Warum Unternehmen Cyberangriffe einplanen müssen und Resilienz zur strategischen Kernfähigkeit wird

Cyber-Resilienz: Strategische Pflicht ab 2026

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  • 05 Dez 2025

Cyberangriffe haben sich von singulären Ausnahmefällen zu einem strukturellen Risiko entwickelt. Aktuelle Studien zeigen: Die große Mehrheit deutscher Unternehmen war in den vergangenen Jahren bereits von Sicherheitsvorfällen betroffen. Statt auf vollständige Prävention zu setzen, rückt ein neues Ziel in den Fokus – die Fähigkeit, Angriffe zu verkraften, Schäden zu begrenzen und den Geschäftsbetrieb schnell wiederherzustellen.

Die Lage: Warum Cyberangriffe zur Normalität geworden sind

Angriffe auf Unternehmen erfolgen heute jederzeit und branchenübergreifend – vom Mittelstand bis zum Großkonzern. Laut der aktuellen Studie „Digital Trust Insights 2026“ waren in den vergangenen drei Jahren etwa 89 % der deutschen Unternehmen von Datendiebstahl oder -missbrauch betroffen. Viele dieser Vorfälle gehen mit massiven operativen und materiellen Schäden einher. Ein bekanntes Beispiel: Nach einem Cyberangriff kämpfte ein großer Einzelhändler monatelang mit Systemausfällen und Prozessstörungen – Schätzungen zufolge entstanden Schäden in Höhe von mehreren hundert Millionen Pfund.

Diese Zahlen belegen eindrucksvoll: Cyberattacken sind längst nicht mehr die Ausnahme, sondern ein strukturelles Risiko. Für Unternehmen heißt das: Wer sich allein auf Prävention verlässt, lebt gefährlich.

Warum klassische Sicherheit nicht ausreicht
Die Vorstellung, alle Angriffe blockieren zu können, ist zunehmend illusorisch. Cyber-Resilienz geht über klassische IT-Sicherheit hinaus:

  • Sicherheitslösungen allein reichen nicht – Angriffe können überall passieren: durch technische Schwachstellen, menschliches Versagen, Lieferketten oder gezielte Social-Engineering-Attacken.
  • Komplexe und hybride IT-Landschaften erschweren Schutz und Überblick – Mit zunehmender Digitalisierung steigt die Zahl der Systeme, Schnittstellen und Abhängigkeiten. Transparenz über sämtliche Assets zu behalten, ist eine große Herausforderung.
  • Daten und Prozesse sind oft verteilt und fragmentiert – Fehlende zentrale Informationsquellen, unklare Abhängigkeiten zwischen Systemen und Prozessen sowie verstreute Daten erschweren eine schnelle Reaktion und Wiederherstellung.

Diese strukturellen Schwächen machen deutlich: Unternehmen müssen Cyber-Resilienz nicht als optionales Add-on, sondern als strategisches Fundament verstehen.

Was Cyber-Resilienz konkret bedeutet

Cyber-Resilienz heißt, das Unternehmen so aufzustellen, dass Angriffe das normale Geschäft nicht dauerhaft lahmlegen – und der Betrieb schnell wiederhergestellt werden kann. Dafür sind drei Elemente zentral:

