Healthcare-Barometer 2023

PwC-Studie 2023: Das deutsche Gesundheitswesen hat in den vergangenen zwei Jahren stark an Zustimmung verloren. Dem Gesundheitssektor ist es nicht gelungen, die Chancen der Krise während der Pandemie zu nutzen.

Ihr Experte für Fragen

Michael Burkhart

Michael Burkhart
Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland
Tel.: +49 69 9585-0
E-Mail

Das deutsche Gesundheitswesen hat aus der Krise wenig gelernt

Die Pandemie galt – neben allen Herausforderungen – als Jahrzehnt-Chance für das deutsche Gesundheitssystem, seine digitale Struktur auszubauen und die Transformation voranzutreiben. Doch die deutsche Gesundheitswirtschaft hat diese Chance der Krise nicht genutzt. Die Zustimmung der Bevölkerung zum deutschen Gesundheitssystem ist seit der ersten Phase der Pandemie spürbar gesunken: Während im Jahr 2020 noch 72 Prozent der Bürger:innen dem deutschen System Bestnoten ausstellten, sind es derzeit nur noch 57 Prozent, die es zu den Top-3-Systemen weltweit zählen. Im Vorjahr waren es 59 Prozent. 

Nahezu alle Bereiche müssen Verluste verkraften – mit einer Ausnahme: Die Krankenkassen verzeichnen seit Jahren hohe Zustimmungswerte und können sich auch aktuell mit Bestnoten behaupten. Das sind zentrale Ergebnisse des „Healthcare-Barometers 2023“, für das PwC zum neunten Mal in Folge 1.000 Bürger:innen zu ihrer Einschätzung des Gesundheitssektors befragt hat.

Die Studie im Überblick

Krankenversicherer genießen großes Vertrauen in der Bevölkerung

Krankenkassen in Deutschland sorgen bei ihren Versicherten für bemerkenswert hohe Zufriedenheit: Aktuell bezeichnen sich 87 Prozent als „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ mit der Arbeit der Versicherer (Vorjahr: 88 Prozent). Damit erreichen die Krankenkassen über den Erhebungszeitraum seit 2014 ein ausgesprochen stabiles Zufriedenheitsniveau. Sie sind die einzige Institution, die aktuell keine Verluste verkraften muss. Das gilt unabhängig von der Art der Versicherung: Die Werte zwischen den privat und gesetzlich Versicherten unterscheiden sich nur geringfügig. Unterschiede zeichnen sich allerdings in der Frage ab, ob die Krankenversicherung alle relevanten Leistungen gewährt: Das beantworten 90 Prozent der privat Versicherten, aber nur 84 Prozent der gesetzlich Versicherten mit „Ja“.

Infografik: Bewertung der eigenen Krankenkasse

Die Kliniken müssen Verluste verkraften

Die Jahre der Pandemie, die Debatte um die Krankenhausreform und Fragen der Finanzierung wirken sich offenbar auf die Wahrnehmung der Versicherten aus: Die Zufriedenheit mit der Versorgung in Krankenhäusern ist gegenüber dem Vorjahr spürbar gesunken – von 63 auf 51 Prozent aktuell. Innerhalb des ersten Pandemiejahres 2020 konnten die Kliniken mit 72 Prozent noch Spitzenwerte erzielen, während sich die Bewertung derzeit wieder auf das Niveau der Zeit vor der Pandemie eingependelt hat. Wenn es um die Wahl der richtigen Klinik geht, spielt nach wie vor der Hausarzt mit 49 Prozent die größte Rolle, gefolgt von Empfehlungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis und Informationen aus dem Internet.

Der Zeitmangel schürt Unzufriedenheit mit Ärzt:innen

Auch die Unzufriedenheit mit der ambulanten Versorgung ist gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen: Während sich im Vorjahr noch 43 Prozent als zufrieden mit ihrer Ärztin, ihrem Arzt bezeichneten, sind es derzeit nur noch 37 Prozent. Als Hauptkritikpunkt gilt – wie auch in den Vorjahren – der Zeitdruck, unter dem Mediziner:innen heute stehen. So bemängeln 36 Prozent, dass die Ärzt:in sich zu wenig Zeit nimmt. Weitere Kritikpunkte: Die Patient:innen fühlen sich vom medizinischen Personal nicht ernst genommen oder bemängeln die Öffnungszeiten der Praxis.

Infografik: Unzufriedenheit mit deutschen Ärzten

Interview: „Der Gesundheitssektor hat die Chancen der Krise ungenutzt verstreichen lassen“

Wie stehen die Deutschen zu ihrem Gesundheitswesen? Wie zufrieden sind sie mit der ambulanten und stationären Versorgung? Im Interview erklären Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft, und Roland Werner, Pharma-Experte, wie sie die Ergebnisse einschätzen.

