16 August, 2018
Herr Walleyo, derzeit bauen viele Konzerne ihr Unternehmen in eine Holding um. Was steckt hinter diesem Trend?
Gewachsene Unternehmen sind oft aufgrund ihrer Größe und Struktur zu unflexibel, um schnell auf Marktveränderungen reagieren zu können. Und gerade bei Transaktionen wie Fusionen, Unternehmenskäufen, Outsourcing/Insourcing, Spin-offs oder Carve-outs sind Schnelligkeit und Effizienz unabdingbar. Hinzu kommt, dass es bei vielen Konzernen mit unterschiedlichen Geschäftsbereichen zu einem sogenannten Konglomerat-Rabatt kommen kann, also einem Abschlag auf die Gesamtbewertung des Unternehmens. Holdingstrukturen können hier helfen, einzelne Geschäftsbereiche in eine größere Selbständigkeit zu entlassen – mit dem letztendlichen Ziel, Transaktionen, Finanzierungen oder IPOs schneller umsetzen zu können.
Welche weiteren Vorteile bietet eine Holdingstruktur?
Durch die Spezialisierung der Tochterunternehmen fällt die Konzentration auf das jeweilige Kerngeschäft deutlich leichter. Außerdem wird die unternehmerische Denkweise gefördert und es kann agiler auf notwendige Anpassungen reagiert werden – ich denke da etwa an den Vertrieb. Die Ausgliederung von bestimmten Bereichen in rechtlich unabhängige Einheiten kann auch ein Weg sein, um neue Investitionen am Kapitalmarkt zu generieren. Das wäre auf anderen Wegen deutlich schwieriger.
Groß ist aber nicht nur schlecht: Durch Konglomerate wie auch durch Fusionen und Zukäufe ergeben sich oft Synergieeffekte und Kostenvorteile, die sich positiv auf das Geschäftsergebnis auswirken.
Völlig richtig. Die Umstrukturierung in eine Holding ist immer auch mit immensen Umstellungs- und Projektkosten verbunden. Darüber hinaus sind auch Dissynergien, gerade in den Zentralbereichen wie Einkauf, Finanzen, Recht oder Personal wahrscheinlich. Diese gehen mit dem „Mehr“ an Selbständigkeit einher und müssen bewertet werden. Den Chancen eines solchen Projektes stehen also immer auch Risiken gegenüber. Der Nettoeffekt (also einmalige und laufende Mehrkosten einer solchen Transformation versus einer besseren, weil fokussierteren und agileren Performance der Einzelbereiche) kann häufig erst in einigen Jahren abschließend bewertet werden.
Wie kann PwC bei der Entscheidung und dann auch bei der Umsetzung unterstützen?
PwC hat alle Kompetenzen an Bord, ein derartiges Vorhaben zu untersuchen, zu planen und umzusetzen. Zunächst unterstützt Strategy& bei der Bewertung der Optionen und der Entscheidungsfindung. Dies ist die sehr wichtige strategische Komponente. Darauf folgen dann Aspekte der Umsetzung durch die Kompetenz der Berater bei PwC weltweit. Das schafft zu jeder Zeit eine multidisziplinäre Sichtweise auf Probleme und Komplexitäten sowie deren passgenaue Lösungen. Damit können Unternehmen sicher sein, dass die prognostizierten Mehrwerte sich auch im Geschäftsergebnis niederschlagen. Dabei kommt uns sowohl unsere Fach-, Prozess-, wie auch unsere jeweilige Branchenkenntnis bzw. Sektorenexpertise zu Gute.
Eine Holdingstruktur bietet den Vorteil, dass durch die Spezialisierung der Tochterunternehmen die Konzentration auf das jeweilige Kerngeschäft deutlich leichter fällt. Außerdem wird die unternehmerische Denkweise gefördert und es kann agiler auf notwendige Anpassungen reagiert werden – gerade auch was den Vertrieb betrifft.
Um Mehrwert zu schaffen interessieren sich große Unternehmen zunehmend auch für Zukäufe kleiner Start-up-Unternehmen. Kann das gut gehen?
Das ist immer häufiger einer der Hauptaspekte für diesen Trend zu mehr Freiheit einzelner Bereiche. Es ist in vielen Fällen jedoch nicht sinnvoll, einem Start-up eine Konzernkultur überzustülpen. Zum einen kann es äußerst schwierig sein, die betroffenen Mitarbeiter dafür zu begeistern. Zum anderen ist es ja kein Zufall, dass die Innovationen, für die sich der Konzern interessiert, in genau solch einer Start-up-Kultur entstanden sind. Warum also nicht einen gewissen Freiraum gewähren und vielleicht sogar bestimmte agile Arbeitsweisen des Start-ups umgekehrt auf die entsprechenden Bereiche im Konzern übertragen? Das ist einfacher in fokussierten Einheiten, die unabhängig von einer sehr mächtigen Zentrale sind.
