M&A-Branchentrends Deutschland: Ausblick auf den Gesundheitssektor im Jahr 2022

Die Fusions- und Übernahmeaktivitäten (M&A) sowie die Unternehmensbewertungen in der Gesundheitsbranche bleiben auf einem hohen Niveau. Auf eine Abschwächung im Jahr 2022 deutet derzeit nichts hin.

Pharma & Life Sciences (Pharmaceuticals and Life Sciences, PLS) sowie Gesundheitsdienstleistungen (Health Care Services, HCS) waren im Jahr 2021 einer der Interessensschwerpunkte von Investor:innen. Im Fokus standen Innovationen in der Biotechnologie und bei Patientendienstleistungen – insbesondere solche, die einen Zugang zu neuen Technologien wie mRNA und Gentherapie eröffnen. Deshalb gehen wir davon aus, dass die M&A-Aktivitäten und Bewertungen im laufenden Jahr 2022 weiter zunehmen werden – zumal die Menge an verfügbarem Kapital nach wie vor groß ist.

Nach wie vor rege ist der Wettbewerb zwischen großen Pharmazieunternehmen und institutionellen Anlegern – etwa Risikokapitalinvestor:innen (VC), Börsengänge (IPOs) –, insbesondere bei mittelgroßen Biotech-Plattformen. Wie wir in unserem Halbjahres-Update vorausgesagt haben, optimieren traditionelle Pharmaunternehmen ihre Portfolios, indem sie sich von Vermögenswerten trennen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Damit wollen sie Kapital generieren, um es in Innovationen zu investieren und um und Lücken in ihren Portfolios zu schließen.

Die Bewertungen möglicher Übernahmeziele steigen weiter. Deshalb müssen Käufer:innen besonders genau analysieren, wie sie nach Abschluss einer Transaktion deren Wert steigern möchten. 

Klar ist: Unternehmen, die diesen Aspekt vernachlässigen, werden die gewünschten Renditen nur schwerlich erzielen können; dies ist nur mit einer durchdachten, vorausschauenden Planung möglich.

M&A-Hotspots

Die folgenden Bereiche werden in den kommenden sechs bis zwölf Monaten zu den Hotspots für M&A-Aktivitäten gehören:

Pharma & Life Sciences (PLS)

  • Traditionelle Pharmakonzerne optimieren ihre Portfolios, indem sie sich von rezeptfreien Medikamenten und anderen weniger innovativen Produkten trennen; sie blicken weiterhin auf Biotech-Unternehmen, die zum Beispiel Zell- und Gentherapien und andere innovative Therapeutika herstellen.
  • Auf großes Investoreninteresse werden solche Unternehmen stoßen, die den mRNA-Herstellungsprozess am effizientesten gestalten und die Engpässe bei der Anlagenverfügbarkeit beseitigen, die etwa bei Impfstoffherstellern auftreten. Pharmaunternehmen werden zudem in Forschung und Entwicklung für mRNA-Anwendungen außerhalb von Impfstoffen investieren, zum Beispiel zur Krebsbehandlung. Oder sie versuchen, in diesem Bereich tätige Unternehmen zu übernehmen.

Gesundheitsdienstleistungen (HCS)

  • Auf den Markt kommen hier spezielle Roll-up-Mergers von Plattformen, weil Investor:innen am Ende der gewünschten Haltedauer versuchen werden, ihre Anteile an weitere, kapitalkräftige Investor:innen zu verkaufen.
  • Interesse wecken Unternehmen aus der Telemedizin, der Gesundheitstechnologie sowie mit Fokus auf Data Analytics, die mit Automatisierung und Digitalisierung eine schnellere, effizientere und/oder virtuelle Patientenversorgung oder klinische Entscheidungshilfen ermöglichen.
  • Auch grenzüberschreitende Transaktionen bleiben auf hohem Niveau, da Investor:innen weiterhin regionale Wachstumsplattformen aufbauen und/oder neue Märkte erschließen.

