Die Grenzen zwischen der Gesundheitswirtschaft und anderen Branchen lösen sich zunehmend auf: In den Jahren 2012 bis 2017 hat sich die Zahl branchenübergreifender Aktivitäten von Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft nahezu versechsfacht. Viele der Unternehmen zieht es insbesondere in den Bereich IT. Die Digitalisierung der Gesundheit führt dazu, dass Unternehmen nicht nur sich selbst, sondern das gesamte Segment verändern. Das belegt die Studie „New Entrants – New Rivals: How Germany’s top companies are creating a new industry world“, für die PwC mehr als 300 Führungskräfte befragt und die 25 führenden Unternehmen aus elf Branchen analysiert hat. Für eine Auskopplung der Studie zur Gesundheitswirtschaft hat PwC jeweils 30 Unternehmen aus dem Gesundheitswesen und der Pharmabranche untersucht. In den Blick genommen werden dabei sowohl Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft, die in neue Industrien vorstoßen, als auch branchenfremde Unternehmen, die es in den Gesundheitssektor zieht.
Weil sich die Branchengrenzen zunehmend auflösen, werden künftig sogenannte Mega-Cluster – Bereiche, in denen Unternehmen verschiedener Spezialisierung tätig sind – die bisherigen Industrien ersetzen. Davon sind auch die Unternehmen selbst überzeugt, wie jeweils 63 Prozent der Studienteilnehmer aus der Gesundheitswirtschaft bestätigen. Im Umfeld Gesundheit entsteht das neue Mega-Cluster „New Health“. Die Unternehmen erwarten, dass in diesem Cluster neue Gesundheitsdienstleistungen und Plattformen für direkten Kundenkontakt die größte Rolle spielen werden. Neben der Gesundheits- und Pharmawirtschaft werden im New Health-Cluster Unternehmen aus den Bereichen Finanzdienstleistungen und Technologie besonders aktiv sein. Beispielsweise investieren Versicherungsgesellschaften bereits in neue Systeme zur Überwachung des Gesundheitszustandes eines Menschen oder Technologieunternehmen entwickeln 3D-Druckverfahren, die eine bessere Operationsplanung ermöglichen.
Wenn Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft zu New Entrants in anderen Branchen werden, bevorzugen sie den Tech-Sektor: Neun von zehn Unternehmen expandieren in diesen Bereich. Die Unternehmen wollen dieses Segment nicht mehr allein den Tech-Giganten überlassen, sondern selbst neue digitale Gesundheitsdienstleistungen anbieten. Dabei spielen die Daten der Patienten eine zentrale Rolle. Gelingt es den Unternehmen, Daten zu sammeln und verantwortlich einzusetzen, können sie das Gesundheitswesen damit kostengünstiger und effizienter gestalten. Insgesamt ist die Zahl der branchenübergreifenden Aktivitäten von Unternehmen aus dem Gesundheitssektor in den vergangenen fünf Jahren um 567 Prozent gestiegen. Damit gehört der Gesundheitsbereich zu Deutschlands aktivsten Branchen.
Im Umfeld Gesundheit entsteht das neue Mega-Cluster „New Health“
Unternehmen der Gesundheitswirtschaft, die als New Entrants in fremde Branchen vordringen, setzen dabei auf Inkubatoren-Programme, sprich die Begleitung von Unternehmensgründungen durch klassische Unternehmen. So wurden 62 der insgesamt 103 branchenübergreifenden Aktivitäten in den Jahren 2012 bis 2017 umgesetzt. Partnerschaften, Fusionen und Übernahmen sowie Produktentwicklungen spielten dagegen eine untergeordnete Rolle. Inkubatoren sind deshalb in der Gesundheitswirtschaft so beliebt, weil sie es den Unternehmen ermöglichen, Innovationen zu entwickeln, ohne dabei ihr Kerngeschäft zu vernachlässigen.
Im Mega-Cluster New Health werden sich in erster Linie weiterhin die etablierten Unternehmen aus dem Gesundheits- und Pharmasektor behaupten. Doch auch neue Unternehmen aus fremden Branchen zieht es zunehmend in den Gesundheitsmarkt. Etablierte Gesundheitsunternehmen fürchten diese neuen Marktteilnehmer jedoch kaum, denn die Hürden für den Markteintritt sind gerade im Gesundheitsmarkt hoch: Jeweils 60 Prozent der Unternehmen aus dem Gesundheitswesen und dem Pharmabereich sehen die starke Regulierung und rechtliche sowie Compliance-Risiken als größte Herausforderungen beim Einstieg neuer Marktteilnehmer in die Branche. Damit bleibt die Gesundheitswirtschaft deutlich hinter anderen Industrien zurück, die weit mehr Branchenneulinge beobachten. Denjenigen Wettbewerbern, die den Einstieg dennoch wagen, wollen die Gesundheits- und Pharmaunternehmen durch eigene Innovationskraft begegnen, wie jeweils knapp 80 Prozent der Studienteilnehmer bestätigen. Doch auch die neuen branchenfremden Marktteilnehmer bringen Stärken in den Wettbewerb ein – insbesondere effizientere Strukturen ebenso wie mehr Flexibilität und Agilität.
Die deutsche Gesundheits- und Pharmabranche zeigt sich ausgesprochen expansionsfreudig. Dadurch lösen sich die traditionellen Branchengrenzen immer stärker auf.
Im Interview erklären Michael Burkhart, bis 2023 Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland, und Sevilay Huesman-Koecke, bis 2022 Head of Business Development Healthcare & Pharma bei PwC Deutschland, wie sie diese Entwicklung bewerten.
„Gesundheitsbranche und Tech-Sektor wachsen zusammen“ ist ein Auszug aus unserer Studie „New Entrants – New Rivals“. Die ausführlichen Ergebnisse der Studie finden Sie hier.
Roland M. Werner
Partner, Leiter Gesundheitswirtschaft & Pharma, PwC Germany
Tel.: +49 170 7628-557