Angesichts der zunehmenden Verwerfungen in der Weltwirtschaft stellen sich viele Unternehmen die Frage, wie sie ihr China-Engagement in einem volatilen Umfeld am besten neu bewerten und anpassen können.
Die Welt ist im Umbruch, und zwar nicht erst seit gestern. Bereits in der ersten Amtszeit des amtierenden US-Präsidenten zeichneten sich Brüche im Welthandel ab. Die Pandemie hat die Abhängigkeit von Lieferketten offengelegt, der Ukrainekrieg die politische Instabilität sicher geglaubter geopolitischer Rahmenbedingungen. In den Hauptstädten der Welt wurde ein beispielloser Aktionismus ausgelöst, der in der zweiten Amtszeit von Donald Trump einen neuen Höhepunkt erreichte.
Vor dem Hintergrund von Exportrestriktionen, Zollstreitigkeiten, neuer Industriepolitik, staatlichen Sicherheitsvorgaben für Technologie und Investitionen, Schutz wichtiger Daten etc. sehen sich viele ausländische Investoren gezwungen, ihre Investitionen in China neu zu bewerten. Standen in der Vergangenheit Zentralisierung und Effizienz im Vordergrund von Investitionsentscheidungen, ist heute eine stärkere Berücksichtigung von Risikoaspekten erforderlich, um eine neue Balance zu finden, die sowohl innerhalb als auch außerhalb Chinas trägt.
Für viele deutsche Unternehmen ist der chinesische Markt aufgrund seiner Größe, seiner Innovationsgeschwindigkeit und seiner ausgeprägten Lieferketten von herausragender Bedeutung. Gleichzeitig sehen sich diese Unternehmen in China einem Hyperwettbewerb mit hochgradig innovativen und technologisch wie wirtschaftlich extrem agilen Wettbewerbern ausgesetzt.
Für viele deutsche Unternehmen ist es daher dringend geboten, sich mit den folgenden Zielsetzungen auseinanderzusetzen:
Aus steuerlicher Sicht stellen sich bei Überlegungen zur Lokalisierung neben den lokalen steuerlichen Implikationen für die Lieferkette typischerweise auch Fragen im Hinblick auf angemessene Verrechnungspreise. Hinzu kommt, dass durch den Technologietransfer ebenso wie durch die Verlagerung anderer Unternehmensfunktionen zusätzliches Gewinnpotenzial nach China verlagert werden kann.
Lokalisierung erfordert effiziente Gestaltung der Verrechnungspreise
Vor dem Hintergrund der Beschränkungen des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs in China und steuerlicher Überlegungen auf beiden Seiten ist häufig eine Anpassung der Verrechnungspreisgestaltung erforderlich. Früher waren ausländische Unternehmen in die Lieferkette integriert und konnten so Gewinnmargen und Kapazitätsauslastung generieren. Die fortschreitende Lokalisierung hingegen führt nicht nur zu einer Verlagerung von Kompetenzen, sondern auch zu finanziellen Einbußen auf der abgebenden Seite. Hierfür muss in der Regel ein für beide Seiten akzeptabler und steuereffizienter Ausgleich gefunden werden. Grenzen setzen diesem Bemühen vor allem die deutschen Regelungen zur Funktionsverlagerung. Die ein oder andere Stolperfalle bergen aber auch die chinesischen Regelungen zum grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr und steuerliche Anforderungen.
Bei der rechtlichen Gestaltung führen sowohl Konsolidierungen als auch Anteilsübertragungen oder die Neugründung von Zwischenholdings inner- und außerhalb Chinas zu weitergehenden steuerlichen Fragestellungen. Diese betreffen sowohl die Transaktionen als solche als auch die Zielstruktur.
Seit der Reform der Körperschaftsteuer im Jahr 2009 hat China durch zahlreiche Rundschreiben (Circulars) ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften geschaffen, das jedoch keineswegs vollständig ist. Gemeinsam ist den steuerlichen Regelungen, dass die Inanspruchnahme der Steuerprivilegien an eine Vielzahl von Voraussetzungen geknüpft ist, um einen möglichen Missbrauch zu verhindern. Dies betrifft Aspekte wie den wirtschaftlichen Zweck, die Höhe und Dauer der Beteiligung oder auch die Einhaltung bestimmter Haltefristen vor und nach der Transaktion. Darüber hinaus können solche Transaktionen grundsätzlich auch der lokalen Finanzierung und der Rückführung chinesischer Liquidität dienen.
