Region DACH – Deutschland: Urteil des BFH zur Einkünftekorrektur auf eine unbesicherte im Konzern begebene Darlehensforderung

31 August, 2022

Von Alisa König und Tanja Keser. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Fall (I R 15/21) mit langer und beachtlicher Historie vorangegangener Urteile (siehe dazu unter anderem Ausgabe 54 zur mündlichen Neuverhandlung am 13. Januar 2022) zur Anerkennung einer Teilwertabschreibung auf ein unbesichertes, im Konzern vergebenes Darlehen seine am 9. Juni 2021 getroffene Rechtsprechung (I R 32/17) im Grundsatz bestätigt. Die Sache ist jedoch, wie vermutet, zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) Düsseldorf zurückverwiesen. 

Sachverhalt

Die deutsche A GmbH führte mit ihrer 99,98-prozentigen Tochtergesellschaft in Belgien (B N.V.) ein Verrechnungskonto. Die Darlehensgewährung an die B N.V. durch das Verrechnungskonto war nicht besichert und wurde im Streitjahr 2005 mit einem Zinssatz von sechs Prozent verzinst. Am 30. September 2005 vereinbarten die A GmbH und die B N.V. einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein. Die Höhe des Forderungsverzichts betraf den wertlosen Teil des Verrechnungskontos, welcher von der A GmbH gewinnmindernd ausgebucht worden war. Das Finanzamt hat jedoch im Hinblick auf die fehlende Forderungsbesicherung diese Gewinnminderung nach § 1 Abs. 1 Außensteuergesetz (AStG) mittels einer außerbilanziellen Hinzurechnung neutralisiert, wogegen Klage erhoben worden ist.

Vorangegangene Urteile

Mit seinem Urteil vom 10. November 2015 (6 K 2095/13 K) gab das FG der auf der sog. Sperrwirkungslehre basierenden Rechtsprechung des BFH Recht und stimmte damit der Klägerin zu: Das Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Belgien erlaube nur eine Korrektur des Zinssatzes, nicht aber die Korrektur einer Teilwertabschreibung. 

Im Revisionsverfahren am 27. Februar 2019 (I R 73/16) hatte der BFH dann allerdings überraschend eine Rechtsprechungsänderung zur Sperrwirkung eingeläutet, indem er nun feststellte, dass die Fremdüblichkeit einer Bedingung nicht auf den Zinssatz beschränkt sei, sondern auch das Fehlen von Sicherheiten umfasse, die im Urteilsfall fremdunüblich und ursächlich für die Einkommensminderung sei. Daraufhin hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 4. März 2021 (2 BvR 1161/19) das angefochtene Urteil aufgrund europarechtlicher Bedenken aufgehoben (siehe dazu unseren Newsflash vom 1. April 2021)  und die Sache an den BFH zurückverwiesen. 

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Entscheidungs-
gründe des BFH und Vorgaben an die Tatsacheninstanz

Die vom FG knapp gefassten Feststellungen, die keine Würdigung der nun relevanten Frage beinhalten, ob unter Berücksichtigung aller Umstände von einer fremdüblichen Darlehensvergabe auszugehen sei, können nicht vom BFH nachgeholt werden, so dass eine Zurückverweisung an das FG notwendig sei. 

Aus den Ausführungen des BFH lassen sich folgende Schritte zusammenfassen, die vom FG zu berücksichtigen sind: 

1. Zunächst ist zu prüfen, ob das Verrechnungskonto ein betrieblich veranlasstes und damit steuerrechtlich anzuerkennendes Darlehen darstellt oder ob die Mittelüberlassung im Rahmen des Verrechnungskontos nicht eher einer Einlage gleichsteht. Hierbei sei im Rahmen einer Gesamtabwägung festzustellen, ob die Gesellschaften von einer Kapitalüberlassung auf Zeit und damit insbesondere von der Rückzahlung des Kreditkapitals ausgegangen sind und bei objektiver Würdigung davon ausgehen konnten. Zu berücksichtigen sind hier die sonstigen Umstände des Vertragsabschlusses, wie z. B. 

  • die berechtigten Ertragserwartungen des Kreditnehmers, 
  • der Einfluss des Kreditgebers auf dessen Geschäftstätigkeit und 
  • die grundsätzliche Bereitschaft, die kreditnehmende Gesellschaft im Geschäftsverkehr nach außen zu stützen (vgl. Rn. 28). 

Der möglicherweise fremdunübliche Verzicht auf eine Besicherung der Darlehensansprüche bleibt in diesem Schritt außer Acht. 

2. Falls es sich um ein steuerrechtlich anzuerkennendes Darlehen handelt, muss das FG in einem zweiten Schritt ermitteln, ob ein Markt existiert, auf dem fremde Dritte unbesicherte Darlehen an Gesellschaften mit gleicher Ertragssituation wie die der B N.V. vergeben würden. 

3. Kann auch diese Frage bejaht werden, muss schließlich untersucht werden, ob ein ausreichender Zinszuschlag zur Ausfallrisikokompensierung aufgrund der Nichtbesicherung vereinbart wurde. Eine Korrektur des Zinssatzes ist vorrangig zu einer Korrektur der Teilwertabschreibung durchzuführen, denn schließlich existiert ein entsprechender Markt, anhand dessen die Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes möglich ist. 

Damit kommt eine außerbilanzielle Hinzurechnung einer Teilwertabschreibung nach § 1 AStG nur dann in Betracht, wenn kein Markt ermittelt werden kann, auf dem unbesicherte Darlehen im konkreten Sachverhalt vergeben werden würden. 

Der BFH geht nicht darauf ein, wie ein solcher Markt zu bestimmen ist, weist aber darauf hin, dass mögliche externe Darlehen an die Konzernmutter (hier: an die Organträgerin) trotzdem eine Analyse erfordern, ob das Darlehen an die Tochtergesellschaft fremdüblich ist (vgl. Schritt 2). Auch könne die Höhe eines externen Zinssatzes an die Konzernmutter nur bedingt Aufschluss darüber geben, ob die fehlende Besicherung ausreichend im Zinssatz berücksichtigt worden ist (vgl. Schritt 3). 

Angesichts der offenen Fragen und der daraus resultierenden Ungewissheit, ob § 1 AStG in dieser Sache überhaupt zur Anwendung kommen kann, sieht der BFH von einer Prüfung des Unionsrechts sowie von einer möglichen Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ab. 

Fazit und Ausblick

Der BFH bestätigt im Urteilstenor vorhergehende Entscheidungen, gibt aber auch dem FG Kriterien an die Hand, die von der Tatsacheninstanz zu berücksichtigen sind. Leider geht der BFH in der Urteilsbegründung nicht näher darauf ein, wie ein Markt für unbesicherte Darlehen zu bestimmen sei.

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