf Vertrieb und Marketing konzentrieren.
Aus welchem Grund?
David Colligan: Die komplexen Integrationsanforderungen binden viel Energie im Backoffice. Aber am Ende werden die Umsätze durch den Vertrieb generiert. Deshalb würden wir früher und mehr in unsere Vertriebsteams und Kundenbemühungen mit allen neuen Assets investieren.
Karina von Detten: Wir haben außerdem gelernt, dass auch kleine Akquisitionsziele mehr Arbeit bedeuten können als erwartet. Unternehmen unterschätzen hier oft den Integrationsaufwand. Es gilt, die richtigen Ressourcen zu finden, das Projekt richtig zu organisieren und auch kulturelle Fragen der Integration nicht zu unterschätzen. Und wie David bereits erwähnt hat, sollte man den Integrationsleiter einbeziehen, bevor man den Deal unterschreibt.
Auf den Punkt gebracht: Wie lautet ihr Fazit?
Karina von Detten: Alles in allem sind wir sehr zufrieden mit der Akquisition.
Strategisch waren sie genau das, was wir brauchten. Außerdem haben wir viel gelernt und vor allem eine Unternehmenskompetenz aufgebaut, um solche Akquisitionen in Zukunft besser zu managen. Unsere Erfahrungen können wir künftig auch auf die Entwicklung unserer strategischen Partnerschaften anwenden.