06 Juli, 2020
Die COVID-19-Krise hat viele Nachteile globaler Lieferketten aufgedeckt. Eine Option, Abhängigkeiten zu vermeiden oder zu reduzieren, kann der Aufbau neuer Produktions- und Logistikstandorte in Industrie- und Sonderwirtschaftszonen unter anderem in den osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern entlang Belt and Road sein.
Nach Chinas Öffnung in den 80er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts verlagerten viele internationale Unternehmen große Teile ihrer traditionellen Industrien in die chinesischen Küstengebiete. Seit 2010 begann China die verarbeitende Industrie aus den Küstengebieten in die zentralen und westlichen Regionen, aber auch nach Südostasien oder in andere asiatische Regionen und nach Afrika zu verlagern. Diese Verlagerung war eines der Motive für die Gründung der Belt and Road Initiative (BRI) im Jahr 2013.
In einer Sonderwirtschaftszone (SWZ) gelten besondere Regeln und Gesetze für Investoren. Die SWZ sind ein wichtiger Bestandteil der chinesischen BRI-Politik und ein Motor des Wirtschaftswachstums in den Entwicklungsländern.
Durch BRI haben sich neue Länderzusammenschlüsse mit neuen Potenzialen ergeben. Die SWZ in den osteuropäischen Ländern bieten z. B. neue Chancen für europäische Unternehmen, aktiv an Belt and Road mitzuwirken, bergen aber auch Risiken, etwa für die Sicherheit und die politische Stabilität, sowie Handels- und Technologiedefizite. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass sich das Jahrhundertprojekt BRI noch immer am Anfang befindet.
Das Interesse von Investoren an Weißrussland, das an Russland, Lettland, Litauen, Polen und die Ukraine grenzt, hat in den letzten Jahren dank BRI zugenommen. Das Land verbindet China mit der Europäischen Union und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und gilt als ein zunehmend offenes Investitionsziel für die Fertigung und die Entwicklung von Hochtechnologie.
Durch Weißrussland führen acht Routen für Eisenbahncontainer zwischen China und Westeuropa. Der Warentransport dauert über Kasachstan, Russland, Weißrussland und Polen etwa 17 Tage und ist damit rund drei Wochen schneller als die Beförderung zur See. Allerdings sind die Frachtkosten für die Bahn etwa 60 bis 70 Prozent höher. Dank seiner Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) können in Weißrussland hergestellte Produkte zollfrei in die anderen Märkte der EAWU exportiert werden. Darüber hinaus schafft die Regierung großzügige Investitionsanreize.
Kasachstan ist ebenfalls Mitglied der EAWU, die den dort ansässigen Herstellern freien Zugang zu den Märkten in Russland, Armenien, Weißrussland und Kirgisistan bietet. Die SWZ Khorgos Eastern Gate an der kasachisch-chinesischen Grenze ist Teil von BRI und ein zentraler Umschlagplatz für Waren aus China und Europa. Seit der Inbetriebnahme des Güterverkehrszentrums Khorgos können Großhandelsgüter mit der Bahn in nur 18 bis 20 Tagen von Yiwu in China nach London transportiert werden.
Kasachstan erwirtschaftet durch die Förderung von Erdöl und -gas 25 Prozent seines Bruttosozialprodukts. Außerdem gibt es große Vorkommen an Mineralien und Metallen. Im Land produziert werden Stahl und Aluminium sowie Ferrolegierungen, die fester Bestandteil moderner Verbrauchertechnologie sind.
Khorgos Eastern Gate verfügt über große Kapazitäten zur Lagerung, aber auch zur Produktion. Unternehmen in der SWZ sind von Einfuhrzöllen, Grund- und Mehrwertsteuer befreit. Das macht sie auch zu einem attraktiven Handelszentrum für kasachische und chinesische Käufer. In der Nähe der SWZ liegt das International Center for Boundary Cooperation (ICBC). Das ICBC Khorgos ist ein öffentliches Unternehmen, das über Gebiete auf beiden Seiten der Grenze verfügt. Das Zentrum soll die kulturelle und geschäftliche Zusammenarbeit fördern und die Infrastruktur für Bildungs-, Wissenschafts- und Freizeitaktivitäten bereitstellen.
Die Bedeutung von SWZ im Rahmen von BRI wird weiter zunehmen und interessante Möglichkeiten für europäische Unternehmen schaffen. Weißrussland und Kasachstan bieten große Chancen, Lieferketten neu zu ordnen. Wer die vielen Vorteile der SWZ nutzt, kann auf Ereignissen wie die Coronapandemie besser reagieren sowie seine Transportzeiten verkürzen.