EU-Taxonomie 2023: Kennzahlen für das Geschäftsjahr wenig aussagekräftig

PwC-Analyse: Datenqualität und -vergleichbarkeit noch gering – selbst innerhalb der einzelnen Branchen

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Nadja Picard
Partnerin, Global Reporting Leader bei PwC Deutschland
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Wie europäische Industrie- und Finanzunternehmen die EU-Taxonomieverordnung umsetzen

Die EU-Taxonomieverordnung gilt bereits seit mehr als einem Jahr, sowohl für Industrieunternehmen als auch für Finanzinstitute. Dieses Klassifikationssystem unterscheidet nach „taxonomiefähigen“ und „taxonomiekonformen“ Wirtschaftstätigkeiten: Taxonomiefähig sind Wirtschaftstätigkeiten, die sich prinzipiell einer Wirtschaftsaktivität zuordnen lassen („Eligibility“). Taxonomiekonform sind solche, die die zugehörigen Kriterien (Technische Bewertungs- und Mindestschutz-Kriterien) auch erfüllen („Alignment“).

Bereits im Jahr 2022 hat PwC den aktuellen Stand der Taxonomieberichterstattung untersucht. Nun hat PwC die Analyse auf Industrie- und Finanzunternehmen in ganz Europa ausgeweitet. Das zentrale Ergebnis: Die EU-Taxonomieberichterstattung der analysierten Unternehmen und Institute ist noch wenig aussagekräftig, transparent und vergleichbar.

Für wen die EU-Taxonomie gilt

Große, börsennotierte Industrieunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden müssen über den Anteil ihrer taxonomiefähigen Wirtschaftstätigkeiten bei Umsätzen, Investitionsausgaben und Betriebsausgaben berichten. Seit dem Geschäftsjahr 2022 gilt für sie erstmals die vollständige Berichtspflicht zur Taxonomiekonformität ihrer Tätigkeiten.

Finanzunternehmen müssen ebenfalls angeben, in welchem Umfang ihre Asset- und Finanzierungsportfolien taxonomiefähig sind. Sie sind für ihre Berichterstattung von den berichteten Daten der Industrieunternehmen in ihrem Portfolio abhängig. Deshalb müssen sie erst ab dem Geschäftsjahr 2023 vollständig zur Taxonomiekonformität berichten. Aufgrund der unterschiedlichen Reportinganforderungen an Industrie- und Finanzunternehmen stellen wir die Ergebnisse separat vor.

Die Studie im Überblick

Die Ergebnisse für europäische Industrieunternehmen im Detail

Knapp die Hälfte der Industrieunternehmen berichtet über ihre EU-Taxonomieangaben im Nachhaltigkeitsbericht, etwas mehr als ein Viertel im Geschäftsbericht,11 Prozent im Lagebericht. 66 Prozent der Industrieunternehmen nutzen die von der EU-Kommission für Industrieunternehmen zur Verfügung gestellten Mustertabellen für Umsatz-, Investitions- und Betriebsausgaben – ein geringer Wert, schließlich war deren Verwendung bereits verpflichtend. Und: 86 Prozent der Industrieunternehmen legen die Kennzahlen für jede Wirtschaftsaktivität offen.

Große Diskrepanz zwischen taxonomiefähigen und taxonomiekonformen Umsätzen

Auffällig ist die große Diskrepanz zwischen berichteter Taxonomiefähigkeit und Taxonomiekonformität: Die durchschnittlich ausgewiesene Taxonomiefähigkeit über alle Industrien hinweg liegt bei 26 Prozent für die Umsatzerlöse. Nur sieben Prozent weisen die Unternehmen als taxonomiekonform aus.

Den höchsten taxonomiefähigen Umsatz berichteten Real Estate (65 %) und die Automobilindustrie (46 %). Den geringsten berichteten die Gesundheitsbranche (0 %) und der Handel (5 %). Den größten taxonomiekonformen Umsatz weisen die Industrien Energy, Utilities & Resources (20 %) und Real Estate (16 %) aus; den geringsten ebenfalls die Gesundheitsbranche (0 %) und der Handel (1 %).

Taxonomiefähige und taxonomiekonforme Investitionsausgaben (CapEx)

Bei den CapEx steht ebenfalls Real Estate mit 63 Prozent an taxonomiefähigen Investitionsausgaben an der Spitze, gefolgt von Energy, Utilities & Resources (56 %) und dem Automobilsektor (54 %). Auch bei den Investitionsausgaben gibt es eine große Diskrepanz zur Taxonomiekonformität: Die durchschnittlichen taxonomiefähigen Investitionsausgaben betragen 37 Prozent, nur ca. ein Viertel sind als taxonomiekonform ausgewiesen. Im Automobilsektor sind beispielsweise von 54 Prozent taxonomiefähigen Investitionsausgaben nur 15 Prozent als taxonomiekonform ausgewiesen.

Die am häufigsten berichteten Wirtschaftstätigkeiten der EU-Taxonomie mit dem größten Anteil an taxonomiefähigen und taxonomiekonformen Investitionsausgaben sind 3.3. „Manufacture of Low-Carbon Technologies for Transport“ sowie 7.1 „Construction of New Buildings“.

