08 Dezember, 2022
Die Coronapandemie und die daraus resultierenden Einschränkungen sowie die unbeständige Lage der Weltwirtschaft haben 2022 viele internationale Immobilienmärkte in erheblichem Maße beeinflusst – nicht zuletzt den chinesischen. Darüber hinaus gab es in China eine Reihe von lokalen Verwerfungen, die sich auf den Markt ausgewirkt haben.
Besonders betroffen waren davon die großen Gesellschaften, die Wohnimmobilienprojekte entwickeln. Ungeachtet dessen bleibt die Logistikbranche für Investoren sehr interessant. Die aktuellen Entwicklungen fassen unsere beiden Experten für Sie zusammen.
Zur Stabilisierung der heimischen Wirtschaft und als Reaktion auf die unsichere Lage der Weltwirtschaft hat die chinesische Regierung eine Reihe von Schritten eingeleitet. Die für den Immobilienmarkt relevanten Maßnahmen betreffen vor allem drei Kernbereiche:
Wirtschaft
Die Prognose für das chinesische Wirtschaftswachstum im Jahr 2022 ist von 5,0 Prozent auf 2,8 Prozent gesenkt worden; für 2023 wird jedoch weiterhin ein Wachstum von 4,5 Prozent erwartet. Maßgeblich dafür sind die allgemeine Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums und Chinas strenge Maßnahmen zur Pandemieprävention. Dagegen werden langfristige neue Wachstumsimpulse aus dem Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) erwartet, das am 1. Januar 2022 in Kraft trat.
Geld- und Fiskalpolitik
Als Reaktion auf die wirtschaftliche Entwicklung hat die chinesische Zentralbank die Zinssätze seit Anfang des Jahres mehrmals herabgesetzt, zuletzt wurde die für Immobilienkredite relevante Fünfjahresrate im August 2022 auf 4,3 Prozent gesenkt.
Immobilienpolitik
Nach Angaben des MSCI China Real Estate Index haben in der ersten Jahreshälfte 2022 mehr als 180 Provinzen und Städte ihre Immobilienkontrollpolitik gelockert, indem sie die Anzahlungsquoten gesenkt, Subventionen für den Erwerb von Wohneigentum gewährt und die Höhe der Vorsorgekredite erhöht haben. Finanzgeber wurden zudem angehalten, Projektentwicklern mit Liquiditätsengpässen Sonderdarlehen für die „garantierte Lieferung“ verkaufter Objekte zu gewähren.
Die infolge der beschriebenen wirtschaftlichen Unsicherheiten in der ersten Jahreshälfte 2022 sinkende Nachfrage erzeugte einen erheblichen Preisdruck in vielen Sektoren. Indikatoren wie Verkaufspreise, Investitionen und Projektentwicklungsvolumen sind generell zurückgegangen.
Allerdings ist das nicht in allen Assetklassen zu beobachten und in der zweiten Jahreshälfte mehren sich Anzeichen für eine langsame Stabilisierung.
Büroimmobilien
Die Nachfrage nach Büroflächen wurde durch die Pandemie gedämpft, sodass die Mieten unter Druck blieben. Nach Angaben des Maklerhauses CBRE stiegen die verfügbaren Büroflächen mit rund acht Millionen Quadratmetern um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Beijing und Shanghai ging die Nettoabsorption entsprechend zurück. Die wichtigsten Nachfrager von Büroflächen bleiben die Sektoren Finanzindustrie sowie Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT) und multinationale Unternehmen. Allerdings haben sich wichtige Entscheidungsfaktoren geändert, sodass neben traditionellen Faktoren wie Kosten auch strategische Ziele wie Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG), Unternehmensbranding und Talentbindung für die Standortwahl entscheidend sind.
Einzelhandel
Der Einzelhandelsmarkt wurde durch die Pandemie negativ beeinflusst, weist landesweit jedoch nur einen geringen Anstieg der Leerstandsquoten auf 9,8 Prozent auf. Das ist vor allem durch eine höhere Flexibilität bei der Festlegung der Mieten von Lagen außerhalb der zentralen Einkaufsstraßen zurückzuführen. Die Mieten sind insgesamt gesunken.
Logistik
Logistikimmobilien werden speziell in den Tier-1-Städten und in deren Umland sowie der Region des Jangtse-Deltas weiterhin nachgefragt, gestützt durch starke Exporte sowie das schnelle Wachstum des E-Commerce und des Expressgeschäfts. Der Teilmarkt verzeichnete gegenüber dem Vorjahr einen starken Anstieg der Nettoabsorption (im Schnitt um 40 Prozent). Für 2022 prognostiziert das Maklerhaus JLL ein entsprechendes Mietwachstum von 1,9 Prozent, für 2023 von 2,4 Prozent. Auch künftig wird ein Anhalten dieser Nachfrage erwartet, unter anderem aus den Bereichen Drittlogistik, E-Commerce, dem Einzelhandel und der verarbeitenden Industrie.
Residential
Im Jahr 2022 ging die Zahl der Verkäufe von Wohnimmobilien stark zurück und auch das Projektvolumen der Wohnimmobilienentwicklungen war zum ersten Mal nach langer Zeit negativ. Jedoch ist der Rückgang in den Tier-1-Städten schwächer ausgeprägt. So stieg im September die verkaufte Fläche wieder an. Für die kommenden Monate wird – abhängig von der Entwicklung der Coronapandemie – gemeinhin eine Erholung des Wohnungsmarkts in diesen Städten erwartet.
Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungen und infolge der verschiedenen Initiativen der zentralen und regionalen Regierungen bleibt China ein dynamisches und herausforderndes Marktumfeld für Investitionen in Immobilien. Besonders die Maßnahmen der zentralen Regierung zur Stützung des Immobilienmarkts sind – unabhängig vom Teilsegment – im Blick zu behalten. Kenntnis der lokalen Marktgegebenheiten wird aufgrund der aktuellen Unsicherheiten für Investitionen essenziell bleiben.
Dirk Hennig ist Partner im Geschäftsbereich Transaction von PwC, spezialisiert auf Bewertung und strategische Beratung. Er hat langjährige Erfahrung in der Beratung von Unternehmen. Hennig ist Vorstand im Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger und im ZIA-Arbeitskreis „Bilanzierung und Bewertung“ tätig und hat an zahlreichen nationalen und internationalen Transaktionen, Börsengängen und IFRS-Einführungen mitgewirkt.
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Manuel Eichen ist Manager im Geschäftsbereich Valuation, Modelling & Analytics von PwC. Er hat einen Master in Management und einen in Real Estate und ist Mitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors. Er arbeitet seit 2011 bei PwC und verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Bewertung von Gewerbe- und Spezialimmobilien. Der Experte für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen begleitete mehrere erfolgreiche Immobilienentwicklungen.