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Thomas Veith
Partner, Global Real Estate Leader / German Real Assets Leader bei PwC Deutschland
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Die Immobilienwirtschaft in Europa blickt nach Zeiten der Krise wieder vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Die Zinssenkungen in den USA und der Eurozone lassen die Befragten auf ein Ende der Talfahrt bei den Preisen und wieder anziehende Transaktionsvolumina hoffen.
Allerdings könnte der wachsende Optimismus in Bezug auf Kapitalzuflüsse nach Europa auch schnell wieder verfliegen, sollten geopolitische Ereignisse und eine schwache Konjunktur einen neuen Inflationsschub auslösen und die Zinsen wieder in die Höhe treiben. Hinzu kommen Bedenken über eine verschärfte Regulierung, steigende Baukosten und eine weiter geringe Verfügbarkeit von Finanzmitteln.
Mehr als 80 Prozent der Befragten rechnet aktuell damit, dass das Geschäftsvertrauen und die Profitabilität der Immobilienbranche 2025 unverändert bleiben oder steigen werden. Ein nachhaltiger Aufschwung wird angesichts der bestehenden geopolitischen und konjunkturellen Unsicherheiten allerdings erst in drei bis fünf Jahren erwartet.
„Die diesjährige Umfrage spiegelt den Bedarf an Klarheit und Konsistenz bei den ESG-Vorgaben und Regularien für die Immobilienbranche wider. Zudem bestehen noch erhebliche Unsicherheiten bei der Bewertung von ESG-Investitionen. Hier können Standards und Transparenz das Vertrauen in ESG-Investitionen stärken. Immobilienunternehmen sollten ihre Nachhaltigkeitsziele zeitnah mit ihren langfristigen Investitionsstrategien abstimmen.“
Neben regulatorischen und investitionsbezogenen Anforderungen bleiben Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) sowohl kurz- als auch langfristig eine wesentliche Herausforderung für die Immobilienbranche, wobei der Einsatz neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) zur Verbesserung der Effizienz in der Branche weiter an Bedeutung gewinnt.
Neue Investitionsmöglichkeiten in physische Infrastrukturen zur Digitalisierung und Dekarbonisierung stehen für die Branche ebenfalls im Vordergrund. Rechen- oder Datenzentren rücken auf Platz 1 im Ranking für die aussichtsreichsten Investitions-, Entwicklungs- und Gesamtertragschancen für 2025, gefolgt von neuen Energieinfrastruktur-Immobilien.
Die Zuversicht der Branche für 2025 legt aktuell wie bereits in den beiden Vorjahren weiter zu, erreicht aber noch nicht die Höchststände von 2022. Angesichts der Stabilisierung der Zinssätze und Bewertungen rechnen derzeit mehr als 80 Prozent der Befragten damit, dass das Geschäftsvertrauen und die Rentabilität im kommenden Jahr gleich bleiben oder steigen werden.
Ein Indikator für die verbesserte Stimmung ist die Beschäftigungslage: Mehr als die Hälfte (53 Prozent) erwarten, dass die Zahl der Beschäftigten 2025 unverändert bleiben wird. Lediglich 13 Prozent rechnen mit einer Reduzierung.
Zu den Top-Herausforderungen für die Geschäftsentwicklung der Branche zählen 85 Prozent der Befragten politische Unsicherheiten weltweit, gefolgt von einer möglichen Eskalation der Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine (83 Prozent), einer anhaltenden Konjunkturschwäche im Euroraum (77 Prozent) und einer verschärften Regulierung (74 Prozent).
Zudem sorgt sich die Branche mit Blick auf 2025 vor allem um steigende Baukosten und eine geringere Materialverfügbarkeit (70 Prozent). Einige Befragte berichten aber auch davon, dass die Baukosten nicht länger anziehen und die Preise sich bereits stabilisieren würden.
Die zuletzt vorherrschenden Sorgen über steigende Zinsen (aktuell 60 Prozent nach 86 Prozent im Vorjahr) und Inflation (56 Prozent nach 83 Prozent) haben sich im Vergleich zum Vorjahr dagegen deutlich abgeschwächt.
