Chance zur Dekarbonisierung: Grüner Wasserstoff als Motor der Energiewende

PwC-Studie 2021: Der Markt für Wasserstoff entwickelt sich dynamisch

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Jürgen Peterseim

Prof. Dr. Jürgen Peterseim
Director bei PwC Deutschland
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Zukunftstrend Wasserstoff – der Schlüssel einer erfolgreichen Dekarbonisierung der Wirtschaft

Die Europäische Union hat in jüngster Zeit ihre Klimaziele deutlich verschärft. Auch weltweit bemühen sich immer mehr Länder und Unternehmen, ihre Emissionen erheblich zu reduzieren. Wasserstoff als Energieträger wird für eine globale Energiewende immer bedeutender. Der Bedarf könnte von derzeit 76 Megatonnen pro Jahr bis 2050 weltweit auf bis zu 600 Megatonnen pro Jahr steigen – vorausgesetzt, es werden die entsprechenden Infrastrukturen geschaffen. 

Wie schätzen Expert:innen die Marktentwicklung und Kostendegressionen ein? Antworten gibt die Studie „Hydrogen on the Horizon: Ready, almost set, go?", die von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland in Zusammenarbeit mit dem World Energy Council (WEC) und dem Electric Power Research Institute (EPRI) erstellt wurde.

Die Studie im Überblick

Wasserstoff ist ein zentraler Baustein für eine Dekarbonisierung der globalen Wirtschaft – im Zuge des Klimaschutzes tritt er immer mehr als ein potenzieller, klimaneutraler Energieträger in Erscheinung. Viele Regierungen und Entscheidungsträger planen, Infrastrukturen auszubauen, strategische Partnerschaften einzugehen und sich klare Ziele zu setzen, um Wasserstoff in alle Bereiche der Wirtschaft zu integrieren und wettbewerbsfähig zu machen.

Die Autoren der Studie analysieren die grundlegende Dynamik zur Marktentwicklung von Wasserstoff und stellen Entstehungskosten und Nachfrage des neuartigen Energieträgers in einen globalen Kontext. Darüber hinaus beschäftigen sie sich mit nationalen und regionalen Strategien zur potenziellen Nutzung von Wasserstoff.

Nationale Wasserstoff-Strategien

Im internationalen Vergleich zeigen sich insbesondere EU-Mitgliedstaaten ambitioniert beim Einsatz von grünem Wasserstoff in zahlreichen Sektoren. Speziell die Industrie und der Transport sollen durch grünen Wasserstoff dekarbonisiert werden. In Deutschland liegt der Schwerpunkt auf der chemischen, petrochemischen und stahlerzeugenden Industrie – sowie auf Lastkraftwagen, Bussen und die Luftfahrt. Frankreich konzentriert sich darauf, kohlenstoffbasierten Wasserstoff in bestehenden Industriesektoren (zum Beispiel Raffinerie, Chemie und Agrarindustrie) zu ersetzen. Gleichzeitig strebt Frankreich auch Pilotprojekte im See- und Luftfahrtsektor an. Beide Länder wollen Hauptproduzenten von Elektrolyseuren werden.

Die Weltkarte (siehe Abbildung) verdeutlicht den Reifegrad nationaler Wasserstoff-Strategien und zeigt, welche Länder derzeit noch ihre Strategie vorbereiten bzw. diskutieren. Zum aktuellen Zeitpunkt haben folgende Länder/Regionen ihre Wasserstoff-Strategie veröffentlicht: Australien, Chile, Deutschland, EU, Frankreich, Japan, Kanada, Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Südkorea und Ungarn.

Man kann beobachten, dass besonders fortgeschrittene Industrieländer bereits umfassende Wasserstoff-Strategien implementiert haben, während der klimaneutrale Energieträger für viele Entwicklungsländer nur eine geringere Priorität darstellt. Gründe dafür sind unter anderem schlechte Technologie-Infrastrukturen, ungünstige Produktionsbedingungen oder fehlende maritime Anbindungen an nahegelegene Importländer. 

Deutschland setzt auf strategische Partnerschaften

Trotz schlechter Produktionsbedingungen hat Deutschland sich zum Ziel gesetzt, grünen Wasserstoff in einer Vielzahl von Sektoren einzusetzen. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, geht Deutschland mehrere bilaterale Partnerschaften ein, die in der Grafik skizziert werden:

Deutschland setzt dabei hauptsächlich auf den Import von Wasserstoff und den Export assoziierter Technologien. Bis 2050 soll Wasserstoff aus 100 Prozent erneuerbaren Energien hergestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt Deutschland allerdings eine stetig steigende Nachfrage, die Implementierung einer Wasserstoff-Transportinfrastruktur und insbesondere niedrigere Produktionskosten. 

Hohe Nachfrage = Geringe Kosten. Stimmt die Gleichung auch für Wasserstoff?

