Die deutschen Versicherer blicken zunehmend besorgt auf die Entwicklung der Konjunktur. Als größte Geschäftsrisiken nennen die befragten Entscheider:innen im aktuellen „Insurance Pulse Survey“ von PwC die wirtschaftliche Krise und drohende Rezession (61 Prozent), den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern (54 Prozent) sowie die steigende Inflation (50 Prozent). Hohe Kapazitäten und niedrige Anlagerenditen (4 Prozent) oder Cyber-Angriffe (19 Prozent) werden hingegen weniger als Risiken wahrgenommen.
Knapp 60 Prozent der Befragten erklären, dass sich der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine in den vergangenen Monaten am stärksten auf das Versicherungsgeschäft ausgewirkt habe. Nur noch knapp jede:r Fünfte wertet die Aufhebung der Corona-Maßnahmen im Frühjahr als wesentlichen Einfluss.
„Die Stimmung in der deutschen Versicherungsbranche hat sich seit Sommer 2021 kontinuierlich verschlechtert und ist seit April noch einmal deutlich abgerutscht. In dieser Zeit mussten sich die Versicherer vor allem mit den Auswirkungen der hohen Inflation und verschärften regulatorischen Anforderungen auseinandersetzen.“
Die aktuelle Stimmungslage der deutschen Versicherer hat sich seit April deutlich eingetrübt. Derzeit schätzen 87 Prozent der befragten Entscheider:innen die Stimmung der Branche als mittelmäßig ein. Im April taten dies erst 78 Prozent und im Januar 76 Prozent. Insgesamt verschlechtert sich die Stimmung der Branche seit dem Sommer 2021 kontinuierlich. Lediglich elf Prozent bewerten die Lage aktuell noch als gut – im April taten dies noch 19 Prozent und im Januar 22 Prozent.
Angesichts des Inflationsanstiegs und der wirtschaftlichen Krise beurteilt die Mehrzahl der Befragten auch die Aussichten für ihre Branche deutlich pessimistischer als noch zu Jahresbeginn: Mittlerweile gehen knapp zwei Drittel der Befragten davon aus, dass sich die Stimmung im nächsten halben Jahr verschlechtern wird. Zu Jahresbeginn taten dies erst 13 Prozent. Nur noch 17 Prozent erwarten aus heutiger Sicht eine Stimmungsaufhellung in den nächsten Monaten – im Januar äußerten sich hier noch 52 Prozent zuversichtlicher.
Die größten Branchenrisiken sehen 61 Prozent der Führungskräfte aktuell in der wirtschaftlichen Krise oder einer Rezession, weitere 54 Prozent nennen den Mangel an qualifizierten Mitarbeiter:innen und 50 Prozent die hohe Inflation als Risiken. Sorgen über hohe Kapazitäten und niedrige Anlagerenditen sowie vor Cyber-Angriffen haben sich seit Januar deutlich abgeschwächt.
In den vergangenen Monaten setzten sich die deutschen Versicherer vor allem mit den Auswirkungen der Inflation (59 Prozent) und regulatorischen Anforderungen (57 Prozent) auseinander. Das bisherige Top-Thema der Branche – die Digitalisierung der Prozesslandschaft – rutschte mit 41 Prozent auf Platz 3 der Agenda.
Weitere Themen, die die Versicherer derzeit umtreiben, sind Kosteneffizienz (30 Prozent), geldpolitische Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (26 Prozent) sowie die Entwicklung neuer Produkte und Anpassungen des Produktportfolios (24 Prozent).
Das Thema Nachhaltigkeit (39 Prozent) verliert der Umfrage zufolge seit Januar an Relevanz, bleibt aber weit oben auf der Agenda der Versicherer: Acht von zehn Entscheider:innen sehen ihr Institut im Bereich Nachhaltigkeit bereits gut aufgestellt. Weitere 93 Prozent erkennen zudem hinsichtlich der Kapitalstärke und 89 Prozent mit Blick auf die Compliance kaum Defizite.
Auf dem Weg zu nachhaltigen Geschäftsmodellen und Produktsortimenten beschäftigt sich die Assekuranz in erster Linie mit der Risikobewertung nachhaltiger Versicherungslösungen (44 Prozent). Für 41 Prozent der befragten Führungskräfte zählt die Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens in die Unternehmensphilosophie derzeit zu den größten Herausforderungen bei der Umsetzung der ESG-Prinzipien (Environmental, Social, Governance). 39 Prozent nennen hier die Implementierung eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems.
Deutlich zurückhaltender sind die Befragten bezüglich des Unternehmenswachstums geworden. Nur noch 69 Prozent sehen sich hier gut aufgestellt, nach 81 Prozent im April und 84 Prozent im Vorjahr.
Die größten Wachstumschancen sehen die Versicherer derzeit in der Anpassung ihrer Produktportfolien (48 Prozent), gefolgt von der Steigerung ihrer Vertriebsleistung und in der Neukundengewinnung (46 Prozent). Während das Thema Internationalisierung (13 Prozent) an Relevanz verliert, denkt aktuell knapp ein Viertel der Befragten über höhere Beiträge nach. Im April sahen darin erst 13 Prozent eine Triebfeder für mehr Wachstum.
„Die Stimmung der deutschen Versicherer ist angesichts der Konjunkturflaute und der wachsenden Unsicherheiten so pessimistisch wie lange nicht. Themen wie Fintech-Kooperationen, Internationalisierung und Fusionen rücken aktuell in den Hintergrund. Die Branche fokussiert sich eher darauf, ihre Geschäftsmodelle und Produktportfolien nachhaltig neu auszurichten.“
Für den „Insurance Pulse Survey“ (Q2/2022) befragte PwC im Juli und August online 54 Entscheider:innen in der Versicherungsbranche in Deutschland.