Die aktuellen Herausforderungen werden nach Einschätzung der Befragten auch mittelfristig Bestand haben: 77 Prozent rechnen damit, dass eine verschärfte Regulatorik auch in den nächsten drei bis fünf Jahren ein Problem darstellen wird. 76 Prozent erwarten, dass ein schwaches Wirtschaftswachstum im Euroraum die Branche weiterhin belastet. 84 Prozent erwarten dies auch für politische Unsicherheiten (weltweit) und 80 Prozent für die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten.
Die Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien (ESG – Environmental, Social, Governance) bleibt kurz- bis langfristig eine wesentliche Herausforderung für die Immobilienbranche, wobei Regulierung und veränderte Mieterwünsche die Haupttreiber für eine ESG-konforme Gebäudenutzung bleiben.
Mehr als zwei Drittel der Befragten blicken mit Sorge auf die gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen zu Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung im kommenden Jahr. Jeweils 68 Prozent der Befragten rechnen damit, dass Banken und institutionelle Investoren ihren Druck auf die Branche für eine Umsetzung der ESG-Kriterien erhöhen werden.
Auch mittelfristig rücken Umweltaspekte (72 Prozent) und Nachhaltigkeitsanforderungen für Immobilien (70 Prozent) in den Vordergrund. 82 Prozent glauben, dass die Nutzung von Technologien für erneuerbare Energien in fünf Jahren wichtiger wird. 88 Prozent erwarten, dass die regulatorischen Anforderungen für Investitionen in einen Übergang zur Klimaneutralität (Net Zero) zu einem wesentlichen Faktor für die Immobilienfinanzierung werden.
Außerdem rechnen nahezu zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten infolge der häufiger auftretenden Extremwetterereignisse mit einem Anstieg der Versicherungskosten in den kommenden fünf Jahren. Mehr als die Hälfte befürchtet dann auch eine geringere Verfügbarkeit von Versicherungen.
Die sozialen Aspekte – das „S“ von „ESG“ – gewinnen für die Branche ebenfalls an Bedeutung: Fast 60 Prozent erwarten, dass die Gesundheit und das Wohlergehen der Gebäudenutzer im kommenden Jahr ein wichtiger Faktor für den Geschäftserfolg wird. Zwei Drittel gehen davon aus, dass die Bedeutung von sozialen Kriterien in der Immobilienwirtschaft in den nächsten Jahren noch weiter zulegen wird.
Marktgröße und -liquidität sind für die Umfrageteilnehmer in dem derzeit unsicheren Marktumfeld die wichtigsten Faktoren bei der Auswahl einer Stadt für Investitionen oder Entwicklungsprojekte. Immobilieninvestoren sind vorsichtiger denn je, wie und wo sie ihr Kapital in Europa anlegen. Für viele bedeutet dies, dass sie sich in risikoreicheren Zeiten auf Städte fokussieren, die Liquidität bieten.
London bleibt das vierte Jahr in Folge Spitzenreiter der Rangliste. Die Stadt unterstreicht damit ihre Widerstandsfähigkeit, erstklassige Liquidität und anhaltende Attraktivität für internationale Anleger. Paris rutscht auf den dritten Platz, bleibt aber dank einer guten Verkehrsanbindung und der Investitionen in die Olympischen Sommerspiele 2024 ein aussichtsreicher Standort.
Madrid rückt 2025 auf die zweite Stelle im europäischen Standort-Ranking vor. Die spanische Metropole lockt Immobilienakteure mit einer Vielzahl an makro- und mikroökonomischen Faktoren sowie mit ihrer hohen Lebensqualität.
Für die deutschen Städte gibt es ebenfalls Anzeichen für einen Aufschwung. Im aktuellen Ranking steigen München (5), Frankfurt (8) und Hamburg (9) auf. Berlin behauptet sich auf Platz 4. Seit 2021 hatten die deutschen Metropolen wegen düsterer Wachstumsprognosen an Attraktivität verloren.
Dublin und die britischen Provinzstädte müssen indes nach mehreren Jahren des Aufwärtstrends aktuell deutliche Rückgänge hinnehmen. Südeuropäische Städte zeigen ein uneinheitliches Bild, während das Vertrauen in mitteleuropäische Städte wie Warschau, Wien und Prag wächst.
