Prothesenläufer Johannes Floors, 28, hat eine solche schwarz-oder-weiß-Entscheidung getroffen. Johannes litt seit seiner Geburt aufgrund des Fibula-Gendefekts an deformierten und zu kleinen Füßen. Vor zwölf Jahren entschied sich der damals 16-Jährige, den dauerhaften Schmerzen ein Ende zu bereiten und ließ sich die Unterschenkel amputieren. Er hatte sich „dazu relativ schnell entschlossen“. Seine Motivation? „Schmerzfrei zu werden. Hätte ich mich dazu nicht entschieden, hätte ich weiter gelitten und sich nichts geändert“. Diese Entscheidung sei die größte seines Lebens gewesen – und die „absolut richtige“. Das wusste er, als er im Krankenbett aufwachte und an der Bettdecke herabblickte, wo sich keine Füße mehr abzeichneten. Daran, dass er später einmal mit Prothesen bei Paralympics und Weltmeisterschaften Goldmedaillen holen würde, hatte er noch nicht gedacht.
Aber Johannes – durch die zwei Unterschenkelprothesen von 1,60m auf 1,80m „gewachsen“ und auch durch die neue Körpergröße mit gewachsenem Selbstbewusstsein ausgestattet – war nun in einem Flow, „egal was kommt“: Sportabitur. Sprinten statt Schwimmen. Mehrere Umzüge, ehe er in Leverkusen landete. Ausbildung zum Orthopädietechnik-Mechaniker. Maschinenbau-Studium, Bachelor (Note 1,2). Parallel dazu eine Sportlaufbahn der Extraklasse: „Aus diesem Entschluss ist so viel Positives entstanden.“
Doch es war gar nicht mal die Tragweite der Amputation, hinter der andere Entscheidungen banal wirken, sondern das daraus entstandene Selbstbewusstsein, die richtigen Weichen stellen zu können. Klar: Floors wuchs an der Entscheidung, sein Reifeprozess erhielt einen Kickstart. Wichtigstes Tool für den Technikfan: Sein Bauchgefühl. Wohlfühlen müsse er sich bei einem Entschluss. Das ist sein Kompass: „Intuitive Entscheidungen musste ich noch nie revidieren.“ Schwerer fallen ihm bisweilen die Grauzonen-Entschlüsse wie: „Neue Kaffeemaschine – ja, nein? Oder: Welches neue Smartphone?“
„Entscheidungen müssen sich gut anfühlen. Nach vorne gerichtet sein. Aus Überzeugung fallen.“
Was Floors bewusst ist: „Ich musste bislang nur Entscheidungen für mich treffen, hatte noch keine Auswirkungen auf andere Menschen zu verantworten.“ Dennoch können viele seiner Erfahrungen ein Fingerzeig sein: „Handelt man aus Überzeugung, kann man dahinter und dazu stehen. Und Entscheidungen eben auch anderen gegenüber gut begründen.“ Heißt:
„Gute Entscheidungen brauchen Authentizität. Gerade, wenn sie – zum Beispiel auf beruflicher Ebene – Dritte betreffen. Und: Erst wenn man dem eigenen Urteilsvermögen vertraut, wird man die Angst los, sich festzulegen: Um im Bild zu bleiben: Raus aus den Grauzonen. Im Beruf, im Sport, im Privatleben.“
In Sachen Job war Floors letzte Entscheidung auch wieder die richtige: Die Rückkehr zur Prothetik, zu „Ottobock“. „Ich liebe den Diskurs, den Wissenstransfer an der Schnittstelle von der Alltags- zur Sportprothese – und auch den Geruch der Prothesenwerkstatt. Man riecht förmlich: Dort entsteht etwas.“
Die nächste Weichenstellung zeichnet sich dennoch ab. Wenn er parallel zur Medaillenjagd auf der Tartanbahn seinen Master gemacht hat, muss er aufs Neue den Entschluss fassen, wie und wo es weitergeht. Auch beruflich. Schon heute weiß er: „Ich werde wieder die richtige Entscheidung treffen, die zu meinem dann aktuellen Lebensmodell und zur Situation passt.“ Schwarz-weiß-Entscheidungen sind schließlich sein Ding.