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Rebekka Berbner
Partnerin im Bereich Capital Projects, Infrastructure & Real Estate bei PwC Deutschland
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Die deutsche Bauindustrie steht unter hohem Kosten- und Innovationsdruck. Trotzdem kommt die Digitalisierung in der Branche nicht voran: Die Unternehmen erkennen zwar das große Potenzial digitaler Technologien, schätzen die eigenen digitalen Fähigkeiten aber als gering ein. In einigen Technologiefeldern nehmen ihre Kompetenzen nach eigener Einschätzung sogar ab. Ein wichtiger Grund dafür ist der Fachkräftemangel. Die Branchenvertreter sehen aber auch die Politik am Zug: Die große Mehrheit fordert weniger Bürokratie und den Ausbau der digitalen Infrastruktur.
In Sachen Nachhaltigkeit geht es immerhin langsam voran: Mittlerweile haben drei von vier Bauunternehmen standardisierte ESG-Prozesse aufgesetzt. Hemmschuh bei der vollständigen Umsetzung von Nachhaltigkeitsregularien sind jedoch unklare politische Vorgaben und Wissenslücken in den eigenen Reihen.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine Befragung im Auftrag von PwC Deutschland unter 100 Bauunternehmen und Planungsbüros.
„Nach dem Teil-Kollaps der Lieferketten und dem Zinsschock folgen nun die Auswirkungen der schwachen konjunkturellen Entwicklung. Die Bauindustrie muss die Zügel selbst in die Hand nehmen und entschlossen in ihre digitale und nachhaltige Transformation investieren.“
Das hohe Baupreisniveau, schleppende Baugenehmigungen, weltpolitische Unsicherheiten, Ressourcenengpässe und die Klimakrise belasten die Geschäftsaktivitäten der Bauunternehmen: Fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) berichtet, dass sie die aktuellen Rahmenbedingungen stark oder sehr stark betreffen. Den zunehmenden Kostendruck spüren 85 Prozent der Unternehmen, während 81 Prozent mit Fachkräftemangel und Instabilität in der Planung durch den Wegfall von Projekten konfrontiert sind.
Insgesamt 69 Prozent der Unternehmen müssen mit Umsatzeinbußen und Projektverschiebungen leben (Vorjahr: 63 Prozent). Verbessert hat sich für viele die Lieferkettenproblematik: In der aktuellen Umfrage konstatierten 48 Prozent der Befragten Verzögerungen bei Materiallieferungen. 2021/2022 waren es noch 90 Prozent.
Vor diesem Hintergrund steigt der Druck, neue Geschäftsfelder zu erschließen und die Unternehmensorganisation anzupassen. 70 Prozent erwarten, dass sich durch die Krisen und Umbrüche neue Geschäftsfelder entwickeln; 60 Prozent rechnen gar mit einer Neuausrichtung ihres Geschäfts. Der Druck ist so hoch, dass rund die Hälfte Umstrukturierungen in ihrer Organisation angeht.
Bauunternehmen und Planer wissen, wie wichtig digitale Technologien für ihre Zukunftsfähigkeit sind. Dennoch geht die Schere zwischen den theoretischen Möglichkeiten der Digitalisierung und den eigenen Fähigkeiten seit Jahren weiter auf. Dabei lässt sich beobachten, dass die Lücke zwischen Potenzialen und Fähigkeiten umso größer ist, je neuer die jeweilige Technologie im Markt ist.
Besonders deutlich zeigt sich das Auseinanderdriften von Potenzialen und Fähigkeiten bei IoT-Lösungen auf der Baustelle: 62 Prozent attestieren dieser Technologie große Chancen, aber nur zehn Prozent bringen starke Fähigkeiten in diesem Bereich mit. Aber auch bei Technologien zur Visualisierung und Simulation sowie bei KI-basierten Technologien klafft eine große Lücke zwischen dem Potenzial und den eigenen Fähigkeiten. Auch bei BIM (Building Information Modeling) gibt es wenig Fortschritte. In den vergangenen Jahren hat diese Technologie weder eine Steigerung in ihrem Mehrwert erfahren, noch konnten die Unternehmen ihre Kompetenzen ausbauen.
Die größte Hürde für die Nutzung digitaler Lösungen ist nach Ansicht der Branchenvertreter der Fachkräftemangel: 82 Prozent der Unternehmen bezeichnen das fehlende fachliche Know-how als Hauptproblem bei der Umsetzung der Digitalisierung.
Ein weiterer Grund, wieso es in diesem Bereich nicht vorangeht: In Vergabeverfahren werden digitale Lösungen noch viel zu selten nachgefragt. Die Studie zeigt deutlich, dass Bauherren wenig Interesse daran zeigen, Bauvorhaben digital abzuwickeln. Die Nachfrage nach digitalen Lösungen in Vergaben nimmt seit dem Jahr 2021 sogar ab: Nur rund ein Sechstel der Befragten berichtet von einer starken Nachfrage nach digitalen Lösungen in Vergabeprozessen. 2021 waren es noch 32 Prozent.
„Die Baubranche agiert zu träge und nutzt ihre Möglichkeiten nicht. Das verhindert die dringende Steigerung der Produktivität.“
Immerhin belegt die Studie, dass es in Sachen ESG in kleinen Schritten vorangeht: So haben drei von vier Unternehmen mittlerweile standardisierte ESG-Prozesse aufgesetzt.