Sie plädieren also grundsätzlich für mehr Eigenständigkeit der spezialisierten Bereiche?
Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Man muss die Kriterien in ihrer Gesamtheit betrachten: Heterogenität der einzelnen Geschäftsbereiche, mögliche Dissynergien, Wachstumsmöglichkeiten, Innovationsfähigkeit, Unternehmenskultur, Mitarbeiter, Kunden und, und, und. Dann gilt es, alles gegeneinander abzuwägen und eine sinnvolle individuelle Entscheidung zu treffen. Wie man nur gerade jetzt an den sich häufenden Beispielen wie Siemens, Continental oder Daimler sieht, gehen derartige Abwägungen immer mehr in die Richtung einer Holdingstruktur mit selbständigeren Einheiten.
Sie arbeiten seit vielen Jahren in verantwortlicher Position im Bereich Transaktionen. Welche Entwicklungen beobachten Sie?
Die globalen M&A-Aktivitäten haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Früher ist man teilweise etwas naiv an eine Transaktion herangegangen. Es zählte häufig nur das Zahlenwerk und der Kaufpreis, ganzheitliche Ansätze hatten es schwer. Hier hat definitiv eine realistischere Einschätzung operativer Herausforderungen bei Transaktionen und auch eine Professionalisierung stattgefunden. Auf Unternehmensseite stellt man inzwischen deutlich größere Budgets und Ressourcen zur Verfügung. Hinzu kommt, dass man in den entsprechenden Abteilungen den operativ unterstützenden Beratern offener gegenübertritt. Dadurch ist ein partnerschaftliches, gemeinsames Arbeiten möglich und die Erfolgschancen steigen erheblich.
Und was bringt die Zukunft?
Die Umsetzungskomplexität von Transaktionen wird zunehmen. Auch deshalb ist PwC mit seinem multifunktionalen Ansatz und seiner Internationalität bestens aufgestellt – hinzu kommt die Erfahrung aus mehr als zahlreichen Transaktionen und Beratungsprojekten.
Alle Akteure müssen und werden agiler werden. Die Digitalisierung sowie neue Geschäftsmodelle sind Treiber und gleichzeitig Bedrohung für jahrzehntelang erfolgreiche Geschäftsmodelle. Insofern werden Überlegungen zu neuen Konzernstrukturen, die dem Rechnung tragen sollen, eine noch wichtigere Rolle spielen.
Egal, ob es sich um ein Integrations-, ein Carveout-Projekt oder die Umwandlung in eine Holdingstruktur handelt: Am Anfang muss eine Vision mit klarer Zieldefinition stehen, an der sich das Management, die Mitarbeiter und die externen Stakeholder orientieren können. Wer sich schon vor der operativen und rechtlichen Transformation auf die strategische Zielsetzung und die geplante Wertsteigerung verständigt, kann sich im Prozess auf die Prioritäten konzentrieren.
Die Komplexität einer Transformation darf keinesfalls unterschätzt werden. Deshalb müssen ein ausreichendes Budget und entsprechende Ressourcen bereitgestellt und im Rahmen einer Projektorganisation organisiert werden, die sich um die Erreichung definierter kritischer Meilensteine und die Vermeidung möglicher operativer Geschäftsunterbrechungen kümmert.
Aber auch die Geschwindigkeit der Transformation ist ein wichtiger Faktor: Je zügiger die Implementierung des angestrebten Geschäftsmodells abgeschlossen wird, umso schneller können das Unternehmen und seine Stakeholder von den positiven Effekten profitieren – und die Mitarbeiter können sich wieder auf ihr Tagesgeschäft konzentrieren.
Gerade bei der Transformation in neue Geschäftsformen und auch bei der Integration von dynamischen, innovativen Unternehmen muss darauf geachtet werden, dass die Innovationskraft, aber auch die Mitarbeiter und das Know-how erhalten bleiben. Dabei unterstützen die Erarbeitung eines Change-Management-Konzepts sowie aktive Kommunikation die definierten aufbau- und ablauforganisatorischen Ziele.
Samy Walleyo hat am 1. Juli 2018 im Deals-Team die Leitung des Bereichs „Delivering Deal Value (DDV)“ übernommen. Damit kehrt er zu seinen Wurzeln zurück: Bereits von 1997 bis 2000 hat er bei PwC gearbeitet. Danach war er 17 Jahre bei Ernst & Young. Während seiner 20 Jahre in der Beratung hat er unter anderem große internationale Integrations- und Carve-out-Projekte für DAX-Unternehmen und internationale Konzerne verantwortet.