FinTechs nehmen Compliance ernst – und rechnen mit steigenden Anforderungen

PwC-Studie 2022: Compliance bei Fin- und InsurTechs

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Sven Meyer

Sven Meyer
Leiter FinTechs PwC Deutschland
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Die mit Compliance verbundenen Vor- und Nachteile halten sich die Waage

Um sich im stark regulierten deutschen Finanzmarkt zu etablieren, kommen aufstrebende Jungunternehmen nicht um das Thema Compliance herum. Und die Flut der gesetzlichen Vorgaben, die auch nicht-regulierte deutsche Fin- und InsurTechs umsetzen müssen, steigt: 92 Prozent der Startups aus der Finanz- und Versicherungsbranche gehen davon aus, dass sich der Aufwand für Compliance in den kommenden drei Jahren weiter erhöhen wird. Dabei fühlen sich knapp drei Viertel der Unternehmen gut aufgestellt. Nur jedes vierte FinTech räumt ein, dass es in Sachen Compliance zu wenig Know-how mitbringt. Die Wahrnehmung unserer PwC Compliance Expert:innen ist jedoch eine andere. Oftmals lässt sich diese unterschiedliche Einschätzung folgendermaßen zusammenfassen: Wenn man nicht weiß, was man nicht weiß, dann erkennt man das Problem nicht.

„Rasantes Wachstum, Ressourcenengpässe, und junge Mitarbeiter:innen die zum Großteil nicht aus der Finanzbranche kommen führen dazu, dass bei Compliance Themen durchaus Verbesserungspotenzial besteht.“

Sven Meyer,Leiter FinTechs PwC Deutschland

Die Studie im Überblick

Compliance ist Chef:innen-Sache

Wie wichtig die Jungunternehmer:innen aus der Finanz- und Versicherungsbranche das Thema nehmen, zeigt sich auch daran, dass diese Aufgabe häufig in der Unternehmensleitung angesiedelt ist. In fast jedem zweiten befragten Unternehmen ist der Gründer oder die Gründerin bzw. die Geschäftsführung dafür verantwortlich.

Der Hauptgrund, sich mit Compliance zu befassen, ist naturgemäß die Pflicht: 82 Prozent geben an, dass sie Compliance aus der Pflicht regulatorischer Vorgaben ausüben. Rund die Hälfte nennt die Anforderungen von Kund:innen oder Investor:innen als Grund für die Beschäftigung mit Compliance.

Compliance bremst Prozesse aus

Compliance birgt für alle deutschen Fin- und InsurTechs sowohl Stolpersteine als auch Chancen. Worin diese Hürden und Vorteile genau bestehen, unterscheidet sich aber je nach Entwicklungsstand der Startups. Knapp ein Drittel aller Befragten findet, dass Compliance die Prozesse verlangsamt. Während diese Sorge die Jungunternehmer:innen aller Entwicklungsstufen umtreibt, bereitet den weiter entwickelten Unternehmen zudem das fehlende fachliche Know-how rund um Compliance Kopfzerbrechen. Darüber hinaus fürchten die Grownups, dass sich der mit der Einhaltung aller Vorgaben und Regeln verbundene Aufwand nicht direkt monetarisieren oder in Umsatz ummünzen lässt.

Compliance schafft Vertrauen

Die Mehrheit erkennt aber auch die positiven Aspekte, die mit der Erfüllung der Pflichten einhergehen: So sind 62 Prozent der befragten Fin- und InsurTechs der Meinung, dass Compliance Vertrauen bei Kund:innen, Investor:innen und Partnern schafft. Immerhin 38 Prozent finden, dass Compliance einem Unternehmen zu mehr Attraktivität am Markt verhilft. Firmen in der Grownup-Phase sehen noch weitere Vorteile: Sie schätzen an der Finanzmarktregulierung, dass sie dadurch ihre Mitarbeiter:innen sensibilisieren und die Qualität in ihrem Tagesgeschäft durch klare Leitlinien steigern können.

