25 Oktober, 2018
Von Jens Weber. Der Markt für Videospiele setzt sich zu einem großen Teil aus dem klassischen Spielemarkt zusammen, der die Umsätze durch den Verkauf von Videospielen für PCs, stationäre und tragbare Konsolen sowie für Smartphones und Tablets umfasst. Die Erlöse aus Onlineabonnements und kostenpflichtigen digitalen Gütern im Rahmen von Mikrotransaktionen sowie die durch Werbung erwirtschafteten Umsätze bilden den restlichen Markt ab. Sämtliche Erlöse aus dem Vertrieb von Hardware und aus dem noch jungen Segment der Hybrid Toys bleiben in dieser Marktübersicht unberücksichtigt.
Mehr als 40 Prozent aller Deutschen spielen Computer- und Videospiele, so der Verband der deutschen Games-Branche game. Von den 34,1 Millionen Menschen, die 2017 in Deutschland spielten, liegt der Frauenanteil mit 47,5 Prozent nur knapp unter dem Anteil der Männer.
Ein weiterer interessanter Trend: Der größte Zuwachs an Spielern kommt aus der Altersgruppe der über 50-Jährigen, die auch insgesamt die höchste Anzahl an Nutzern stellt.
Insgesamt verzeichnet die Gaming-Branche stabile Wachstumsraten und Umsätze. Die Umsätze erreichten 2017 insgesamt 4,5 Milliarden Euro. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Zuwachs von 11,4 Prozent. Der Gesamtumsatz ist in unseren Prognosen deutlich höher als im Vorjahr, da in der Umsatzquelle Advertising neue und genauere Daten erfasst wurden.
Wie bereits im letzten Jahr erbrachte abermals der Bereich der Social/Casual Games innerhalb der Branche die größten Umsätze. Die Einnahmen aus browserbasierten Spielen waren auch 2017, wie schon in früheren Jahren, leicht rückläufig und erreichten Umsätze von 19 Millionen Euro. Die App-basierten Spiele hingegen generierten 2017 Umsätze von 2,2 Milliarden Euro, mit einem Wachstum von 15,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der App-Umsatz aus Casual Games ergibt sich hauptsächlich aus den zahlreichen In-Game-Käufen der oftmals gratis herunterladbaren Spiele (Freemium-Modell).
Das Segment der Konsolenspiele verbuchte 2017 leichte Zugewinne. Insgesamt lag der Umsatz bei 1,04 Milliarden Euro und wuchs damit im Vergleich zum Vorjahr um 3,7 Prozent. Bei den Spieleverkäufen erzielte der physische Verkauf mit 614 Millionen Euro den größten Umsatz, wenn dieser auch, wie in den letzten Jahren, gesunken ist. Im Vergleich dazu stieg der Umsatz aus digitalen Spielverkäufen um 11,6 Prozent und erreichte 298 Millionen Euro. Weitere 129 Millionen Euro wurden mit Mikrotransaktionen erwirtschaftet. Diese Onlinekäufe weisen mit 19,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr das größte Wachstum im Segment der Konsolenspiele auf.
Der Trend, Spiele digital zu kaufen, hat sich in den letzten Jahren etabliert und steigt weiter an. Heutzutage wird etwa jedes vierte Spiel digital erworben und heruntergeladen.
Wir beobachten, dass sich im Kaufverhalten der Konsumenten der Trend weg von physischen und hin zu digitalen Käufen fortsetzt und die Umsätze somit hauptsächlich im digitalen Bereich entstehen. Innerhalb des Segments der Konsolenspiele haben die Mikrotransaktionen erst in den letzten Jahren eine so hohe Bedeutung erlangt.
Im Markt für PC-Spiele zeigen sich ähnliche Entwicklungen: Auch hier sind die Einnahmen aus dem Vertrieb physischer Spiele rückläufig und erreichten 2017 eine Höhe von 174 Millionen Euro, was einem Rückgang von 3,2 Prozent entspricht. Der Verkauf digitaler Spiele erzielte 112 Millionen Euro. Anders als bei den Konsolen machten im PC-Bereich die Mikrotransaktionen den größten Umsatzanteil aus. Dieser lag bei 367 Millionen Euro und wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 7,2 Prozent. Somit betrug 2017 der durch PC-Spiele erwirtschaftete Gesamtumsatz 654 Millionen Euro.
Im vierten analysierten Segment betrachten wir den Umsatz, der 2017 mit Werbung erzielt wurde. Im Unterschied zu den Vorjahren liegen nun genauere Zahlen vor, da auch Einnahmen erfasst werden konnten, die beispielsweise durch Banner in mobilen Spielen generiert werden. Insgesamt generierte Werbung im Jahr 2017 einen Umsatz von 640 Millionen Euro.