Während im vergangenen Jahr rund 44 Prozent berichteten, durch Externe (z. B. Regulator, Kunde) vorgegebene Ziele definiert zu haben, sind es in diesem Jahr bereits 64 Prozent. Dennoch gibt es bei der Formulierung von ESG-Zielen noch Verbesserungspotenzial: Nur ein Viertel bezieht die Erfüllung von ESG-Vorgaben in die Vergütung ihrer Mitarbeitenden ein.
Größtes Hemmnis bei der vollständigen Umsetzung von Nachhaltigkeitsregularien sind jedoch unklare politische Vorgaben und Wissenslücken in den eigenen Reihen. Es braucht klare politische Ziele und mehr Verlässlichkeit in der Gesetzgebung, so die Befragten.
Denn ob und wie schnell die ESG-Vorgaben in der Branche umgesetzt werden, hängt stark von externen Einflussfaktoren ab. Haupttreiber sind gesetzliche Vorgaben und die Anforderungen von Auftraggebern und Kunden. 70 bzw. 50 Prozent der Befragten nennen diese beiden Punkte als wichtigste Treiber.
Nur 4 von 10 Befragten sind der Meinung, dass die Notwendigkeit zur Reduktion von Emissionen die nachhaltige Entwicklung vorantreibt – obwohl die Bauindustrie einer der größten CO₂-Emittenten ist. Die Chance auf Kosteneinsparungen sieht lediglich ein Drittel als Treiber. Weniger als jede:r Fünfte denkt, dass nachhaltiges Handeln dazu beiträgt, Mitarbeitende an das Unternehmen zu binden und Investoren zu überzeugen.
Die Liste der Probleme, die den Bauunternehmen Bauchschmerzen bereiten, ist lang: 85 Prozent der Befragten beklagen den zunehmenden Kostendruck. 81 Prozent macht der Fachkräftemangel zu schaffen – ein konstantes Problem und ein Ergebnis, dass auch die vergangenen Befragungen bereits hervorgebracht haben. Ebenso viele berichten, dass Projekte verschoben werden oder komplett wegbrechen. Die Volatilität der Preise belastet zwei Drittel der Befragten; die steigenden Zinsen und Umsatzeinbrüche stellen für über die Hälfte ein Problem dar.
Die Unternehmen haben erkannt, dass digitale Technologien dazu beitragen können, Kosten zu senken und Prozesse zu beschleunigen. Das größte Potenzial attestieren die Befragten der Simulation und Visualisierung. 82 Prozent sehen hier große Chancen. Cloud-Technologien und Plattformen halten 81 Prozent für wichtig. Auf Rang 3 und 4 folgen Laserscanning und Echtzeit-Reporting mit 70 bzw. 68 Prozent. KI-basierten Technologien gehört laut Aussage von 66 Prozent die Zukunft. BIM auf der Baustelle halten nur noch knapp zwei Drittel der Befragten für sehr wichtig.
Um der Digitalisierung endlich zum Durchbruch zu verhelfen, müssen bürokratische Hürden abgebaut und die digitale Infrastruktur ausgebaut werden. Die Branchenvertreter sehen hier die Politik am Zug: So fordern jeweils neun von zehn Befragten den Abbau bürokratischer und regulatorischer Hürden sowie den Ausbau der digitalen Infrastruktur, um die Digitalisierung voranzutreiben. 83 Prozent sprechen sich für standardisierte Vertragsbedingungen aus; 76 Prozent wollen größere Anreize seitens der Auftraggeber für eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit.
Das Einbeziehen von ESG-Vorgaben in die Vergütung ist ein zentrales Instrument, um Nachhaltigkeit fest in den Organisationen zu verankern. Die große Mehrheit der Unternehmen in der Bauindustrie (76 Prozent) hat allerdings noch keinen monetären Anreiz für die Mitarbeitenden implementiert, um Nachhaltigkeitsthemen voranzutreiben. Hier sollten die Unternehmen zügig nachbessern, denn dieser Aspekt wird in Zukunft wichtiger und kann zum Wettbewerbsvorteil werden.
Für die Mehrheit der Befragten ist die Umsetzung der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CRSD) deshalb so herausfordernd, weil die politischen Vorgaben fehlen oder zu spät formuliert wurden. Das sagen fast zwei von drei Befragten. Darüber hinaus nennen 60 Prozent mangelnde Erfahrung mit nicht-finanziellen Reportings als Stolperstein.
„Für die Unternehmen ist die Entwicklung rund um die CSRD-Richtlinie fatal. Denn für viele von ihnen wird die Einführung dieses Reportings dennoch irgendwann verpflichtend. Die nicht oder zu spät umgesetzten politischen Vorgaben erhöhen die Unsicherheit und vermindern die Akzeptanz.“
Dr. Martin Nicklis,Director im Bereich Wirtschaftsprüfung bei PwC DeutschlandHerausforderungen der deutschen Bauindustrie 20245
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Für die Studie wurden im November und Dezember 2024 im Auftrag von PwC Deutschland 100 Bauunternehmen, Planer und Projektsteuerer befragt.
Rebekka Berbner
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Christian Elsholz
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