  1. Vernetzung und integrierte Verantwortung
    Resilienz ist eine Querschnittsaufgabe. IT-Sicherheit, IT-Infrastruktur, Risikomanagement, Business Continuity und Krisenmanagement arbeiten Hand in Hand. Zuständigkeiten und Prozesse sind klar definiert, Rollen transparent und Verantwortlichkeiten eindeutig verteilt. Regelmäßige Tests und Notfallübungen sorgen dafür, dass im Ernstfall alle Beteiligten wissen, was zu tun ist.
  2. Transparenz über Systeme, Daten und Abhängigkeiten
    Nur mit einer vollständigen Übersicht über sämtliche Assets, Endpunkte, Systeme und deren Verbindungen zueinander lassen sich Risiken realistisch erfassen und steuern. Eine zentrale und konsistente Datenbasis, die sich ständig aktualisiert, ist Voraussetzung, um Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und Auswirkungen korrekt abzuwägen.
  3. Automatisierung für Geschwindigkeit und Wiederherstellung
    Moderne Angriffe passieren schnell – klassische manuelle Reaktionen reichen nicht mehr aus. Automatisierte Monitoring-, Erkennungs- und Recovery-Prozesse ermöglichen es, Bedrohungen frühzeitig zu identifizieren, den Schaden zu begrenzen und Systeme schnell wiederherzustellen. Gerade bei einer Cyber-Resilienz-Quote von fast 90 % über drei Jahre hinweg ist Agilität entscheidend.

Der Zustand vieler Unternehmen: Erste Schritte, aber fragmentiert

Zahlreiche Firmen haben inzwischen begonnen, Maßnahmen zu ergreifen – doch häufig isoliert und ohne übergreifende Strategie. Laut der Studie investieren nur etwa 15 % der deutschen Unternehmen gezielt in proaktive Sicherheits- und Resilienzmaßnahmen. Damit bleibt der überwiegende Teil reaktiv: Investitionen erfolgen nur nach Vorfällen oder im Rahmen regulärer Updates – ohne systematisches Transformationskonzept für Prävention und Recovery.

Diese Lücke kostet nicht nur Geld: Sie gefährdet Geschäftsprozesse, operativen Betrieb und langfristiges Vertrauen bei Kunden und Partnern.

So gelingt der Weg zur echten Cyber-Resilienz

Der Aufbau nachhaltiger Resilienz folgt einem klaren, strukturierten Ansatz:

  1. Bestandsaufnahme und Risikobewertung
    • Erfassung aller kritischen Geschäftsprozesse und der zugrunde liegenden Systeme, Daten, Schnittstellen und Abhängigkeiten
    • Identifikation potenzieller Bedrohungen und Schwachstellen
  2. Konzeption und Planung 
    • Entwicklung von Krisenmanagement-, IT- Continuity, Business-Continuity- und Cyber-Recovery-Plänen, die ineinandergreifen.
    • Definition von Verantwortlichkeiten, Rollen, Eskalationsstufen und Kommunikationskanälen
  3. Implementierung, Tests und Schulungen 
    • Technische Umsetzung von Transparenz- und Erkennungsmechanismen
    • Regelmäßige Tests und Übungen mit konkreten Szenarien – von IT-Ausfall bis Datenleck
    • Schulung aller Mitarbeitenden, Sensibilisierung für Risiken und Reaktionsprozesse
  4. Automatisierung und Monitoring
    • Automatisiertes Monitoring von Systemen, Datenflüssen und Zugriffen
    • Automatisierte Erkennung und – soweit möglich – automatisierte Wiederherstellung
    • Kontinuierliche Überwachung und regelmäßige Updates
  5. Kontinuierliche Optimierung
    • Regelmäßige Validierung der Prozesse und Technologien
    • Anpassung an neue Bedrohungen, technologische Entwicklungen und regulatorische Anforderungen
    • Integration von Lessons Learned aus Tests oder Vorfällen

Fazit

Wer sich ausschließlich auf Prävention verlässt, riskiert massive operative und finanzielle Schäden sowie Vertrauensverlust. Unternehmen, die Cyber-Resilienz als systematischen, strategischen Ansatz begreifen, sind deutlich besser aufgestellt: Sie erkennen Bedrohungen frühzeitig, reagieren schnell und können den Geschäftsbetrieb stabil halten – selbst im Ernstfall.

Der Autor

Dominik Bredel
Dominik Bredel

Director, Cyber Resilience, PwC Germany

Dominik Bredel ist Director bei PwC Deutschland und verantwortet die Themenbereiche Cyber & Technology Resilience innerhalb des Bereichs Cyber Security & Privacy.
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