Das Versicherungsgeschäft in Deutschland wächst seit Jahren. Im Bankenvertrieb ist diese Entwicklung jedoch kaum spürbar. Kreditinstitute spielen hierzulande keine große Rolle im Versicherungsvertrieb. Lediglich im Bereich der Lebensversicherungen kommen sie auf einen nennenswerten Anteil: Im Jahr 2020 lag dieser bei rund 19 Prozent.
Sowohl im Bereich der privaten Krankenversicherungen als auch in der Schaden- und Unfallversicherung sind Kreditinstitute für weniger als fünf Prozent des Neugeschäfts verantwortlich. Die Kreditabsicherung im Rahmen der Baufinanzierung gilt in Deutschland als einziges relevantes Versicherungsprodukt im Bankenvertrieb.
Um das Potenzial der Bancassurance besser zu nutzen, setzen sich die Banken mit der Optimierung und Überarbeitung ihrer Geschäftsmodelle auseinander. Denn auch in der Bancassurance wurde im Zuge der Corona-Pandemie deutlich, dass es neue Lösungen braucht, um mit den Marktentwicklungen und Kundenbedürfnissen Schritt halten zu können.
„Erdrutschartige Veränderungen hat der Bankenvertrieb durch die Pandemie nicht erlebt. Dennoch haben sich sowohl der Zugang zu den Kunden als auch zu den Kooperationspartnern verändert und den neuen Gegebenheiten angepasst.“
Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass beim Vertrieb von Versicherungen über Kreditinstitute hierzulande noch viel Ausbaupotenzial besteht. Während in Deutschland weniger als jede fünfte Lebensversicherung über Banken verkauft wird, ist die Bancassurance in einigen europäischen Ländern der führende Vertriebskanal im Bereich Leben. So werden in Portugal 80 Prozent der Lebensversicherungen über Banken vertrieben; in Italien sind es 75 Prozent, in Frankreich und Spanien jeweils rund 65 Prozent.
Die dominierenden Formen der Zusammenarbeit zwischen Banken und Versicherungsunternehmen sind Kooperationsmodelle, die auf dem Prinzip „reine Ausschließlichkeit“ sowie „Ausschließlichkeit mit Ventillösungen“ basieren. Diese langfristigen Partnerschaften gehen oft mit einem großen Vertrauen der Kooperationspartner untereinander und einer gewissen Exklusivität einher. Außerdem ermöglicht dieses Modell die Fokussierung auf einen oder wenige Partner, um die Service- und Leistungsprozesse überschaubar zu halten und optimal aufeinander abzustimmen.
Diese Art der Zusammenarbeit hat aber auch einen entscheidenden Nachteil: Dem Kunden steht nur eine eingeschränkte Produktpalette zur Auswahl. Um dem Vertrieb neuen Aufwind zu geben und möglicherweise höhere Courtagen zu erzielen, nahm die Produktion aus dem Bankenvertriebskanal mit dem Status „Makler“ in der jüngeren Vergangenheit merklich zu.
„Um das Potenzial der Bancassurance zu nutzen, setzen sich die Banken mit der Optimierung und Überarbeitung ihrer Geschäftsmodelle auseinander. Das verstärkte Angebot von bankenfremden Dienstleistungen und Produkten ist dabei für viele Marktteilnehmer eine wichtige Option, um die Ertragsquellen auszuweiten.“
Auch in der Bancassurance wurde insbesondere durch die Corona-Pandemie deutlich, dass es neue Lösungen braucht, um mit den Marktentwicklungen und Kundenbedürfnissen Schritt halten zu können. Der Ausbau von Online-Angeboten stand bei Banken wie Versicherern in der Vergangenheit weit oben auf der Agenda, um den Kundenbedürfnissen nachzukommen und den Angeboten reiner Digitalanbieter folgen zu können, aber auch, um den Kostendruck zum Opfer gefallenen Filialschließungen Rechnung zu tragen.
Der Versicherungsvertrieb in Deutschland ist nach wie vor ein Geschäft von Angesicht zu Angesicht, doch genau das war in der Corona-Pandemie nur in eingeschränkter Form möglich. Die Frage, wie ein erfolgreicher Versicherungsvertrieb künftig aussehen muss, hat durch die Krise noch einmal an Brisanz gewonnen. Welche Vertriebswege haben sich als besonders krisenfest erwiesen? Sind die Portale und Online-Vertriebe die Gewinner der Krise? Was erwarten Kunden von ihrer Versicherung und deren Vertriebspartnern? Diese und weitere Fragen beleuchtet PwC in einer Studie.
Während Finanzanlagen- und Versicherungsvermittler in der Corona-Krise flächendeckend in den Lockdown geschickt wurden und ihre Büros für den Publikumsverkehr schließen mussten, zeigte sich bei Banken ein eher heterogenes Bild. Als Geschäfte des täglichen Bedarfs durften sie in der Regel offen bleiben und den Publikumsverkehr aufrechterhalten.
Mehr Aufmerksamkeit oder gar einen Umsatzgewinn im Bancassurance-Bereich brachte der einfachere Zugang jedoch nicht. Aber auch die befürchteten Einbußen blieben nach Aussage der befragten Expert:innen aus.
Jedenfalls sorgte die Corona-Pandemie beim Bankenvertrieb für einen deutlichen Digitalisierungsschub. Dies zeigte sich sowohl in der Kommunikation nach außen mit den Kund:innen, aber nach innen zwischen den Partnern Bank und Versicherung.