Zum Download der kompletten Studie

EU Taxonomy Reporting 2023

Taxonomiefähige und taxonomiekonforme Betriebsausgaben (OpEx)

Die durchschnittliche Taxonomiefähigkeit der OpEx beläuft sich auf 27 Prozent, nur acht Prozent sind taxonomiekonform. Die Automobilindustrie steht an erster Stelle mit 49 Prozent taxonomiefähigen Betriebsausgaben, gefolgt von Energy, Utilities & Resources mit 43 Prozent und Transport & Logistics mit 37 Prozent. Schlusslichter bilden erneut der Handel und die Gesundheitsbranche mit elf bzw. zwei Prozent.

Marktbeobachtungen

Es bestehen signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen: Die Branchen Automotive, Energy, Utilities & Resources und Real Estate weisen die meisten taxonomiefähigen Wirtschaftsaktivitäten aus, der Handel und die Gesundheitsbranche die geringsten. Aber auch Unternehmen derselben Branche oder mit demselben Geschäftsmodell berichten sehr heterogen.

Die Diskrepanz zwischen den berichteten taxonomiefähigen und den taxonomiekonformen Wirtschaftsaktivitäten ist auffällig. Ein Grund kann eine unterschiedliche Datenverfügbarkeit bei den jeweiligen Unternehmen sein. Es ist auch möglich, dass in den Unternehmen noch Unsicherheiten über die Konformitätskriterien, die technischen Bewertungskriterien und die Minimum Safeguards bestehen.

„Die Unternehmen müssen sich weiterhin mit der Komplexität der EU-Taxonomie auseinandersetzen, insbesondere da eine Berichterstattung über die weiteren Umweltziele bevorsteht.“

Nadja Picard,Global Reporting Leader bei PwC Deutschland

Die Ergebnisse für die europäischen Finanzinstitute im Detail

Finanzunternehmen berechnen ihre Taxonomiekennzahlen auf Basis der Daten ihrer Geschäftspartner. Dies sind überwiegend Nicht-Finanzunternehmen, die die Institute finanzieren. Folglich hängt die Qualität der Berichterstattung der Finanzinstitute weitgehend von der ihrer Geschäftspartner ab. Derzeit befinden sich die Unternehmen noch in einer Übergangsphase mit unvollständigen Berichtspflichten. Daraus resultiert eine mangelhafte Datengrundlage, und dies wirkt sich nachteilig auf die Qualität der Offenlegung aus.

Im Gegensatz zu den Industrieunternehmen muss der Finanzsektor erst ab dem Geschäftsjahr 2023 vollständig über die Taxonomiekonformität berichten. Derzeit besteht also nur die Pflicht zum Ausweis nach Taxonomiefähigkeit. Die von der EU-Kommission zur Verfügung gestellten Templates für Kennzahlen nutzen bisher wenige Finanzinstitute. Es ist davon auszugehen, dass deren Verwendung ab 2024 verpflichtend wird und dass dies zu einer gewissen Standardisierung der Berichterstattung beitragen wird.

Auffällig ist, dass die berichteten taxonomiefähigen Kennzahlen eine große Spannbreite aufweisen. Das lässt auf unterschiedliche Erhebungsmethoden schließen. Die Spannbreite der umsatzbasierten taxonomiefähigen Aktivitäten erstreckt sich von 0 bis 76 Prozent; die der taxonomiefähigen Investitionsausgaben auf 0 bis 75 Prozent.

Auch machen die Finanzinstitute meist nicht transparent, wie sie ihre Taxonomiekennzahlen berechnen. Zudem bemängeln sie die Taxonomieberichterstattung bzw. die Qualität der Daten der Industrieunternehmen, die sie für ihre eigene Berichterstattung benötigen. Immerhin 39 Prozent der Finanzinstitute weisen Vorjahresvergleichszahlen auf – das ist ein ordentlicher Wert, wenn man bedenkt, dass nur zehn Prozent der Industrieunternehmen Vorjahresvergleichszahlen aufzeigen. Doch erst mit der vollständigen Implementierung der Taxonomieberichterstattung und einer Angleichung der Erhebungsmethoden wird ein aussagekräftiger Vergleich möglich sein.

Marktbeobachtungen

Bei den Finanzinstituten werden die Taxonomiekennzahlen durch das Geschäftsmodell beeinflusst. So verfügen Banken, die vorwiegend kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) finanzieren, derzeit über niedrigere Kennzahlen als Banken, deren Geschäftspartner vorwiegend börsennotierte Unternehmen sind. Denn Finanzierungstätigkeiten für KMUs sind noch nicht taxonomiefähig.

„Damit die Taxonomiekennzahlen für zum Beispiel Investor:innen wirklich nützlich sind, müssen die Daten besser vergleichbar sein. Dazu müssen die Industrieunternehmen ihre Datenerhebung und -verarbeitung optimieren und die Finanzinstitute für eine höhere Standardisierung sorgen.“

Christoph Schellhas,Partner und Financial Services Sustainability Leader bei PwC Deutschland

Zum Download der kompletten Studie

EU Taxonomy Reporting 2023

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Die Methodik

Analysiert hat PwC die bis zum 30. April 2023 veröffentlichten Berichte des Geschäftsjahres 2022 von 706 börsennotierten europäischen Industrieunternehmen und 146 börsennotierten europäischen Finanzinstituten, die in den Anwendungsbereich der EU-Taxonomie fallen. Damit hat PwC die vorherige Studie erweitert. Diese stützte sich lediglich auf die ersten 50 in Deutschland veröffentlichten Berichte aus dem Industriesektor.

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