Rank |
City |
Score |
1 (1) ➖ |
London |
2.72 |
2 (3) ⬆️ |
Madrid |
2.12 |
3 (2) ⬇️ |
Paris |
2.07 |
4 (4) ➖ |
Berlin |
1.95 |
5 (7) ⬆️ |
Munich |
1.93 |
6 (5) ⬇️ |
Amsterdam |
1.75 |
7 (6) ⬇️ |
Milan |
1.71 |
8 (9) ⬆️ |
Frankfurt |
1.63 |
9 (11) ⬆️ |
Hamburg |
1.53 |
10 (8) ⬇️ |
Lisbon |
1.43 |
51 Prozent der Unternehmen setzen Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI) ein, vor einem Jahr taten dies erst 35 Prozent. Die überwiegende Mehrzahl erwartet, dass KI in den nächsten fünf Jahren einen erheblichen Einfluss auf alle Bereiche der Immobilienbranche haben wird.
Zu den aktuellen Anwendungsfällen von KI gehören die Vorhersage, wann ein Mieter ausziehen wird und warum er sich für eine Immobilie entscheidet, sowie die Maximierung der Auslastung und Überbuchung in Hotels durch Vorhersagen, wann Reservierungen storniert werden.
Einige Befragte äußern allerdings auch ihre Bedenken zu möglichen Risiken der Technologie wie Cybersicherheit oder Folgen für die Arbeitswelt wie Stellenverlusten, zu denen es erst wenig Erkenntnisse gibt.
Globale Megatrends wie der Klimawandel und die Digitalisierung regen den Appetit der Investoren nach Nischensektoren an, die neue Chancen für eine zusätzliche Wertschöpfung bieten. Die Befragten nennen Datenzentren (Rang 1), neue Energieinfrastrukturen (2), Studentenapartments (3) und Logistikzentren (4) als die Sektoren, in denen Investoren 2025 ihr Engagement am ehesten „erhöhen“ dürften.
In der Ära der Digitalisierung und dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz (KI) hat sich der Bedarf an effizienten und leistungsfähigen Rechenzentren zur Sammlung und Speicherung großer Datenmengen vervielfacht, was die Nachfrage nach Immobilien in diesem Sektor stark steigen lässt.
Das Hochzinsumfeld der vergangenen zwei Jahre und seine Auswirkungen auf das Transaktionsvolumen und die Bewertungen haben neue Chancen für Betriebsimmobilien eröffnet.
Betriebsimmobilien bieten einen Weg zur Wertschöpfung, insbesondere in Segmenten wie Studentenwohnungen, Gastgewerbe und Logistik. Investoren interessieren sich zunehmend für voll integrierte Betriebs- und Immobilienplattformen, um eine doppelte Performance in den Bereichen Immobilien und Betrieb zu erzielen.
Betriebsimmobilien erfordern allerdings ein spezifisches Fachwissen und ein klares Verständnis struktureller Trends. Die Ausrichtung betrieblicher Strategien nach Trends wie E-Commerce, den demografischen Wandel und die Digitalisierung ist für den langfristigen Erfolg von entscheidender Bedeutung. Darauf deuten auch die erheblichen Investitionen und M&A-Aktivitäten in Rechenzentren hin, die durch die wachsende Nachfrage nach digitaler Infrastruktur angetrieben werden.
„Die Branche legt einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und blickt vorsichtig optimistisch auf 2025. Wachstumschancen werden vor allem bei Betriebsimmobilien und digitalen Infrastrukturen wie Rechenzentren gesehen. Geopolitische Instabilität, eine verschärfte Regulierung und höhere Baukosten geben jedoch weiterhin Anlass zur Sorge.“
Thomas Veith,Partner, Global Real Estate Leader/German Real Assets Leader bei PwC Deutschland„Emerging Trends in Real Estate®: Europe 2025 – Charting new Horizons“
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Die Studie „Emerging Trends in Real Estate®: Europe 2025 – Charting New Horizons“ hat PwC gemeinsam mit dem Urban Land Institute (ULI) erstellt. Der jährliche Report beleuchtet die wichtigsten Branchentrends und bietet ein Ranking der attraktivsten Standorte für Immobilieninvestoren in Europa.
Für die aktuelle 22. Ausgabe der Studie haben PwC und ULI mehr als 1.200 Entscheider von Immobilienfirmen, Investmentmanager und andere Branchenexperten in Europa zu ihren Erwartungen für das kommende Jahr befragt.