Ausblick

Konsumentenorientierung

Die Pharmaunternehmen Novartis, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson und Sanofi wollen ihre Consumer-Healthcare-Geschäfte in eigenständige börsennotierte Unternehmen ausgliedern. Dort erwarten wir 2022 entsprechend mehr Deals. Diese Spin-offs verfügen über Direct-to-Consumer-Fachwissen und können deshalb mit neuen Marketingkonzepten das Wachstum der Consumer-Healthcare-Marken ankurbeln. Als eigenständige Unternehmen haben sie das Potenzial, selbst zu bedeutenden M&A-Akteur:innen zu werden.

Disruption und Digitalisierung

Um Wertsteigerungen zu erzielen, müssen Unternehmen die Digitalisierung nutzen und zum Beispiel digitale Lösungen für das Praxismanagement schneller einführen, um die Patient:innen in den Mittelpunkt der Patientenversorgung zu stellen. Die Coronavirus-Pandemie hat den Personalmangel noch einmal verschärft. Dies zwingt Gesundheitsdienstleister abermals zu mehr Effizienz durch digitale Lösungen, um die durch den Fachkräftemangel entstandene Lücke wenigstens etwas zu schließen.

Konsolidierung und Weiterverkauf von Gesundheitsdienstleistungen

Betrachtet man die gesamte M&A-Landschaft im Gesundheitssektor schreitet die Konsolidierung von Privatkliniken und spezialisierten Pflegedienstleistern voran, dazu zählen etwa spezialisierte Pflege- oder Altenpflege-Betreuungseinrichtungen, die nach wie vor auf verschiedene Märkte verstreut sind. Außerdem kann man die verstärkte Konzentration auf Produktivitätssteigerungen im gesamten Gesundheitswesen beobachten. Die grenzüberschreitende Expansion durch Fusionen und Übernahmen wird sich fortsetzen, sodass mehr transnationale Gesundheitsplattformen entstehen. Außerdem kommen die in den vergangenen Jahren durchgeführten Roll-up-Mergers auf den Markt, da einige Investor:innen ihre längerfristig gehaltenen Anteile jetzt veräußern.

Kapitalallokation und Portfoliooptimierung

Große Pharmaunternehmen werden weiterhin versuchen, außerbörslich gehandelte Plattformen und andere nicht zum Kerngeschäft gehörende Vermögenswerte zu veräußern, während sie mittelfristig ihre Portfolios mit mittelgroßen Biotech-Unternehmen anreichern. Wir rechnen auch mit weiteren M&A-Aktivitäten im Bereich von pharmazeutischen Wirkstoffen (Active Pharmaceutical Ingredients, API), um Schwachstellen bei der Beschaffung dieser Wirkstoffe zu beseitigen. Dazu werden einige Investor:innen API-Plattformen einrichten, die es Pharmaunternehmen ermöglichen sollen Produktionsstätten zu veräußern und dabei ihr unbewegliches Anlagevermögen zu reduzieren.

Nach COVID-19: neue Anwendungen für mRNA

Der Erfolg der mRNA-COVID-Impfstoffe hat die breite Einführung dieser Technologie beschleunigt. Die Impfstoffanbieter, darunter das deutsche Unternehmen BioNTech, versuchen nun, in andere Bereiche zu expandieren. Sie entwickeln bereits mRNA-Impfstoffe für Krankheiten wie Grippe, Gürtelrose und HIV, aber auch für Krebs. Das Nachfragepotenzial ist gewaltig, Unternehmen, die hier mit Innovationen Produktionsengpässe beseitigen, werden zu besonders attraktiven Übernahmezielen.

„Wir gehen davon aus, dass die Dealaktivität auch 2022 hoch bleiben wird, weil viele Unternehmen versuchen werden, ihre Portfolios zu optimieren. Innovative Biotech- und Medizingeräteunternehmen werden weiterhin attraktive M&A-Ziele sein.“

Tobias Klimpe,Partner und Leiter für Transaktionen im weltweiten Gesundheitswesen bei PwC Deutschland
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Tobias Klimpe

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Partner, Deals: Transaction Services Leader, PwC Germany

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