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Tomas Rederer
Head of Financial Services Management Consulting bei PwC Deutschland
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Deutlich gestiegene Bau- und Kaufpreise auf dem deutschen Immobilienmarkt und der kräftige Anstieg der Kreditzinsen seit Jahresbeginn haben das zuletzt starke Wachstum bei Baufinanzierungen zum Ende des Halbjahres 2022 ausgebremst. Erstmals seit acht Jahren stagniert das Wachstum des Kreditbestandes in der ersten Jahreshälfte 2022, im Juni fällt es unter Vorjahresniveau.
Das Neugeschäft, das zu Beginn des Jahres noch ein Rekordvolumen verzeichnet, flacht zur Jahresmitte ebenfalls ab. Für das dritte Quartal rechnen die Institute mit einem Einbruch der Nachfrage.
Wie die PwC-Studie „Naht das Ende des Baufi-Booms?“ ergab, wird das Baufinanzierungsgeschäft im ersten Halbjahr überschattet von makroökonomischen Unsicherheiten. Inflation und hohe Preise für Energie- und Rohstoffe treiben die Kauf- und Baupreise in die Höhe.
Angesichts der erhöhten Unsicherheiten legen die Banken und Sparkassen seit Jahresbeginn härtere Kreditmaßstäbe an, der Zinssatz nähert sich im ersten Halbjahr dem Niveau von drei Prozent an. Eine Stabilisierung des Zinsniveaus wird erst mittelfristig gesehen.
„Der Erwerb von Eigentum wird immer schwieriger. Viele Kreditnehmer zögern angesichts der hohen Kreditzinsen und Unsicherheiten am Markt. Viele Haushalte können die hohen Finanzierungskosten kaum noch stemmen.“
Das Neugeschäft der Banken und Sparkassen steigt im ersten Halbjahr 2022 auf 160 Mrd. Euro an – ein Plus von zehn Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Nachdem im März mit 32,3 Milliarden Euro noch ein neues Monatshoch erreicht wird, sinkt das Neugeschäft im Juni mit 23 Milliarden Euro unter den historischen Durchschnitt. Der Anteil der neu verhandelten Kredite (Prolongation) gegenüber den neu abgeschlossenen Krediten steigt erstmals seit 2015 auf 18 Prozent (2021: 15 %).
Im ersten Halbjahr übertrifft die Nachfrage nach Baufinanzierungen die Erwartungen der befragten Banken und Sparkassen deutlich. Für das dritte Quartal rechnen die Institute angesichts des eingetrübten Umfelds und der sich stärker auswirkenden Zinswende indes mit einem Nachfrageeinbruch. Viele Käufer zögern bei der Aussicht auf weiter steigende Lebenshaltungskosten sowie höhere Bau- und Immobilienpreise mit dem Erwerb von Wohneigentum.
Die steigenden Refinanzierungskosten am Kapitalmarkt belasten die Kreditmargen im ersten Halbjahr deutlich: Die Brutto-Marge nach Refinanzierungskosten sinkt im Schnitt auf 0,42 Prozent p.a.. Im Gesamtjahr 2021 gab sie bereits infolge der COVID-19-Pandemie auf 1,04 Prozent p.a. nach (2020: 1,18 %; 2019: 1,15 %).
Angesichts der hohen Unsicherheit an den Kapitalmärkten und den Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbanken (EZB) steigt die Effektivverzinsung im Neugeschäft bereits im ersten Halbjahr 2022 auf nahezu drei Prozent. Viele Institute geben die höheren Refinanzierungskosten in der ersten Jahreshälfte noch nicht vollständig an ihre Kunden weiter. Für das dritte Quartal wird ein weiterer Anstieg des Zinssatzes erwartet. Angesichts steigender Kreditrisiken dürften Banken und Sparkassen ihre Kreditlinien weiter verschärfen.
Im ersten Halbjahr 2022 steigt der Bestand an Baufinanzierungskrediten deutscher Banken und Sparkassen von 1,49 Bio. Euro im Vorjahr auf ein neues Allzeithoch von 1,53 Bio. Euro. Damit bleiben Baufinanzierungen die größte und am schnellsten wachsende Kreditkategorie für die deutschen Geldhäuser.
Im Halbjahresvergleich stagniert das Wachstum im Kreditbestand im ersten Halbjahr erstmalig seit acht Jahren bei ca. 45,6 Mrd. Euro. Auf Monatsbasis ist ein erster Rückgang der Wachstumsdynamik im Juni zu beobachten.
Von 2012 bis 2022 erhöhen die Genossenschaftsbanken ihre Marktanteile am Baufinanzierungsgeschäft um 3,7 Prozentpunkte auf 25,3 Prozent. Spitzenreiter bei nahezu stagnierenden Marktanteilen bleiben die Sparkassen (30,9 Prozent), gefolgt von den Privatbanken (26,5 Prozent). Die Hypothekenbanken halbieren ihre Marktanteile im Baufinanzierungsgeschäft auf 2,6 Prozent. 2012 waren es noch fünf Prozent.
Während die Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken ihre Kreditbestände im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 deutlich steigern, verbuchen die Bausparkassen erstmals einen Wachstumsrückgang.
„Das schwierige Umfeld erfordert von den deutschen Banken und Sparkassen, ihren Wachstumstreiber Baufinanzierung in allen Ertrags- und Kostenkomponenten neu zu bewerten. Ein Großteil der Institute reagiert bereits mit ersten Maßnahmen. Langfristig werden sich konsequentere Schritte in Pricing, Vertrieb, Digitalisierung und Risikomanagement nicht vermeiden lassen. Denn der Ausblick ist zunehmend kritisch.“
Für die PwC-Studie „Naht das Ende des Baufi-Booms?“ wurden Daten der Deutschen Bundesbank, des Statistischen Bundesamtes und der Plattform für Immobilienfinanzierungen, Europace, für den Zeitraum Januar bis Juni 2022 ausgewertet.
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