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Nicolette Behncke
Partnerin und Sustainability Reporting Leader Europe bei PwC Deutschland
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Ein immenser administrativer Aufwand, Probleme bei der Datenerfassung und -verarbeitung, große Fragezeichen bei der Umsetzung: Vor der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gab es viele kritische Stimmen. Denn das Ziel, die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa zu standardisieren und zu verbessern, stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Kritiker:innen äußerten Bedenken hinsichtlich der Komplexität und praktischen Umsetzbarkeit der neuen Standards.
Mit dem Berichtsjahr 2024 begann für die ersten Unternehmen die Umsetzung der CSRD. Der CSRD First Reporters Survey von PwC beleuchtet quantitativ und qualitativ die Erkenntnisse aus der erstmaligen Umsetzung der neuen Berichtspflichten.
„Der erste Schritt zur standardisierten Berichterstattung ist getan. Jetzt gilt es, aus den Erfahrungen der teilnehmenden Unternehmen zu lernen. Nur so lassen sich die Berichtsprozesse verbessern und die Transparenz in Europa auf ein neues Niveau heben.“
Mehr Transparenz bei Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen, bessere Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette und eine nachhaltigere Unternehmensführung: Diese Ziele soll die CSRD durch standardisierte Berichtsprozesse in Europa erreichen. So die Theorie. Für eine erste Wasserstandsmeldung hat der CSRD First Reporters Survey die Berichte von 619 Unternehmen aus 29 europäischen Ländern untersucht. Davon 80 Unternehmen aus Deutschland.
Anders als vermutet, sind die deutschen Nachhaltigkeitsberichte nicht die längsten in Europa. Zwar umfasst etwa die Hälfte der deutschen Berichte 100 bis 200 Seiten (49 %), aber nur 5 % hatten einen Umfang von mehr als 200 Seiten. In Europa lagen 9 % über der 200-Seiten-Grenze.
Auch in der Kommunikation mit Stakeholdern im Rahmen des Prozesses zur Identifizierung wesentlicher Auswirkungen gibt es Unterschiede: In Deutschland haben 84 % der Unternehmen direkt mit internen Stakeholdern kommuniziert, während nur 55 % den Dialog mit externen Stakeholdern suchten. Dies deutet auf einen geringeren Bedarf für externen Dialog hin, möglicherweise aufgrund etablierter interner Strukturen und der guten internen Kenntnisse über Stakeholderbelange. Europaweit hingegen haben drei Viertel der Unternehmen mit externen Stakeholdern gesprochen. Interessanterweise setzten in Deutschland 41 % Stellvertreter:innen ein, um mit externen Stakeholdern in Kontakt zu treten, gegenüber 35 % in Europa.
Der Klimawandel steht im Mittelpunkt der deutschen Nachhaltigkeitsberichterstattung, wobei alle Unternehmen dessen Bedeutung für ihre Geschäftstätigkeit anerkennen. 99 % der Unternehmen haben ihre Scope-3-Emissionen detailliert erfasst, um die indirekten Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette transparent zu machen. Zwei Drittel der deutschen Unternehmen haben zudem ihren Übergangsplan zur kohlenstoffarmen Wirtschaft offengelegt, was ihre aktive Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Klimawandels zeigt. Im europäischen Vergleich, bei dem 60 % der Unternehmen ihren Übergangsplan veröffentlicht haben, unterstreicht dies die führende Rolle Deutschlands in der Klimaberichterstattung.
Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte zeigt eine hohe Zuverlässigkeit: Alle deutschen Berichte erhielten einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. In Europa erhielt nur 1 % einen Vermerk mit Einschränkungen. Ein Grund für diese Ergebnisse dürfte der Spielraum durch freiwillige Berichterstattung und Teilanwendung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sein, da das CSRD-Umsetzungsgesetz in Deutschland noch nicht vollständig eingeführt war. Die meisten Prüfungen sind mit begrenzter Sicherheit durchgeführt worden, allerdings ließen 19 % der deutschen Unternehmen eine Prüfung mit einer Kombination aus begrenzter und hinreichender Sicherheit durchführen, gegenüber 5 % in Europa. Lediglich 1 % in Deutschland erhielt ein Prüfungsurteil mit hinreichender Sicherheit.
Für den zweiten, qualitativen Teil der Studie wurden die Berichte von 319 Unternehmen in Europa, darunter 55 aus Deutschland, analysiert. Der Fokus lag auf den von ihnen definierten Auswirkungen, Risiken und Chancen (Impacts, Risks, Opportunities – kurz IROs). Hier zeigt die Analyse, wie regionale und branchenspezifische Prioritäten die Nachhaltigkeitsberichterstattung prägen.
Der Klimawandel (ESRS E1), die eigene Arbeitskräfte (ESRS S1) und die Unternehmenspolitik (ESRS G1) sind zentrale Themen, die von den meisten Unternehmen als wesentlich identifiziert und offengelegt wurden. In Deutschland wurden die Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette (ESRS S2) mit 78 % an vierter Stelle genannt, während in Europa die Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft (ESRS E5) mit 67 % einen höheren Stellenwert innerhalb der IROs hat.
Die Analyse offenbarte jedoch auch Inkonsistenzen in der CSRD-Berichterstattung. Häufig werden Auswirkungen identifiziert, offenbar ohne die dazugehörigen Risiken oder Chancen in entsprechendem Umfang zu berücksichtigen. Das kann in dem Geschäftsmodell des Unternehmens begründet sein, aber auch ein Indiz für Inkongruenz in der Erfassung von Wechselwirkungen sein. Dies wirft Fragen über die Angemessenheit der Integration im Berichtssystem auf. Ein konsolidierter Ansatz, der sowohl Risiken als auch die dazugehörigen Auswirkungen umfassend betrachtet, ist entscheidend für eine ganzheitliche Berichterstattung. Diese Diskrepanzen verdeutlichen die Notwendigkeit, die Berichterstattung weiter zu optimieren und die Rückkopplung im Risiko- und Chancenmanagementsystem zu verbessern.
„Die erste Welle der CSRD-Berichterstattung ist überstanden – verbunden mit großen Anstrengungen auf allen Seiten. Auch wenn nach wie vor Unsicherheiten bestehen: Immer mehr Unternehmen navigieren erfolgreich durch die Flut.“
Nicolette Behncke,Partnerin und Sustainability Reporting Leader Europe bei PwC DeutschlandEntdecken Sie die Ergebnisse zur ersten CSRD-Berichterstattungswelle
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Anlässlich der ersten CSRD-Berichterstattungswelle hat PwC den First Reporters Survey durchgeführt. Die Datengrundlage bilden 610 Unternehmen aus 29 europäischen Ländern, davon 80 aus Deutschland. Befragt wurden Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, von der Industrie über die Finanzbranche, Energieunternehmen und Verbrauchermärkte bis zum Gesundheitswesen.
Für den zweiten Teil der Analyse wurden Nachhaltigkeitsberichte von 319 Unternehmen aus 26 europäischen Ländern, davon 55 Firmen aus Deutschland in Bezug auf Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) analysiert.
Partnerin, Sustainability Reporting Leader Europe, Sustainability Services, PwC Germany