Im folgenden Abschnitt werden einige Trends und Entwicklungsfaktoren des Videospielmarktes erläutert, die voraussichtlich in nächster Zeit verstärkt Einfluss auf die Branche ausüben werden. Hierbei werden sowohl internationale als auch nationale Entwicklungen beleuchtet, die Einfluss auf die deutsche Videospielbranche nehmen.
Eine bedeutende und aktuelle Entwicklung in der Gaming-Branche ist die Nutzung von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). Auch wenn der Hype um das AR-Spiel Pokémon Go abgeklungen ist, erfreut sich das Spiel noch immer einer großen und loyalen Fanbasis, die der Herausgeber Niantic durch Spielevents und Updates aktiv hält. Das neue Spiel Pokémon: Let’s Go, Pikachu! für die Nintendo Switch soll auch mit Pokémon Go kompatibel sein, was sicherlich wieder mehr Spieler auf die Straßen ziehen wird. Es bleibt abzuwarten, ob es noch weitere Spiele schaffen, an diesen bislang einzigartigen Erfolg anzuknüpfen.
Auch VR-Videospiele sind bei vielen Gamern beliebt. Zudem steigen große Herausgeber wie Ubisoft in diesen Markt ein und stellten auf der E3, einer der weltweit größten Gaming-Messen, Spiele wie Space Junkies vor, die das Potenzial zum Blockbuster haben. Auch in Deutschland werden VR-Titel entwickelt, die weltweit Erfolg haben. So ist das Frankfurter Entwicklerstudio Crytek schon früh mit VR-Titeln in den Markt eingestiegen. VR- und AR-Gaming wird sich zwar zunehmend im Mainstream etablieren, jedoch werden diese Spiele nicht die herkömmlichen Spiele verdrängen. Vielmehr stellen sie innerhalb des Videospielsegments eine zusätzliche Einnahmequelle dar, bleiben aber weiterhin ein sehr spezifisches Produkt. Mehr Informationen zu VR-Videospielen finden sich im Kapitel „Virtual Reality“.
Eine weitere spannende Entwicklung stellt der Trend weg von Spielen für Einzelspieler und hin zu Mehrspielerspielen dar. Viele Multiplayer- oder Mehrspieler-Onlinespiele verzeichneten in den letzten Jahren enorme Erfolge. Spiele wie Overwatch oder PlayerUnknown’s Battlegrounds und Fortnite scheinen im direkten Abverkauf und aufgrund von Cross-Selling-Potenzialen etwa durch den eSport lukrativer zu sein als viele Solospiele und feiern größere Erfolge. Zudem stellen große Publisher wie EA die Produktion diverser Einzelspielertitel ein und konzentrieren sich auf den Mehrspielermarkt. Eine derartige Verschiebung des Fokus bei einem so großen Wettbewerber kann für kleinere Entwicklerstudios, auch aus Deutschland, eine Chance sein. Dieser Trend hängt mit den verschiedenen Verkaufsmodellen von Single- und Multiplayer-Spielen zusammen. Das Entwickeln hochwertiger Soloabenteuer ist sehr aufwendig und teuer. Zwar gelingt es, durch den Verkauf von downloadable Content – einer Erweiterung des eigentlichen Spiels – die Spieler nochmals zu binden, doch gilt dies nur für den begrenzten Zeitraum, bevor das Spiel erneut zu Ende gespielt ist. In Multiplayer-Spielen hingegen werden die Spieler durch einfach zu implementierende Mikrotransaktionen über eine längere Zeitspanne hinweg an das Spiel gebunden, wodurch diese Spiele attraktiver erscheinen.
Personalisierte Werbung in Spielen soll die Spieler individuell ansprechen, sie kann jedoch teilweise gegen die seit Ende Mai 2018 geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen. Mit diesem Thema haben vor allem kleinere Spieleentwickler und Entwickler von Independent Games zu kämpfen. Datenschutzkonformität ist für die Entwickler nur mit viel Aufwand und Kosten zu erreichen. Bei Verstößen drohen hohe Strafzahlungen. Diese Kosten können die kleineren Entwicklerstudios nicht aufbringen, was bisweilen zu einem erzwungenen Entwicklungsstopp für Onlinespiele führt. Die großen Massen-Onlinegemeinschaftsspiele sind von diesen Änderungen zwar auch betroffen, hier ist allerdings meist die nötige Kapazität und das Kapital vorhanden, um sich an die DSGVO-Anforderungen anzupassen. Allerdings schaltet nun etwa auch das Onlinerollenspiel Ragnarok Online, mit weltweit mehr als 40 Millionen Spielern, alle Server in Europa ab und bleibt nur für Nicht-EU-Bürger auf den internationalen Servern bestehen.
