„Die Richtlinie zum rechtssicheren Scannen ist wenig praxistauglich“

14 September, 2015

Sie soll der E-Akte zum Durchbruch verhelfen: Die Technische Richtlinie zum rechtssicheren Scannen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) will Verwaltungen Hilfen an die Hand geben, wie sie ihre Dokumente ordnungsgemäß digitalisieren und das Original auf Papier damit endgültig überflüssig wird. Inwieweit das gelungen ist, zeigt ein Positionspapier, das PwC zusammen mit der Organisations- und Technologieberatung Zöller & Partner erarbeitet hat.

Im Gespräch mit dem PwC-Experten und Studienautor Dr. Wolfgang Zink.

TR RESISCAN? Was genau verbirgt sich hinter dieser Abkürzung?

Dr. Wolfgang Zink: Die BSI TR 03138 oder kurz TR RESISCAN ist eine Technische Richtlinie zum rechtssicheren Scannen, die das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) herausgegeben hat. Auf mehr als 160 Seiten wird erläutert, wie Dokumente so eingescannt werden, dass sie rechtsgültig sind und die Papier-Originale vernichtet werden können. Dieses rechtssichere Scannen ist eine zentrale Voraussetzung für die Digitalisierung der Verwaltung. Schließlich soll die E-Akte laut dem E-Government-Gesetz (EGovG) bis 2020 auf Bundesebene Standard sein.

Warum hat sich das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik dieses Themas angenommen?

Zink: Da besteht Handlungsbedarf: Das EGovG schreibt zwar eine ordnungsgemäße elektronische Aktenführung vor, lässt aber offen, wie das im Detail auszusehen hat. Das führt in Behörden zu einer großen Unsicherheit, ob und wann die Papierdokumente endgültig vernichtet werden dürfen. Jeder muss für sich selbst einen Weg finden. Das Ergebnis ist oft eine „Hybrid-Aktenführung“, Verwaltungen arbeiten zweigleisig: digital und auf Papier. Unterm Strich bringt die Digitalisierung dann aber nicht die gewünschten Entlastung – im Gegenteil. In mehr als 80 Prozent der Verwaltungen, die die E-Akte bereits einsetzen, ist die Papierakte dennoch am wichtigsten, das heißt die führende Akte. Das ist fatal. Deswegen setzt die BSI-Richtlinie genau am richtigen Punkt an. Sie versucht, praxistaugliche Standards vorzugeben, mit denen Verwaltungen im Alltag rechtssicher arbeiten können.

Wird die Technische Richtlinie diesem Anspruch gerecht?

Zink: Leider nein. Nach unserer Einschätzung ist diese Richtlinie wenig praxistauglich. Aufwand und Nutzen stehen oft in keinem Verhältnis zueinander. Ein Beispiel ist die vorgeschriebene Schutzbedarfsanalyse: Anwender sollen zunächst jede Dokumentenart einer von vier Datenkategorien zuordnen und auf neun Sicherheitsziele hin bewerten, um sie am Ende einer bestimmten Schutzklasse zuzuordnen. Erst daraus ergibt sich, wie mit einzelnen Dokumenten umzugehen ist.

Das klingt nach einem enormen Aufwand. Gilt das auch für die technischen Voraussetzungen?

Zink: Die technischen Voraussetzungen sind ebenfalls sehr hoch. So wird bei besonders schützenswerten Akten ein Signaturverfahren verlangt, das teuer und komplex ist. Die zum Scannen verwendeten Geräte müssen technische Voraussetzungen erfüllen, die längst nicht alle Faxe, Scan-Stationen und Multifunktionsgeräte haben. Wir befürchten, dass diese Richtlinie Anwender überfordert und insgesamt abschreckend wirkt. Statt die Einführung der E-Akte zu beschleunigen, könnte sich die Richtlinie in ihrer derzeitigen Form eher als Hemmschuh erweisen.

Sie haben sich mit der TR RESISCAN eigens in einem Positionspapier auseinandergesetzt – aus welchem Grund?

Zink: Bisher ist diese Richtlinie nur als Leitfaden zu verstehen. Doch es zeichnet sich ab, dass sie in Zukunft verbindlich vorgeschrieben wird. Vor diesem Hintergrund wollten wir frühzeitig auf Schwachstellen aufmerksam machen und Ansatzpunkte zur Verbesserung nennen. Aus unserer Sicht muss die TR 03138 dringend von Grund auf überarbeitet und verschlankt werden. Was inhaltlich noch völlig fehlt, sind Fragen, die mit dem Dokumentenlebenszyklus insgesamt zu tun haben. Wer hat Zugriff auf die Daten, wie werden sie aufbewahrt? Im Grunde müsste es um ein Gesamtkonzept zur Ordnungsmäßigkeit elektronischer Aktenführung gehen. Dann hätte diese Richtlinie durchaus das Potenzial, das Projekt E-Akte entscheidend voranzubringen. Wir hoffen also auf eine neue und überarbeitete Version!

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Dr. Wolfgang Zink

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