Nachgefragt: Herausforderungen in der Praxis im Jahr 2023

28 Februar, 2023

In unserer neuen Rubrik „Nachgefragt“ greifen wir in Gesprächen mit Unternehmensvertreter:innen, Vertreter:innen der Finanzverwaltung, der OECD sowie Vertreter:innen aus der (internationalen) Beraterschaft die aktuellen Entwicklungen im Bereich Verrechnungspreise auf. Die verschiedenen Blickwinkel bieten eine ganzheitliche Sicht auf die Herausforderungen und liefern Denkanstöße für die Verrechnungspreispraxis.

Für dieses Interview konnten wir Kati Ebert gewinnen, die aktuell als Head of Transfer Pricing bei der SFS Group mit Ihrer langjährigen Erfahrung im Bereich Verrechnungspreise auf die aktuellen Entwicklungen blickt.

Verrechnungspreise unter Einfluss aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen

Gesellschaftliche und daraus abgeleitete politische Entwicklungen verändern den Blick auf das unternehmerische Handeln. ESG, CO2-Kompensation und Handel mit CO2-Zertifikaten, die neue Bedeutung von Einkaufsabteilungen (Stichwort: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz).

Erwarten uns hier aus Verrechnungspreissicht größere Änderungen oder werden diese Themen aktuell eher überbetont?

Kati Ebert: Ich erachte es grundsätzlich als sinnvoll, diese Entwicklungen auch aus Verrechnungspreissicht im Auge zu behalten. Kurzfristig erwarte ich daraus jedoch keine signifikanten Veränderungen für die Verrechnungspreise. Wie schon bisher wird eine detaillierte und regelmäßig überprüfte Funktions- und Risikoanalyse notwendig und hilfreich sein, um die angemessene Vergütung derjenigen Gesellschaften sicherzustellen, die Funktionen und Risiken in den genannten Themenbereichen übernehmen. 

In der Praxis erfordern momentan andere Reporting- und Compliance-Anforderungen unsere volle Aufmerksamkeit und Priorität. So erhöhen beispielsweise die Umsetzung von Pillar Two, die Anforderungen im Zusammenhang mit den Plastikverpackungsabgaben, das Public Country-by-Country Reporting (Public CbCR) und verschärfte Dokumentationsvorschriften die Arbeitsbelastung der Steuerabteilung.

Gepaart mit einem spürbaren Fachkräftemangel sehen wir herausfordernden Zeiten entgegen.

Kati Ebert,Head of Transfer Pricing bei der SFS Group

Verrechnungspreismethoden und Angemessenheitsnachweis im Jahr 2023

Für den Veranlagungszeitraum 2022 findet zum ersten Mal auch auf gesetzlicher Grundlage das Development, Enhancement, Maintenance, Protection, Exploitation (DEMPE-) Konzept der OECD Anwendung und somit auch die damit verbundenen Konzepte der Risikokontrolle und finanziellen Kapazität. Der DEMPE-Analyserahmen erlaubt dabei im Ernstfall eine Reklassifizierung von funktionalem Eigentum und die Neuzuordnung von Residualgewinnen.

Welche Bedeutung für die Verrechnungspreise hat in solchen Zeiten noch ein zivilrechtlicher Vertrag?

Ebert: Sofern der zivilrechtliche Vertrag nicht die tatsächlichen, gelebten Verhältnisse zwischen den verbundenen Unternehmen abbildet, wird ihm meines Erachtens zukünftig in einigen Staaten eine geringere Bedeutung zukommen. Andere Staaten werden sich möglicherweise weiterhin stärker am Vertrag als an den DEMPE-Faktoren orientieren. Aus meiner Sicht ist es ratsam, bestehende und zukünftige Vertragsverhältnisse nach dem DEMPE-Konzept zu analysieren und gegebenenfalls proaktiv Änderungen an den Verträgen und vereinbarten Verrechnungspreisen vorzunehmen. 

Die Datenbankstudie zur Anwendung der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode dürfte weiterhin die in der Praxis am meisten genutzte Methode darstellen, um die Fremdüblichkeit von Routineunternehmen nachzuweisen. Gleichzeitig scheint die Akzeptanz bei der Finanzverwaltung konstant zu sinken.

Stellt die Datenbankstudie ein Relikt der Vergangenheit dar?

Ebert: Ich rechne momentan nicht damit, dass sich die Datenbankstudie kurzfristig zu einem Relikt der Vergangenheit entwickelt. In der Praxis ist sie meines Erachtens noch immer eine hilfreiche und weitgehend anerkannte Methode zur Prüfung der fremdüblichen Vergütung von Routineunternehmen. Dennoch würde ich es sehr begrüßen, wenn für weit verbreitete Routinefunktionen (z. B. Vertrieb) einheitliche Vorgaben fremdüblicher Margen existieren würden. Ich verfolge deshalb die weiteren Verhandlungen zu Amount B des Pillar One gespannt. Sollte den Staaten eine Einigung zur Definition und Vergütung von grundlegenden Marketing- und Vertriebsaktivitäten gelingen, könnte dies eine spürbare Entlastung für die Steuerpflichtigen mit sich bringen.

Der Erfolg dieser Bestrebungen wird aus meiner Sicht davon abhängen, ob Kompromisse und Lösungen gefunden werden können, die den unterschiedlichen Interessen der einzelnen Staaten und den unterschiedlichen Vergütungen von Marketing- und Vertriebsaktivitäten in den einzelnen Industrien Rechnung tragen.

Kati Ebert,Head of Transfer Pricing bei der SFS Group

Country-by-Country Reporting

Seit dem Wirtschaftsjahr 2016 sind Unternehmensgruppen mit Sitz in Deutschland zur Übermittlung eines Country-by-Country Reports (CbCR) verpflichtet. Somit sind die ersten CbCR-Jahre bereits Bestandteil von steuerlichen Betriebsprüfungen, auch im Ausland.

Welchen Stellenwert hat das CbCR in den Gesprächen mit den Finanzverwaltungen eingenommen?

Ebert: Nach meiner Erfahrung hat das CbCR weder im Inland noch im Ausland bisher einen nennenswerten Stellenwert in den Gesprächen mit der Finanzverwaltung eingenommen. Dies liegt für mich unter anderem darin begründet, dass aus Tabelle 1 – beispielsweise aufgrund der länderbezogenen Berichterstattung – kaum vernünftige Rückschlüsse auf das Verrechnungspreismodell sowie die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise möglich sind. Die Finanzverwaltungen scheinen sich weiterhin auf die erzielten Margen der einzelnen Gesellschaften in Verbindung mit deren Funktions- und Risikoprofil zu fokussieren. Vorausgesetzt, dass eine Verrechnungspreisdokumentation vorliegt, können diese Informationen daraus leicht erhoben werden, was die Bedeutung des CbCRs für die Betriebsprüfung möglicherweise schmälert. 

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