Die Zukunft des Marktes für Videospiele in Deutschland schätzen wir als dynamisch und positiv ein. Für den Gesamtmarkt prognostizieren wir von 2018 bis 2022 ein durchschnittliches Wachstum von 6,4 Prozent jährlich. Demnach wird der Markt 2022 einen Umsatz von 6,2 Milliarden Euro erreichen. Ab 2018 lässt sich aufgrund rückläufiger Wachstumsraten allmähliche eine Marktsättigung erkennen.
Im gesamten Konsumentenbereich, der Einnahmen aus den Bereichen Konsole, PC und Social Games umfasst, stellen wir bei den traditionellen Verkaufs- und Erwerbsquellen einen Rückgang fest. Die Umsätze aus dem Verkauf physischer Spiele und Browsergames sinken, das Wachstum findet in den digitalen Geschäften und der Werbung statt.
Umsatzentwicklung des Videospielmarktes
Am stärksten macht sich diese Entwicklung bei den Casual Games bemerkbar. Für diesen Bereich prognostizieren wir von 2018 bis 2022 einen durchschnittlich jährlichen Umsatzrückgang bei den Browser-Games von 9,5 Prozent auf 12 Millionen Euro. Jedoch überzeugen die Einnahmen aus Apps mit stabilen Wachstumsraten von jährlich durchschnittlich 7,2 Prozent bis 2022. Die App-basierten Spiele bilden somit weiterhin die größte Einnahmequelle; 2022 werden hier erstmals Erlöse von über 3 Milliarden Euro erzielt. Dies hängt auch damit zusammen, dass die durchschnittliche Handynutzungsdauer steigt. Die hohen Umsätze bleiben nicht unbemerkt, und ein starker Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Entwicklern wird durch die niedrigen Einstiegsbarrieren zunehmend erschwert.
Umsatzentwicklung von Social/Casual Games
Vergleichbare Wachstumsraten finden sich auch im Markt für PC-Spiele. Hier liegt das durchschnittliche Wachstum von 2018 bis 2022 im Gesamtmarkt bei nur 4,4 Prozent, da der Verkauf physischer Spiele durchschnittlich um 7,6 Prozent sinkt. Die Einnahmen aus Mikrotransaktionen steigen allerdings um 7,3 Prozent, ebenso wie die Einnahmen aus dem digitalen Vertrieb von Spielen, wo die Steigerung 8,7 Prozent beträgt. Für 2022 erwarten wir einen Gesamtumsatz von rund 811 Millionen Euro.
Umsatzentwicklung für PC-Spiele
Der Konsolenmarkt entwickelt sich in vielen Bereichen analog zum PC-Markt. Auch erwarten wir von 2018 bis 2022 weitere Rückgänge im Verkauf physischer Spiele. Diese fallen allerdings mit durchschnittlich 3,5 Prozent geringer aus als im PC-Bereich. Dies mag einerseits an dem anderen Nutzerverhalten liegen, da für die Konsolen insgesamt noch deutlich mehr Spiele physisch gekauft werden. Andererseits gibt es im PC-Markt verschiedene digitale Kaufportale für die Spiele und somit mehr Konkurrenz unter den Händlern. Bis 2022 erwarten wir deshalb einen Umsatz mit physischen Spielen in Höhe von 515 Millionen Euro. Der Verkauf digitaler Spiele auf der Konsole erreicht mit einer Steigerung um 12,3 Prozent auf 534 Millionen Euro Umsatz 2022 von allen betrachteten Kategorien das größte durchschnittlich jährliche Wachstum im Prognosezeitraum. Diese Entwicklung geht auch mit einer Verlagerung der Titelkäufe hin zu Abonnementmodellen einher. Die Umsätze aus Mikrotransaktionen zeigen von 2018 bis 2022 mit durchschnittlich 11,7 Prozent ebenfalls zweistellige Wachstumsraten. Im Gesamtmarkt für Konsolen prognostizieren wir ein durchschnittliches jährlich Wachstum von 4,1 Prozent und einen Umsatz von 1,27 Milliarden Euro im Jahr 2022.
Umsatzentwicklung für Konsolenspiele
Die detaillierten Zahlen des German Entertainment & Media Outlook 2018 - 2022 finden Sie hier.