30 November, 2022
Von Christoph Lamm und Cheyenne Herr. Seit Februar 2022 veröffentlicht die OECD-Konsultationspapiere zu den Elementen von Pillar One zur Konkretisierung der Systematik des angestrebten neuen Besteuerungsrechts für Marktstaaten. Eine Darstellung der bereits veröffentlichten Konsultationspapiere finden Sie in unseren Ausgaben 53, 54 und 55.
Am 6. Oktober veröffentlichte die OECD mit dem Fortschrittsbericht zu den Verwaltungs- und Sicherheitsaspekten des Amount A das bisher neunte Diskussionspapier.
Die OECD evaluiert derzeit unterschiedliche Ansätze bezüglich des Zusammenspiels zwischen dem auf Konzernebene ermittelten Amount A sowie den bestehenden, gesellschaftsbezogenen, nationalen Körperschaftsteuergesetzen.
Grundsätzlich sind die unter den Regelungen des Amount A ermittelten Einkünfte in die Einkommensteuerbemessungsgrundlage der Marktstaaten einzubeziehen. Die Besteuerung des Amount A muss durch ein Einkommensteuersystem bzw. ein äquivalentes System erfolgen. Dabei wird den Jurisdiktionen die Flexibilität eingeräumt, Amount A im Rahmen ihrer bereits bestehenden Einkommensteuergesetze oder durch eine separat erhobene Steuer zu besteuern.
Gleichzeitig konnte im Hinblick auf die Verfahren zur Identifizierung der Steuerpflichtigen in den Marktstaaten sowie der entlastenden Gesellschaften in den Entlastungsländern, welche zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet sind, noch keine Einigung gefunden werden. Im Rahmen des Single Taxpayer Appraochs würde lediglich eine Gesellschaft in allen Ländern für die Steuer des Amount A haften. Beim Multiple Taxpayer Approach sind mehrere Gesellschaften aus den Zahler-Ländern für die Steuer des Amount A haftbar; die Koordination der Zahlungen wird jedoch durch eine einzelne Gesellschaft des Konzerns übernommen.
Eine Gesellschaft, die in Bezug auf Amount A steuerpflichtig ist oder für eine Doppelbesteuerungsentlastung in Frage kommt, muss jeder Betroffenen Partei eine Steuererklärung bezüglich Amount A sowie ein gemeinsames Dokumentationspaket vorlegen. Der Begriff der Betroffenen Partei umfasst beispielsweise die Behörden der Jurisdiktionen, in welcher die Muttergesellschaft des Konzerns ansässig ist (Führende Steuerverwaltung), in welcher der Konzern Einkünfte oberhalb des Nexus-Schwellenwerts erzielt oder die zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet sind. Um den Verwaltungsaufwand zu verringern, können die Dokumente auch zentral von der sogenannten Koordinierenden Gesellschaft bei der Führenden Steuerverwaltung eingereicht werden.
Der Fortschrittsbericht weist auf eine Diskrepanz zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Verbindlichkeit des Amount A für die entlastende Jurisdiktion berechnet wird, und dem Zeitpunkt, zu dem sie im Markstaat tatsächlich gezahlt werden kann, hin. Dies kann neben einer Doppelbesteuerung auch dazu führen, dass die zahlende Gesellschaft in einem Steuerjahr nicht genügend steuerpflichtiges Einkommen erzielt, damit die Verbindlichkeit in Höhe des Amount A vollständig steuerlich berücksichtigt werden kann.
In Anbetracht der Komplexität der ausländischen Steueranrechnungs- oder Freistellungsregelungen überlässt die OECD es den einzelnen Jurisdiktionen, wie sie die Doppelbesteuerung vermeiden. Die Doppelbesteuerungsentlastung muss jedoch über die Einkommensteuerbemessungsgrundlage der entlastenden Jurisdiktionen erfolgen und daher mit den geltenden inländischen und ausländischen Steuervorschriften zusammenwirken.
Der Fortschrittsbericht definiert den Zeitplan der einzelnen Review Verfahren von der Antragstellung bis zum Abschluss der Überprüfung. Der Advanced Certainty Review soll beispielsweise 360 Tage nach Antragstellung abgeschlossen werden. Basierend auf den Ergebnissen vorangegangener Konsultationspapiere wird der Advanced Certainty Review außerdem auf die ausgeschlossenen Industrien, wie beispielsweise die regulierten Finanzdienstleistungen, erweitert.
Der Fortschrittsbericht macht deutlich, dass es nicht Teil des Scope Certainty Reviews sein wird, die Fremdüblichkeit bestimmter Transaktionen oder Preise zu überprüfen. Nachträgliche notwendige Berichtigungen werden in dem Zeitraum berücksichtigt, in dem die Anpassungen vorgenommen werden.
Das vom Steuerpflichtigen einzureichende Dokumentationspaket zu Amount A kann gemeinsam mit dem Antrag für einen sogenannten Comprehensive Certainty Review eingereicht werden. Die Dokumente werden innerhalb von 30 Tagen mit den zuständigen Behörden der betroffenen Parteien ausgetauscht. Der Review wird in der Regel von einem Review Panel und einer beratenden Expertengruppe durchgeführt.
Das Konsultationspapier enthält außerdem eine Konkretisierung der Regelungen für einen Streitbeilegungsmechanismus für Fälle, in denen Steuerstreitigkeiten über Verrechnungspreise und die Zurechnung von Betriebstättengewinnen nicht innerhalb von zwei Jahren im Rahmen eines Verständigungsverfahrens gelöst werden können.
Die OECD erwägt zudem unter anderem die Einführung eines Übergangsprozesses, der für einen bestimmten Zeitraum gelten soll, um Gruppen bei der Anwendung der Regelungen zu unterstützen. Dabei wird beispielsweise über die Gewährung von befristeten Sonderrechten diskutiert.
Der Fortschrittsbericht beinhaltet weiterhin lediglich Regelungsvorschläge der OECD. Im Konsultationsdokument werden zahlreiche offene Fragen genannt, zu welchen um Beiträge der Interessensgruppen gebeten wird. Sowohl die Steuerverwaltungen als auch die betroffenen Unternehmen werden erhebliche Ressourcen aufwenden müssen, um sicherzustellen, dass Personen mit den entsprechenden Fähigkeiten und Kenntnissen vorhanden sind, um die Bestimmungen wirksam umzusetzen. Bis Ende 2022 sollen zwei weitere Konsultationsdokumente veröffentlicht werden, die neben der Aufhebung und Aussetzungen von Steuern auf digitale Dienstleistungen den Amount B thematisieren sollen.