Digitalisierung stellt Kundenmanagement unter neue Vorzeichen

PwC-Studie 2020: Neue Ökosysteme erfordern Agilität und Wandlungsfähigkeit von Versicherern. Mitarbeiter und Kunden werden zu Co-Innovatoren.

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Sven Stark
Insurance Leader Advisory, Partner bei PwC Deutschland
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Neue Kundenwünsche erfüllen

Die Versicherungsbranche steht vor einem fundamentalen Wandel: Digitale Innovationen sorgen für neue Kundenwünsche; InsurTechs, Verbraucherportale bis hin zu branchenfremden Anbietern wirbeln den Markt mit nutzerfreundlichen Produkten und Services kräftig um. Die Wechselbereitschaft der Kunden steigt – häufig sind es nur ein paar Klicks bis zum passenderen Angebot. 

Nicht nur die Kundenwünsche – auch die Erwartungen der Mitarbeiter im Kundenmanagement an ihren Arbeitgeber verändern sich. Abwechslungsreiche Aufgaben, Mitbestimmung und Transparenz sind wichtige Kriterien für die Jobwahl. Wer als attraktiver Arbeitgeber neue Talente gewinnen will, sollte seine Unternehmenskultur, Strukturen und Prozesse an die Erfordernisse der modernen Arbeitswelt anpassen.

Die PwC-Studie „Kundenmanagement der Zukunft“ beleuchtet, welche Weichen Versicherer in ihrer Strategie, Unternehmenskultur, Organisation sowie in ihren Prozessen und IT-Systemen zeitnah stellen sollten, um das Kundenmanagement zukunftsfähig zu gestalten und sich erfolgreich in den neu entstehenden Wertschöpfungsökosystemen der Branche zu positionieren.

Versicherungskunden erwarten einfache, schnelle und nutzerfreundliche Prozesse und Kommunikationskanäle, wie sie es von anderen Dienstleistern bereits gewohnt sind. Das hat direkte Auswirkungen auf das Kundenmanagement: Strategie und Prozesse sollten diesen Erwartungen angepasst werden.

Die Studie im Überblick

Rolle in Ökosystemen aktiv mitgestalten

Laut der PwC-Studie gehen 47 Prozent der Befragten davon aus, dass Versicherer den Serviceprozess der Zukunft aktiv gestalten und über die notwendigen Informationen ihrer Kunden verfügen, um deren veränderte Anforderungen frühzeitig zu erkennen.

Dieses Potenzial sollten die Versicherungsunternehmen nutzen, um sich ihren Platz in übergreifenden Wertschöpfungsökosystemen zu sichern sowie neue Wachstumsfelder und Zielgruppen zu erschließen. Dabei sollten sie über die Grenzen der Versicherungswirtschaft hinausdenken. 

Grundsätzlich bestehen dabei drei Optionen: Versicherer können als Zulieferer für Versicherungsschutz in einem Ökosystem agieren oder – weitaus komplexer – selbst ein Ökosystemen aufbauen und betreiben. Abhängig von Produktangebot und Strategie können Sie in einigen Lebenswelten auch als Anbieter und in anderen als Zulieferer agieren (Mischform). 

Kundenwünsche mit KI besser verstehen

Neue Datenanalysen auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) ermöglichen es Versicherern, ihre Service- und Vertriebsprozesse zu optimieren. Die Häuser verfügen über eine Vielzahl an Kundendaten, die sie für eine Zielgruppenanalyse und -segmentierung heranziehen können. Dieses Potenzial wird häufig jedoch nicht ausgeschöpft. Diese Daten nutzbar zu machen und auszuwerten, wird künftig eine entscheidende Aufgabe für die Versicherungsbranche sein. 

47 Prozent der Befragten sind hingegen der Ansicht, dass Versicherern die Daten fehlen, um dem Wunsch der Kunden nach mehr Individualisierung gerecht zu werden.

Ganzheitliche Lösungen bieten – Silos abschaffen

Die Bearbeitung von Geschäftsvorfällen sollte sich an realen Kundenbedürfnissen orientieren – funktionale Abteilungs- oder Spartengrenzen sollten indes aufgelöst werden. Der Kunde erwartet, dass seine Anfragen beim ersten Kontakt gelöst werden. Das erhöht die Kundenzufriedenheit und spart Kosten. In übergreifend arbeitenden Vertriebs- und Servicecentern können Teams mit unterschiedlichen Kompetenzen Kundenanliegen nahtlos bearbeiten oder koordinieren.

