Die Wärmewende braucht Planungssicherheit

PwC-Studie 2022: Planungssicherheit für die Wärmewende – die Wärmepumpe als wichtiger Erfolgsfaktor

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Dr. Volker Breisig
Partner bei PwC Deutschland
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Die Energie- erfordert die Wärmewende

Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes vom 24. Juni 2021 soll Deutschland bis zum Jahr 2045 statt bis 2050 klimaneutral werden. Beim Strom ist die Energiewende bereits in vollem Gange. Demgegenüber besteht bei der Wärmeerzeugung im Gebäudesektor noch erheblicher Nachholbedarf. Im Heizungsmarkt beruht der aktuelle Erzeugungsmix zu rund 80 Prozent auf fossilen Energieträgern.

Es überrascht daher kaum, dass der Gebäudesektor im Jahr 2020 – trotz reduzierender Effekte durch die Coronavirus-Pandemie – als einziger das vom Klimaschutzgesetz gesteckte Treibhausgas-Ziel (THG) nicht erreicht hat. Weil Planungen und Investitionen in diesem Sektor langfristig sind, sollten sie besonders schnell starten.

Die Autoren zeigen bereits in der Studie „Chancen und Risiken für die deutsche Heizungsindustrie im globalen Wettbewerb“ aus 2020 auf, warum eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland auch eine Wärmewende braucht – und welche politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen die Branche in Deutschland derzeit noch hemmen. In dieser Studie schlagen die Studienautoren zudem neun Maßnahmen vor, mit denen die Technologie stärker verbreitet werden könnte und mit denen die internationalen und deutschen Klimaziele schneller erreichbar wären.

Mit ihrem Koalitionsvertrag stellt die Bundesregierung neue Weichen für die Wärmewende. Im Zuge des Klimaschutzsofortprogramms will sie u. a. das Gebäudeenergiegesetz ändern. Ihm zufolge müssten ab dem Jahr 2025 neu installierte Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Und schon 2030 soll mindestens die Hälfte der benötigten Wärme klimaneutral erzeugt werden. Um dies zu erreichen, will die Bundesregierung vor allem Wärmenetze ausbauen und die flächendeckende kommunale Wärmeplanung stärken.

In der neuen Ausarbeitung der Studie von 2022 werden nun – aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen – die Auswirkungen der neuen und veränderten Rahmenbedingungen sowie der Bezug zu konkreten Geschäftsmodellen aufgezeigt.

Die Studie im Überblick

Wärmepumpen-Absatz steigt deutlich

Eines der wichtigsten Studienergebnisse: Das Einsatzpotenzial der Technologie ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Zwar stieg der Absatz von Wärmepumpen in Deutschland 2020 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 40 Prozent auf rund 120.000 Anlagen. Im Vergleich zu den rund 620.000 im selben Zeitraum abgesetzten Gaskesseln wird allerdings deutlich: Es handelt sich um ein (relativ hohes) Wachstum auf insgesamt noch niedrigem Niveau.

Aber die neuen Klimaziele dürften die Nachfrage nach deutlich THG-reduzierenden Wärmepumpen künftig deutlich nach oben treiben. Hierzulande könnten verschiedenen aktuellen Studien zufolge – darunter die dena-Leitstudie Integrierte Energiewende und Agora Klimaneutrales Deutschland – bis 2030 insgesamt 6 Millionen Wärmepumpen betrieben werden, gegenüber heute rund 1,1 Millionen Exemplaren. Der Grund: Die Technologie spielt beim Einbau neuer Heizungen eine immer größere Rolle, insbesondere bei Ein- und Zweifamilienhäusern. Eine typische Wärmepumpe hatte bereits beim Strommix 2019 zumeist rund 50 Prozent weniger Treibhausgas-Emissionen pro Kilowattstunde erzeugt als eine Erdgasheizung (Brennwertkessel).