Mehr erfahren

Pharma: Wertschätzung für Innovationsstärke wieder leicht rückläufig

Die Fortschritte in der Impfstoff-Entwicklung haben dafür gesorgt, dass die Wertschätzung für die Leistung von Pharmakonzernen stark gestiegen ist – inzwischen ist sie wieder leicht rückläufig: 31 Prozent der Befragten bestätigen, dass Pharmaunternehmen innovative Unternehmen sind, die mit ihren Produkten Krankheiten heilen. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 lag dieser Wert bei 35 Prozent. Damit ist die Anerkennung der Innovationskraft aber immer noch deutlich höher als in der Zeit vor der Pandemie. Allerdings gibt es auch Kritik an der Branche: 55 Prozent sind davon überzeugt, dass Pharmaunternehmen auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind und zu Lasten der Sozialkassen wirtschaften. Wenn es um die Erwartungen an die Branche geht, steht Innovation weiterhin an erster Stelle: 58 Prozent wünschen sich, dass die Hersteller neue innovative Produkte auf den Markt bringen. 

Infografik: Pharmaunternehmen: Innovatoren oder Gewinnmaximierer?

Datenspeicherung unter bestimmten Bedingungen denkbar

Im Gesundheitswesen fallen eine Vielzahl von Daten an, deren Nutzung das System voranbringen könnte. Unter bestimmten Bedingungen sind die Bürger:innen bereit, einer elektronische Speicherung ihrer Informationen zuzustimmen, etwa dann, wenn sich dadurch die Beitragssätze reduzieren lassen (85 Prozent), wenn sich die durchschnittliche Lebenserwartung durch eine bessere Behandlung verlängert (84 Prozent) oder sich ein Krankenhaus in der Nähe vor der Schließung retten lässt (80 Prozent). Diese grundsätzliche Bereitschaft zeigt, dass die Versicherten noch stärker über den Nutzen der elektronischen Datenspeicherung aufgeklärt werden müssen.

Infografik: Bedingungen für elektronische Speicherung von Daten

Finanzinvestoren sollen zur Verbesserung der Versorgung beitragen

Finanzinvestor:innen sind in die politische Diskussion geraten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will per Gesetz verbieten, dass sie Arztpraxen kaufen können. Unter den Versicherten zeichnet sich ein differenziertes Bild zu diesem Thema ab: Lediglich 26 Prozent lehnen die Beteiligung von privaten Finanzinvestor:innen am Gesundheitswesen gänzlich ab. Die übrigen Studienteilnehmer:innen können sich eine Beteiligung vorstellen, wenn sich dadurch die medizinische Versorgung verbessert (28 Prozent), im Einzelfall entschieden wird (19 Prozent) oder dadurch die Schließung einer Klinik verhindert wird (15 Prozent). In jedem Fall bedarf es einer Steuerung durch die Politik.

Aktuell im Brennpunkt

Nachhaltigkeit wird im Gesundheitssektor stark unterschätzt

Der Gesundheitssektor ist für einen erheblichen Anteil der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich, etwa durch den hohen Energieverbrauch in der Diagnostik, die Supply Chain in der Herstellung von Medikamenten sowie den Bau und Betrieb von Gebäuden. Zwischen Klima und Gesundheit gibt es eine enge Verbindung – diese Botschaft ist zwar in der Gesundheitspolitik, aber noch nicht in der Öffentlichkeit angekommen. Lediglich 32 Prozent der Befragten schätzen richtig ein, dass die deutsche Gesundheitsbranche rund fünf Prozent an CO2-Emissionen produziert, 37 Prozent können dazu gar keine Angabe machen. Auch bei der Frage, in welchen Bereich Krankenhäuser investieren sollen, spielt das Thema Nachhaltigkeit aus Sicht der Studienteilnehmer:innen eine untergeordnete Rolle: Nur vier Prozent fordern mehr Investitionen in Nachhaltigkeit. In diesem Bereich muss noch deutlich mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, auch bei der Debatte um die Reform der Krankenhausfinanzierung wird das Thema eine Rolle spielen.

„Die sinkenden Zustimmungsraten zum deutschen Gesundheitswesen sollten uns aufrütteln. Wir benötigen dringend eine Reform, die unser Gesundheitswesen zukunftsfähig macht – nicht nur ein Reförmchen oder Stückwerk wie bisher. Eine wichtige Rolle können dabei die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen, die hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießen, bislang von der Gesundheitspolitik aber kaum einbezogen werden.“

Michael Burkhart,Leiter Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland

Die Methodik

Für die Studie wurden 1.000 Deutsche (Mindestalter: 18 Jahre) im Erhebungszeitraum Dezember 2022 befragt. Die Studie ist bevölkerungsrepräsentativ. Ergebnisse sind auf ganze Zahlen gerundet.

Follow us

Contact us

Michael Burkhart

Michael Burkhart

Leiter Gesundheitswirtschaft und Managing Partner Region Mitte, PwC Germany

Tel.: +49 69 9585-1268

Hide