Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und weltweit sind komplexer denn je. (Geo-)politische Spannungen, regulatorische Veränderungen und volatile Märkte prägen den Alltag von Unternehmen. In diesem Umfeld steigt das Risiko für Wirtschaftskriminalität – sowohl durch interne als auch externe Täter.
Dazu kommt: Unternehmen müssen Wirtschaftskriminalität neu denken. Neben klassischen Manipulationen treten neue Szenarien auf – von komplexem Zahlungsbetrug über KI-generierte Scheinrechnungen und Deepfake-Angriffe bis hin zu Risiken im Umgang mit Krypto-Assets. Diese Entwicklungen erfordern innovative Ansätze und robuste Kontrollmechanismen.
Im Rahmen der International Fraud Awareness Week beleuchten wir sieben zentrale Trends, die das Betrugsmanagement in den kommenden Jahren prägen werden – und zeigen, wie Unternehmen darauf reagieren können.
Das Thema Betrugsprävention, -Aufdeckung und -Untersuchung rückt immer stärker in den Fokus des Gesetzgebers. In Deutschland stellt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) die Grundlagen für Hinweisgebersysteme dar (u. a. 7-Tage-Eingangsbestätigung, 3-Monate-Rückmeldung). Gleichzeitig gehen unsere europäischen Nachbarländer mit neuen Anforderungen bei der Durchführung von Investigations einen Schritt weiter: Belgien setzt mit dem Private Investigation Act (PIA) auf regulierte Unternehmensprozesse mit Autorisierungs- und Lizenzpflichten für Investigation-Services und strengen Dokumentations- und Datenschutzanforderungen, während die Niederlande mit dem Whistleblower Protection Act klare Anreize für eine transparente Selbstaufklärung bieten, die Bußgelder reduziert.
Mit dem „Economic Crime and Corporate Transparency Act“ (ECCTA) und dem Straftatbestand „Failure to Prevent Fraud“ aus Großbritannien kommen verschärfte Betrugspräventionspflichten und potenziell empfindliche Strafen auf Unternehmen zu – und auch deutsche Unternehmen sind betroffen.
Warum sind diese Gesetze für deutsche Unternehmen wichtig? Fraud Management und interne Untersuchungen haben einen hohen Stellenwert in Europa bekommen: von „Case-by-Case“ bis hin zu professionell aufgesetzten, auditfesten Fraud Management Systemen und Ermittlungen – mit klaren Rollen, Forensik-Methodik, lückenloser Aktenführung und schneller, DSGVO-konformer Fallbearbeitung.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat die Durchführung von Social-Engineering-Attacken erheblich vereinfacht. Diese Technologien ermöglichen es Betrügern, personalisierte Inhalte wie E-Mails, Sprachnachrichten und sogar Videos (Deepfakes) in großem Umfang zu produzieren und Schwachstellen im Unternehmen gezielt auszunutzen.
Besonders betroffen sind Betrugsmuster wie CEO-Fraud oder Lieferantenbetrug, bei dem sich Täter als Führungskräfte bzw. Lieferanten ausgeben, um Mitarbeitende zu unautorisierten Zahlungen zu bewegen und Zahlungen umzuleiten. Auch werden die generierten Inhalte für das Abgreifen sensibler Unternehmensinformationen verwendet, in dem Betrüger als Mitarbeitende getarnt an internen Videokonferenzen teilnehmen oder Informationen per E-Mail abfragen. Das Ergebnis: Social Engineering wird nicht nur einfacher, sondern auch skalierbarer und schwerer zu erkennen.
Künstliche Intelligenz revolutioniert auch die Qualität und Geschwindigkeit von Dokumentenfälschungen. Frei verfügbare generative KI-Modelle ermöglichen die Erstellung realistischer Unterlagen, die in einer Vielzahl betrügerischer Szenarien zum Einsatz kommen. Besonders verbreitet sind gefälschte Reisebelege und Rechnungen, die zur Manipulation von Reisekostenabrechnungen oder im Rahmen von Lieferantenbetrug genutzt werden. Ebenso werden gefälschte Gehaltsnachweise verwendet, um Kreditentscheidungen zu beeinflussen oder Bonitätsprüfungen zu umgehen.
Ein weiteres Risiko liegt in der Erstellung gefälschter Identitätsdokumente wie Ausweise oder Pässe, die für die Registrierung bei digitalen Diensten, der Eröffnung von Bankkonten oder andere Authentifizierungsprozesse missbraucht werden. Die hohe Qualität dieser Fälschungen macht sie für traditionelle Prüfmechanismen kaum erkennbar und stellt Unternehmen sowie Finanzinstitute vor erhebliche Herausforderungen in der Betrugsprävention.