Deutschland gehört zu Europas Schlusslichtern

Dass deutlich mehr Tempo beim Wärmepumpen-Ausbau möglich wäre, zeigt der europäische Vergleich: Schon im Jahr 2019 war die Wärmepumpen-Spitzenregion Skandinavien deutlich weiter als der deutsche Heizungsmarkt. Allein in Norwegen wurden der Wärmepumpen-Studie zufolge im Schnitt 47,8 Wärmepumpen pro 1000 Haushalte verkauft, in Dänemark waren es 25,4 und in Schweden 23,4 Exemplare.

Dagegen bewegte sich Deutschland mit nur 2,5 verkauften Wärmepumpen pro 1000 Haushalte (2020: 3,5) zusammen mit Großbritannien (1,2) weit unterhalb des europäischen Durchschnitts (21). Der Vergleich mit Skandinavien dürfte auch Bedenken ausräumen, Wärmepumpen nur für moderate Ansprüche an das Heizen einsetzen zu können.

Förderungen wirken

Zwar spiegelten sich die Anfang 2020 angepassten Investitionszuschüsse im Marktanreizprogramm zur Nutzung Erneuerbarer Energien im Wärmemarkt für Wärmepumpen prompt in der Anzahl der Installationen wider. Dies betraf aber in erster Linie Neubauten, auf die 2020 ca. 55 Prozent der insgesamt rund 145.000 Förderanträge entfielen, so die PwC-Studie weiter. Für Bestandsgebäude wurden etwa 65.000 Förderanträge für Wärmepumpen gestellt (etwa 45 Prozent der installierten Wärmepumpen). Im Bestand wurden bei mehr als der Hälfte dieser Förderanträge Ölkessel durch Wärmepumpen ausgetauscht.

Dies dürfte insbesondere daran liegen, dass der Austausch von ölbetriebenen Heizungen derzeit zusätzlich gefördert wird und Heizöl durch den höheren Emissionsfaktor stärker von der CO2-Bepreisung betroffen ist als Erdgas. Insbesondere beim Austausch von mit Gas betriebenen Heizungen kommt häufig ein neues Gassystem zum Einsatz. Grundsätzlich aber sehen Hausbesitzer:innen die Wärmepumpe zum Heizen in Bestandsgebäuden bereits als attraktive Alternative.

Betreiber:innen brauchen langfristige Sicherheit

Um den Wärmepumpen-Ausbau voranzutreiben, bedarf es einer höheren Planungssicherheit für potenzielle Wärmepumpen-Betreiber:innen. Zum einen bei der EEG-Umlage: Deren langfristige Entwicklung gilt für potenzielle Betreiber:innen als wichtiger Faktor, weil die Umlage aktuell mehr als ein Viertel ihrer verbrauchsabhängigen Kosten verursacht. Für die Jahre 2021 und 2022 ist die EEG-Umlage gesetzlich auf 6,5 Cent pro kWh bzw. 3,723 Cent pro kWh fixiert, die weitere Entwicklung war bislang ungewiss. Nun aber bringt der Koalitionsvertrag mehr Klarheit: Die neue Bundesregierung will die EEG-Umlage spätestens ab 2023 aus staatlichen Mitteln finanzieren. Dieser Preisbestandteil wird also voraussichtlich entfallen – das macht elektrisch betriebene Wärmelösungen wirtschaftlicher.

Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang aber nach wie vor ein ambitionierter CO2-Preispfad. Der CO2-Preis – als Grundlage der CO2-Komponente – steigt per Gesetz bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne. Ab 2026 wird der Zertifikatepreis durch Versteigerungen ermittelt. Für 2026 ist ein Preiskorridor von 55 Euro bis 65 Euro pro Tonne CO2 vorgegeben. Danach ist auch hier die Entwicklung bislang offen. Damit ist der Zeitraum, um die CO2-Preisentwicklung einzuschätzen, weiterhin zu kurz. Denn Investitionsentscheidungen reichen, je nach Lebensdauer der Heizung, bis zum Jahr 2035, teils sogar darüber hinaus.