„Die Pandemie hat unsere Partner und uns dazu gebracht, die Beratungsprozesse und -modelle stark und mit hoher Geschwindigkeit zu optimieren.“
Beratungsangebote wurden virtualisiert sowie Antrags- und Vertragsprozesse digitalisiert, um das Tagesgeschäft fortführen zu können. Große Hürden waren insbesondere die technische Anbindung an teilweise sehr veraltete und unflexible Systeme, das kurze Zeitfenster, in dem die neuen Tools ausgerollt und zum Standard werden mussten sowie das Schaffen von Akzeptanz für die neuen Vorgehensweisen.
Potenziale lieferte die Pandemie auch im Bereich des Up- und Crosssellings: Die Kund:innen waren in dieser Zeit sehr viel besser zu Hause erreichbar und ohnehin schon für das Thema Sicherheit sensibilisiert. Zudem hatten sie auch einfach mehr Zeit, sich mit dem Thema Versicherung auseinanderzusetzen. Der fehlende Publikumsverkehr verschaffte den Bankmitarbeiter:innen weiterhin die entsprechenden Kapazitäten, die Vertriebspotenziale zu heben.
Der persönliche Kontakt bleibt ein wichtiges Differenzierungsmerkmal zu Direktanbietern. Dieser Aspekt kommt gerade nach der Pandemie besonders deutlich zum Tragen. Die Bank und die Berater vor Ort können Themen wie Regionalität, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit viel gezielter und oft auch glaubhafter lokal adressieren.
„Im hybriden Vertrieb sollte zwischen Neu- und Bestandskunden unterschieden werden. Unsere Erfahrung zeigt, dass ein neuer Kunde immer noch viel Wert darauf legt, seinen persönlichen Berater vor Ort kennenzulernen. Ihm ist es wichtig, ihm in die Augen zu schauen und zu wissen, wer ihn jetzt konkret berät. Ist das Vertrauen einmal hergestellt, so fällt es dem Kunden, aber auch dem Berater leichter, die Beratung per Video oder Telefon durchzuführen. Die Hürde eines gemeinsamen Weges ist dann viel geringer.“
Hybride Betreuungs- und Vertriebsmodelle können auch eine Antwort auf die sinkenden Bankfilialzahlen sein. So lässt sich eine Konzentration auf größere, zentrale Beratungszentren beobachten, die sich zukünftig vielerorts durchsetzen könnten. Entsprechend werden sich auch die Kontaktaufnahmen durch den Kunden sowie die Vertriebspartnerstruktur anpassen.
„Die Leute werden viel intensiver alles von zu Hause aus machen oder mittels einer App bzw. anderer mobile devices, sodass am Ende der stationäre Vertrieb tendenziell, ich will nicht sagen, abnehmen wird, aber er wird auf jeden Fall konzentrierter.“
Das Betreuungskonzept der Versicherungsunternehmen muss ebenfalls an die regionalen Gegebenheiten ihrer Vertriebspartner angepasst werden. So erfordert die große Beratungsfiliale einer Stadt beispielsweise auch den Personaleinsatz vor Ort. In weniger konzentrierten Regionen lässt sich die Arbeit digital erledigen. Ohnehin werden die digitalen Anteile der Zusammenarbeit zunehmen, da Vorteile wie die ortsunabhängige Koordination überwiegen.
„Wir haben eine breit ausgelegte Betreuerstruktur, in der permanent administriert und geschult wird. Das haben wir massiv verändert. Schulungen finden mittlerweile fast immer online statt, weil es einfach viel effektiver ist.“
Schon vor der Pandemie galt die Kooperationsform Makler als vielversprechend. Die Gründe: Die Aussicht auf höhere Provisionen sowie die Möglichkeit, den Kundenwünschen nach einer vollumfänglichen und neutralen Produktberatung optimal nachkommen zu können. Die Anbindung an einen Maklerpool kann zudem auch technologische und prozessuale Vorteile im Bankenvertrieb mit sich bringen.
Die Pandemie hat an diesen Tendenzen nichts verändert. Es herrscht weiterhin Bewegung am Markt. Von einer Beschleunigung kann allerdings auch nicht die Rede sein. Vielmehr setzt sich diese Entwicklung – anders als beispielsweise die Digitalisierung – unabhängig vom Pandemiegeschehen schleichend fort.
„Der Versicherungsvertrieb über Banken ist zukunftsfähig, wenn wir uns das Thema Mensch weiter erhalten und das Thema Digitalisierung spielen. Das heißt, die Digitalisierung ersetzt nicht den Menschen, sondern ergänzt ihn. Wenn wir das hinbekommen, in der vernünftigen Balance Maß und Mitte halten, dann wird das Ganze funktionieren.“
Die Studie folgte einem fünfstufigen Aufbau: Zunächst haben wir in einer umfassenden Recherche Erkenntnisse zu aktuellen Trends, Themen und Kundenanforderungen im Versicherungsvertrieb zusammengetragen. Anschließend haben wir eine Online-Umfrage unter 1.000 Endkund:innen durchgeführt und darin Erwartungen an und Erfahrungen mit dem Vertriebsprozess erhoben. Die Ergebnisse haben wir dann in einer weiteren Online-Umfrage den Einschätzungen von Vertriebsexpert:innen aus Versicherungsunternehmen gegenübergestellt. Im vierten Schritt haben wir zentrale Themen und Fragestellungen in leitfadengestützten Tiefeninterviews detailliert mit Vorständen und leitenden Vertriebsexperten aus Versicherungsunternehmen diskutiert. Diese Erkenntnisse haben wir dann im letzten Schritt für die verschiedenen Vertriebswege aufbereitet und aufeinander aufbauend veröffentlicht.