Die Auslegung der steuerlichen Kriterien liegt naturgemäß im Ermessen der Finanzverwaltung, sodass es im Nachgang einer Transaktion zu Rückfragen und Beanstandungen kommen kann. Eine detaillierte Vorplanung, gegebenenfalls in Abstimmung mit der Finanzverwaltung, ist daher bei solchen Projekten dringend erforderlich.
Für die Zielstruktur ist darüber hinaus zu prüfen, inwieweit sie geeignet ist, das operative Geschäftsmodell sowie regelmäßige Gewinnentnahmen und mögliche Veränderungen in der Beteiligungs- und Gesellschafterstruktur steuereffizient abzubilden. Dabei kann die Schutzwirkung von Doppelbesteuerungsabkommen in Verbindung mit substanzadäquaten Gesellschaften eine wichtige Rolle spielen. Idealerweise können auch steuerliche Anreize wie lokale Subventionen für bestimmte Rechtsformen, Investitionen, lokale Aktivitäten oder Steuerbeiträge in die vorgeschlagene Zielstruktur integriert werden.
Ziel solcher Projekte ist in der Regel die Rückführung vorhandener Liquidität in das Stammhaus. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, neben den klassischen Varianten der Gewinnrepatriierung auch liquiditätssteigernde Bilanzpositionen wie etwa gesetzlich nicht zwingend vorgeschriebene Rücklagen oder längerfristig offene Verbindlichkeiten in Betracht zu ziehen. Ihr Vorteil: Sie können aufgrund der Unübersichtlichkeit des chinesischen Rechtsumfelds durchaus über viele Jahre unangetastet aufgebaut werden.
Umstrukturierungen eröffnen neue Wege zur Liquiditätsrückführung
Darüber hinaus können sich aus geplanten Transaktionen und Veränderungen im operativen Geschäft Möglichkeiten zur Einbindung lokaler Bankfinanzierungen ergeben. Diese können den Investitionsbedarf reduzieren und damit weitere liquide Mittel für die Repatriierung freisetzen. Auch über lokale Investitionsplattformen wie die Chinese Holding Company (CHC) können Kredite aufgenommen, Anteilskäufe getätigt und lokale Investoren eingebunden werden.
Das Investitionsschutzabkommen zwischen China und Deutschland vom 1. Dezember 2003 garantiert deutschen Investoren in China vollen Schutz und Sicherheit für ihre Kapitalanlagen. Dabei ist zu beachten, dass aus diesem Abkommen nur der deutsche Staat, nicht aber der private Investor Ansprüche geltend machen kann.
Deutsche Investoren können sich daher über das Instrument der Bundesgarantie gegen Zahlung einer Versicherungsprämie unter den Schutz des Abkommens stellen und sich damit in zweifacher Hinsicht gegen politische Risiken wie Enteignungen oder sonstige Beschränkungen absichern. Zum einen können direkte (und in sehr engen Grenzen auch indirekte) Beteiligungen deutscher Investoren auf diese Weise finanziell abgesichert werden. Zum anderen kann drohenden politischen Risiken und Beschränkungen unter dem Schutz der Bundesrepublik Deutschland möglicherweise bereits im Vorfeld wirksam begegnet werden.
Ob die Voraussetzungen für die Übernahme einer Garantie gegeben sind, wird vor Erteilung geprüft. In der Regel ist eine Neuinvestition erforderlich. Insofern kann die Umstrukturierung von China-Beteiligungen eine neue Chance für eine Deckungsübernahme bieten.
Allen in diesem Beitrag angestellten Überlegungen liegt eines zugrunde: Die veränderte geopolitische und wirtschaftliche Lage erfordert eine Neujustierung der Balance zwischen wirtschaftlicher Effizienz und der Berücksichtigung externer Restriktionen und Risiken. Wie immer gilt es, die Chancen und Vorteile der neuen Situation zu nutzen, Veränderungen mit Augenmaß zu planen, notwendige Anpassungen aber nicht unnötig zu verzögern. Am Ende sollte ein tragfähiger Kompromiss gefunden werden, der in erster Linie eine dynamische und effiziente Entwicklung des lokalen Geschäfts ermöglicht, aber zugleich genügend Spielraum lässt, um flexibel auf externe politische und wirtschaftliche Impulse zu reagieren.
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