Mut zu neuen Ideen – Mitarbeiter und Kunden einbinden

Innovationen entstehen in der lebhaften Interaktion mit Kunden, Mitarbeitern und anderen Marktteilnehmern. Produkt- und Prozessinnovationen sollten nicht in einzelnen Abteilungen, sondern über Grenzen hinweg in der gesamten Organisation entwickelt und implementiert werden. Zudem benötigen Mitarbeiter Freiräume, um neue Idee auszuprobieren und das Kundenmanagement verbraucherorientiert weiterzuentwickeln. 

Versicherer sollten ihre Kunden stärker in Innovationsprozesse einbinden – entweder indirekt durch die gezielte Beobachtung des Kundenverhaltens oder direkt über Innovationsmethoden, die auf eine tiefe Integration der Kunden abzielen. 

Laut 53 Prozent spielen Mitarbeiter aus dem Kundenmanagement bereits eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung neuer Produkte und Services. Die Bedeutung von Mitarbeitern in Innovationsprozessen wird nach Ansicht von mehr als drei Viertel der Befragten noch wachsen. 64 Prozent sehen Kunden künftig als Co-Innovatoren statt als indirekte Informanten für Verbesserungen oder Neuentwicklungen.

Wertschätzung und Teilhabe sorgt für Inspiration

Trotz Digitalisierung bleibt der persönliche Kontakt zu Servicemitarbeitern für viele Kunden enorm wichtig. Sie bilden die persönliche Schnittstelle zum Kunden und Vertriebspartner und repräsentieren die Werte und Leistungen des Versicherers. 

Spannende Aufgaben und Möglichkeiten der persönlichen Weiterentwicklung machen Menschen zufrieden. Voraussetzungen dafür sind ein Wandel der Unternehmenskultur, erweiterte Entscheidungskompetenzen, neue Organisationsstrukturen und offene Innovationsprozesse. Bei den Mitarbeitern wiederum werden im Kundenkontakt sozial-kommunikative und persönliche Skills künftig immer wichtiger. Während Fachwissen entwickelt oder in interdisziplinären Teams durch intelligente Technologien aufgefangen werden kann, sind ein serviceorientiertes Denken und Handeln nur bedingt erlernbar. 

Im Vertrieb und Kundenmanagement werden Teams bei fachlichen Fragen zunehmend durch intelligente IT-Systeme wie CRM-/Vertriebssysteme mit Next-best-Action-Vorschlägen oder Chatbots unterstützt. Damit wächst auch die Bedeutung von digitaler Weiterbildung („Digital Upskilling“) der Mitarbeiter für ein besseres Verständnis neuer Technologien, um digitale Tools und Technologien anwenden und neue Arbeitsmethoden umsetzen zu können sowie ein digitales Mindset zu entwickeln. 

Fazit

Spagat zwischen langfristiger Strategie und kurzfristigen Projekten

Das Versicherungsgeschäft ist auf Stabilität und Sicherheit ausgerichtet. Daher sollte die langfristige strategische Ausrichtung des Kundenmanagements klar definiert und kommuniziert werden. Auf dem Weg dahin sollten kleinere Teilprojekte umgesetzt und die Strategie laufend an neue Kundenanforderungen und Rahmenbedingungen angepasst werden. Dieses Vorgehen lässt Kunden wie Mitarbeiter kleinere Erfolge direkt spüren. 

Schnell und wandlungsfähig in die Zukunft 

Die Studie zeigt verschiedene Handlungsfelder in der Strategie, Unternehmenskultur, Organisation sowie in den Prozessen und der IT auf, mit denen Versicherer angesichts des veränderten Kundenverhaltens und der Entstehung neuer Wertschöpfungssysteme ihre Zukunft aktiv mitgestalten können. 

Wesentliche Voraussetzung für ein nachhaltig erfolgreiches Kundenmanagement ist dabei die Innovationskraft im Unternehmen, zeitnah Neues auszuprobieren und innovative Strategien langfristig umzusetzen. 

Indem sie frühzeitig ihr Kundenmanagement der Zukunft gestalten, erhalten Versicherer die Chance, ihren Platz in den neu entstehenden Wertschöpfungsökosystemen nachhaltig zu sichern.

Die Methodik

In einem dreistufigen Vorgehen wurden zunächst die wesentlichen Trends und Faktoren, die die Zukunft des Kundenmanagements von Versicherern beeinflussen, in einer Markt- und Umfeldanalyse identifiziert. Aufbauend darauf wurde Online-Befragung unter Experten aus kundennahen Bereichen durchgeführt. An die quantitative Untersuchung schloss sich eine qualitative Befragung von Experten aus verschiedenen Versicherungsunternehmen. Aus den Einschätzungen der Experten zu künftigen Entwicklungen und Aufgaben im Kundenmanagement von Versicherungsunternehmen wurden anschließend relevante Handlungsfelder abgeleitet.

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