Die in verschiedenen Studien aufgezeigten Pfade spannen einen weiten Bogen: Je nachdem, ob 2050 ein CO2-Preis von 180 Euro pro Tonne oder 400 Euro pro Tonne anzusetzen ist, ergibt sich ein deutlich unterschiedlicher Aufschlag auf fossile Brennstoffe und damit auf konventionelle Technologien für das Heizen (z. B. ein Aufschlag von rund 50 Prozent bis zu mehr als 100 Prozent auf den aktuellen Gaspreis). Auch hier stellen konkrete Pfade mehr Planungssicherheit für (potenzielle) Nutzer:innen und Marktteilnehmer:innen für die langfristige Investition in eine Heiztechnologie dar.

Chancen und Risiken für die deutsche Heizungsindustrie im globalen Wettbewerb

PwC-Studie 2020: Wärmepumpen für die Wärmeversorgung von Gebäuden haben großes Potenzial.

Download Studie (PDF, 1,6 MB)

Blick in die Praxis: Anwendungsmöglichkeiten

Ein verstärkter Wärmepumpen-Ausbau ist dringend geboten, um die erheblichen Klimaschutzdefizite im Gebäudesektor aufzuholen. Eine größere Sicherheit in puncto staatlicher Energiepreisbestandteile könnte helfen, den bislang schleppend verlaufenden Ausbau zu beschleunigen. Denn fest steht: Das Potenzial der Wärmepumpe als Wärmequelle für die Praxis ist groß – insbesondere für Gebäude, die auf eine damit einhergehende Stromversorgung aus Photovoltaikanlagen zurückgreifen können. Die folgenden vier Anwendungsfälle orientieren sich an der vorhandenen Gebäudestruktur in Deutschland.

Neue und modernisierte Einfamilienhäuser

In solche Gebäude werden größtenteils Luft-Wasser-Wärmepumpen eingebaut, die Mehrheit aller in Deutschland installierten Wärmepumpen. Sie nutzen die Wärme der Außenluft, erwärmen sie weiter und geben sie an ein wassergeführtes Heizsystem ab. Vorteile: Die Installation ist einfach und kostengünstig, insbesondere bei Gebäuden ab Baujahr 1979 müssen häufig nur Heizkörper in einzelnen Räumen ausgetauscht werden. 

Unsanierte Gebäude mit geringer Wärmedämmung

Hier ist der Technologiewechsel im Heizungskeller häufig aufwändiger und ist meist Bestandteil einer umfassenden Sanierung. Diese ist oftmals mit zusätzlicher Gebäudedämmung verbunden. Sanierung und Wärmepumpen-Einbau mit Blick auf Nachhaltigkeit vorzunehmen, erscheint sinnvoll, weil (in Altbauten) ohne effektive, moderne Dämmung viel Wärme durch Wände, Dach oder Fenster verloren geht. Dabei hängt der richtige Zeitpunkt für den Wechsel zur Wärmepumpe insbesondere von Alter und Zustand der installierten Heizung ab. In der Regel werden die meisten Heizkörper ausgetauscht werden müssen. Auch Hochtemperatur- oder Hybrid-Wärmepumpen können hier lohnende Alternativen sein.

Mehrfamilienhäuser und Gewerbeimmobilien

Für diese Anwendungsfälle sind häufig erdgekoppelte Wärmepumpen interessant. Sie machen die im Erdreich vorhandene Wärme nutzbar. Um solche Pumpen zu installieren, müssen Nutzer:innen Bohrungen oder Grabungen durchführen, erhalten dafür aber auch eine Wärmequelle mit höherem Temperaturniveau – und damit einen effizienteren Betrieb. Geringere Betriebskosten stehen also höheren einmaligen Investitionskosten gegenüber, was sich insbesondere für größere Gebäude lohnt. 

Wärmenetze

Wärmepumpen können auch in Wärmenetzen, die ganze Quartiere und Stadtteile mit Wärme versorgen, sinnvoll eingesetzt werden. Neben Außenluft und Erdreich lassen sich oft noch zusätzliche Wärmequellen nutzen, zum Beispiel gewerbliche oder industrielle Abwärme, Grundwasser, Abwasser sowie stehende oder fließende Gewässer. Besonders effizient arbeiten Wärmepumpen in Niedertemperatur- beziehungsweise kalten Nahwärmenetzen. 

Die Methodik

Erstellt hat die Studie die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag des Bundesverbands Wärmepumpe e. V. (BWP).

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