Wasserstoff wird als eine wichtige Lösung zur Erreichung der Pariser Klimaziele diskutiert. Die Gründe liegen auf der Hand: Es handelt sich um einen sauberen Brennstoff, der Ausgangsstoff und Reagenzmittel für viele energieintensive Prozesse und Transportdienstleistungen sein kann. Wie dynamisch sich die Nachfrage bis zum Jahr 2050 gestaltet, hängt jedoch entscheidend davon ab, wie sich ergänzende Technologien – etwa Energieeffizienz, Elektrifizierung, Kohlenstoffabscheidung und Wasserstofftechnologien selbst – entwickeln. Die vorliegende Analyse zielt darauf ab, die Wasserstoff-Nachfrage zu prognostizieren und die Kostenentwicklung zu beleuchten, indem verschiedene Berichte und Energieszenarien analysiert werden. Dazu wurden 13 Energieszenarien in drei Klimapfade aufgeteilt, um Schlussfolgerungen zur Nachfrage unter verschiedenen globalen Temperaturzielen treffen zu können. Die Daten wurden ausgewertet und mit der dazugehörigen Standardabweichung in der Abbildung skizziert:

In allen Szenarien steigt die Wasserstoff-Nachfrage an, wobei die ambitionierteren Szenarien zum Klimaschutz (< 1,8°C, 1,8 bis 2,3 °C) deutlich stärkeres Wachstum vermuten lassen. Die höheren Bedarfe führen über Skalierungs- und Lerneffekte zu relativ schnell fallenden Wasserstoffgestehungskosten. Dafür ist es von großer Bedeutung, dass bis zum Jahr 2035 wesentliche Maßnahmen zum Aufbau einer Infrastruktur ergriffen werden. Parallel werden die Produktionskosten für Wasserstoff sinken, wie die Abbildung zeigt:

Derzeit liegt der Produktionspreis für grünen Wasserstoff weltweit zwischen 3,3 und 7,3 US-Dollar pro Kilogramm. Aus den Studien ist klar abzulesen, dass der Preis bis 2030 erheblich sinken wird: auf eine Spanne von 2 bis 6 US-Dollar pro Kilogramm. Grund dafür ist, dass die Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien sinken und die Wasserstofftechnologien immer ausgereifter werden. Für grünen Wasserstoff sind die Produktionskosten direkt mit den Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien verknüpft. Sie sind daher die Hauptantriebskräfte zur Senkung der Produktionskosten. Expert:innen sagen voraus, dass diese weiter sinken werden, da Solarstrom bereits Stromgestehungskosten von 10 US-Dollar pro Megawattstunde erreicht.

Weiterhin können die Produktionskosten von Wasserstoff durch Kostenreduktionen bei der Wasserstoffproduktion können auch Kostenvorteile bei Elektrolyseuren erreicht werden, wie die Abbildung verdeutlicht:

Was die Kapitalkosten (CAPEX) anbelangt, dürften die Kosten für Elektrolyseure mit der Zeit deutlich sinken, da Größenvorteile und Produktionseffizienzen in Zukunft realisiert werden. Zusätzlich treiben effizientere Elektrolyseure die Kosten nach unten.

Die Zukunft von Wasserstoff

Große Länderunterschiede erkennbar

Die nationalen Wasserstoff-Strategien zeigen unterschiedliche Haltungen der Länder und Regionen zur Rolle des Wasserstoffs bei der Energiewende. Dies zeigt, dass es notwendig ist, die Vielfalt zu fördern – indem den Ländern die Erkundung unterschiedlicher Technologien und Anwendungen ermöglicht wird.

Fokus stärker auf Nachfrage legen

Die derzeitige Diskussion über Wasserstoff konzentriert sich stark auf das Angebot und vernachlässigt die Rolle der Wasserstoffnutzer. Expert:innen müssen herausfinden, wie die Nachfrage erhöht werden kann. Dabei sollte der Schwerpunkt auf der Entwicklung der Wasserstoffinfrastruktur und einer globalen Lieferkette liegen.

Motor von Wachstum und Arbeitsplätzen

Wasserstoff kann voraussichtlich dazu beitragen, die Ziele des gemeinsamen Aufbaus nach COVID-19 zu erreichen. Mehrere nationale Wasserstoff-Strategien heben Arbeitsplätze als wichtige Triebkraft für die Wasserstoffentwicklung hervor – mit Möglichkeiten zur Umschulung der bestehenden Belegschaften und zur Qualifizierung neuer Arbeitskräfte.

„Wasserstoff ist essentiell für eine erfolgreiche Energiewende. Wir werden Strom aus erneuerbarer Energie und Wasserstoff brauchen, um den Klimaschutz voranzutreiben. Dafür bedarf es allerdings dringend einer durchdachten Strategie und des Ausbaus der entsprechenden Infrastruktur.“

Prof. Dr. Jürgen Peterseim,Director bei PwC Deutschland

Die Methodik

Die vorliegende Studie analysiert und vergleicht die Wasserstoff-Bedarfsprognosen von 13 Energieszenarien, wobei jedes Szenario einem Klimaziel zugeordnet wird. Folgende Unterteilung wird dabei vorgenommen:

  • Niedriges Ziel mit einer globalen Erwärmung von > 2,3°C,
  • Mittleres Ziel mit einer globalen Erwärmung von 1,8 – 2,3°C
  • Notwendiges Ziel mit einer globalen Erwärmung von < 1,8°C

Nach der Gruppierung der Szenarien werden die durchschnittlichen Wachstumspfade der weltweiten Wasserstoff-Nachfrage analysiert. Wegen der Unterschiede in den analysierten Szenarien wurde die Standardabweichung für jeden Verlauf berechnet. Die Standardabweichung wurde gewählt, um die obere und untere Streuung vom Szenario-Durchschnitt aufzuzeigen – mit dem Ziel, den Vergleich der Szenarien zu ermöglichen und eventuelle Abweichungen bei den oben genannten Annahmen auszugleichen. Daher sind einige obere und untere Wasserstoff-Mengen, die in den ursprünglichen Berichten angegeben wurden, in diesem Vergleich nicht erschienen.

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