„Ob Compliance als Bremse oder Motor gesehen wird, hängt von der Perspektive ab: Einige Unternehmen befürchten, dass sie dadurch Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Unternehmen haben. Andere nutzen Compliance gezielt, um neue Märkte zu erschließen.“

Sven Meyer,Leiter FinTechs PwC Deutschland
Infografik zur PwC-Studie 2022 „Compliance bei Fin- und InsurTechs“

Cybersicherheit und Datenschutz sind die größten Aufwandstreiber

Die Unternehmen haben jedenfalls erkannt, dass sie sich breit aufstellen müssen, um das Risiko von Compliance-Verstößen zu minimieren. Das Spektrum reicht von Maßnahmen zur Stärkung des Datenschutzes bis zum Aufbau von Prozessen zur Vermeidung von Geldwäsche. Drei von vier Unternehmen (77 Prozent) geben an, dass die Aspekte Cyber-/IT-Sicherheit und Datenschutz den höchsten Aufwand erfordern. Rund zwei Drittel (64 Prozent) nennen die Geldwäsche-Prävention als stärksten Aufwandstreiber.

In welchem Bereich die Jungunternehmer:innen den größten Compliance-Aufwand sehen, hängt ebenfalls von der aktuellen Entwicklungsphase ab: Für Unternehmen in der Seed-Phase ist beispielsweise der Aufbau von Mechanismen und Prozessen zum Schutz vor Finanzkriminalität besonders wichtig, während weiter entwickelte Unternehmen beträchtliche Ressourcen in Cyber- und IT-Sicherheit investieren.

Infografik zur PwC-Studie 2022 „Compliance bei Fin- und InsurTechs“

Komplexes Wechselgefüge aus Hürden und Chancen

Fest steht: Compliance ist ein zentrales Thema für deutsche Fin- und InsurTechs. Langfristiger Erfolg wird sich nur einstellen, wenn ein Weg gefunden wird, ein Mindset für Compliance bei den Mitarbeitenden zu schaffen, ohne die Innovationskraft zu verlieren. Um das Thema möglichst effizient anzugehen, sollten die Unternehmen klare Verantwortlichkeiten schaffen. Zudem tragen Zertifizierungen und eine kluge Prozessentwicklung dazu bei, die Compliance-Anforderungen zu erfüllen, negative Folgen zu vermeiden und sich gezielt Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Worauf es in Sachen Compliance in den verschiedenen Lifecycle-Phasen ankommt

Seed

  • Fachliches Know-how in puncto Compliance aufzubauen, ist am Anfang eine der größten Herausforderungen.
  • Viele Seeds sind bei der Umsetzung von Compliance stark von gesetzlicher Regulatorik getrieben.  
  • Compliance ist Wachstumsvoraussetzung.

Startup

  • Den Compliance-Aufwand im alltäglichen Geschäft zu stemmen, ist in dieser Phase die größte Herausforderung. 
  • Der interne Aufbau von fachlichem Know-how nimmt in der Startup-Phase zu.
  • Interne Kontrollsysteme und Risikomanagement gewinnen an Bedeutung.

Scaleup

  • Das Vertrauen bei Kund:innen und die Attraktivität durch Vertrauen spielt in dieser Phase eine zunehmende Rolle.
  • Gesetzliche Vorgaben sind zwar noch immer der Hauptgrund, sich mit Compliance zu befassen. Er nimmt im Vergleich zu den jüngeren Phasen jedoch leicht ab.

Grownup

  • Auch Grownups bauen stetig weiter ihr Know-how im Bereich von Compliance auf.
  • In allen Phasen ist das Thema sehr präsent bei der Geschäftsleitung. 
  • Viele Grownups haben einen Chief Compliance Officer (CCO).

„Die Vor- und Nachteile, die den Fin- und InsurTechs durch Compliance entstehen, halten sich die Waage. Wir unterstützen FinTechs dabei, die Potenziale zu nutzen und die Hürden erfolgreich zu nehmen.“

Sven Meyer,Leiter FinTechs PwC Deutschland

Die Methodik

Für die Studie wurden im September und Oktober 2021 39 Compliance-Verantwortliche aus Fin- bzw. InsurTechs befragt. Ziel der Befragung war es, den (Wissens-)Stand der Firmen zu Compliance zu erfragen, sowie die Hintergründe, Herausforderungen und Chancen zu beleuchten.

Die Expertenmeinungen der Befragten ermöglichen einen realistischen Einblick in eine Branche im Aufwind und zeigen, wie sich die Firmen dem komplexen Thema der Compliance stellen (müssen). Compliance wurde dabei als „Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und Regularien sowie das Befolgen interner Richtlinien und Vorgaben durch Ihr Unternehmen“ definiert.

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