Die Einführung von SEPA-Echtzeitzahlungen (Instant Payments) bringt für Unternehmen erhebliche Vorteile in Bezug auf Geschwindigkeit und Effizienz von Zahlungstransaktionen. Gleichzeitig entstehen jedoch neue Risiken, die Betrüger gezielt ausnutzen. Da Überweisungen innerhalb von Sekunden ausgeführt werden, entfällt der bisherige zeitliche Puffer für zusätzliche nachgelagerte Prüfungen. Dies erhöht die Anfälligkeit für Angriffe wie CEO-Fraud oder manipulierte Zahlungsanweisungen, da verdächtige Transaktionen kaum noch gestoppt werden können, sobald sie initiiert sind.
Die transparente Natur der Blockchain wird oft als Sicherheitsmerkmal angepriesen. Doch im Betrugsfall verkehrt sie sich ins Gegenteil: Kriminelle nutzen ausgefeilte Techniken wie Mixer und Chain Hopping, um die Nachverfolgung gestohlener Gelder gezielt zu erschweren. Dies ist keine Nischenbedrohung mehr, sondern eine der technologisch anspruchsvollsten Formen der Wirtschaftskriminalität.
Unser Global Economic Crime Survey bestätigt die Dringlichkeit: Cyberkriminalität ist für 55 % der deutschen Unternehmen die meisterlebte Form der Wirtschaftskriminalität. Doch während die allgemeine Bedrohung erkannt ist, sind die spezifischen Fähigkeiten zur Abwehr von Krypto-Betrug in vielen Technologie-Stacks noch stark unterrepräsentiert. Standard-Sicherheitsarchitekturen versagen in der On- Chain-Welt.
Unsere Analysen zeigen, dass die Komplexität von Krypto-Betrugsfällen exponentiell zunimmt. Die Fähigkeit, riesige On-Chain-Datenmengen zu analysieren, Muster zu erkennen und pseudonyme Akteure zu de-anonymisieren, wird zum entscheidenden Faktor. Wir erwarten, dass Investitionen in spezialisierte Forensic-Technologien und Datenanalyse-Kompetenzen 2026 zur Priorität für zukunftsorientierte Unternehmen werden, um digitale Unternehmenswerte wirksam vor Diebstahl und Verlust zu schützen.
Unternehmen stehen beim Verhindern von Betrug und bei dessen schneller und zuverlässiger Aufdeckung vor wachsenden Herausforderungen: Regulatorische Anforderungen steigen, Betrugstechniken werden durch den Einsatz künstlicher Intelligenz immer ausgefeilter und der Trend zur Automatisierung lässt informelle Kontrollmechanismen entfallen. Jedoch bieten KI und Prozessautomatisierung zugleich auch große Chancen.
Moderne Fraud-Management-Systeme fügen sich nahtlos in die IT-Landschaft ein und nutzen neueste Technologien, um möglichen Tätern einen Schritt voraus zu sein. In der Prävention schaffen datengestützte Prozessanalysen im Rahmen von Fraud Risk Assessments frühzeitig Transparenz über Risiken und tragen so zur Stärkung interner Kontrollsysteme bei. In der Betrugserkennung kommen Echtzeit-Monitoring-Lösungen zum Einsatz, die fachlich hergeleitete Warnzeichen mit KI-basierter Identifikation ungewöhnlicher Muster und Anomalien kombinieren, sodass verdächtige Transaktionen umgehend erkannt werden. Auch die Nachverfolgung wird technologisch unterstützt: Relevante Informationen werden zentral bereitgestellt, Fälle lückenlos dokumentiert und so aufbereitet, dass sie als Grundlage für Managemententscheidungen dienen.
Gut vorbereitete Mitarbeitende sind zur Vermeidung und Aufklärung von Betrug unverzichtbar. Klassische Trainings werden jedoch oft als wenig praxisnah empfunden. Künstliche Intelligenz und Virtual Reality eröffnen hier neue Möglichkeiten: Schulungen können interaktiv und skalierbar gestaltet werden, was hohe Wirksamkeit bei überschaubaren Kosten ermöglicht. Realitätsnahe Simulationen versetzen Mitarbeitende in typische Entscheidungssituationen. In breiter gefassten Trainings können Mitarbeitende üben, wie Social-Engineering-Angriffe erkannt werden, welche Warnzeichen in Prozessen zu beachten sind und wie Verdachtsfälle korrekt gemeldet werden. Teams, die interne Untersuchungen durchführen, können sich mit spezialisiertem Training auf Befragungssituationen vorbereiten, den Umgang mit schwierigen Gesprächen gezielt trainieren und sich für Bias sowie rechtliche Rahmenbedingungen sensibilisieren lassen. Unmittelbares Feedback erhöht den Lernfortschritt und schafft die Grundlage für kontinuierliche Verbesserung.