Omnichannel-Handel: Deutschland nur auf Platz 17

18 Dezember, 2017

Der Omnichannel-Vertrieb im Einzelhandel ist weltweit auf dem Vormarsch. In den vergangenen zwei Jahren haben die Händler in den meisten Ländern und Produktkategorien ihren Omnichannel-Ansatz verbessert, sodass Kunden Produkte heute weitgehend kanalübergreifend recherchieren, vergleichen, kaufen und zurückgeben können. Die deutschen Einzelhändler hinken bei dieser Entwicklung jedoch hinterher. Zu diesen Ergebnissen kommt der Global Omnichannel Retail Index 2017, den Strategy&, PwCs Strategieberatung, erstellt hat.

Der Digitalisierungsgrad im Einzelhandel ist in den 28 analysierten Ländern seit 2015 im Schnitt um 27 Prozent gestiegen. Dabei haben die englischsprachigen Länder klar die Nase vorn: Die USA, Großbritannien, Australien und Kanada sind unter den Top 5. Sie haben einen vergleichsweise hohen Anteil an Onlineverkäufen, zeigen nachhaltige Wachstumsraten und eine starke digitale Infrastruktur. China als weltweit größter E-Commerce-Markt liegt auf Rang vier.

Deutschland schneidet beim Ranking jedoch schwach ab und landet nur auf Rang 17. Im Vergleich zu 2015 konnte Deutschland sich nur um zwei Punkte verbessern und zeigt den niedrigsten Digitalisierungsgrad aller in der Studie betrachteten Länder. In vielen der analysierten Kategorien, etwa bei Lebensmitteln oder Haushaltswaren, liegt der Schwerpunkt in Deutschland noch immer stark auf dem Offlinegeschäft.

Das liegt nach Einschätzung von Gerd Bovensiepen, Leiter des Bereichs Handel und Konsumgüter bei PwC in Deutschland und EMEA, auch an den Konsumentenwünschen: „Die deutschen Verbraucher legen Wert auf ein hochwertiges Einkaufserlebnis. Sie suchen gerne die physischen Läden auf, um genau diese Erfahrung zu machen. Das ist ihnen wichtiger als der bestmögliche Preis.“

Schwächen bei der Integration der Kanäle

Selbst die deutschen Einzelhändler, die Omnichannel-Optionen bieten, schaffen es häufig noch nicht, diese kanalübergreifend zu integrieren. So können viele Händler beispielsweise keine Auskunft zum Warenbestand in Online- und Offlineläden in Echtzeit geben, wie ein erlebtes Beispiel einer deutschen Schuhkette zeigt:

Ein Konsument ging in ein beliebtes deutsches Schuhgeschäft und fragte die Verkaufsperson, ob ein bestimmter Schuh in seiner Größe verfügbar ist. Obwohl der Schuhladen eine Onlinepräsenz hat und eine Click-and-Collect-Option bietet, antwortete die Verkaufsperson mit einem schlichten Nein und beendete damit das Gespräch. Der Konsument bestellte den Schuh schließlich bei einem Online-Versandhändler – deutlich günstiger als im Laden und mit einer Lieferung am selben Tag. So entging dem Einzelhändler nicht nur Umsatz, er verlor womöglich auch einen Kunden.

Deutschland holt auf

Es gibt jedoch Anzeichen, dass sich die Lage auch hierzulande verbessert: Click-und-Collect-Angebote gab es in Deutschland bei der Analyse im Jahr 2015 praktisch noch nicht. Die meisten großen Händler bieten diese Option aber mittlerweile an. Die Kunden können auch immer häufiger online gekaufte Produkte in physischen Läden zurückgeben – typischerweise der erste Schritt für Konsumenten auf dem Weg zum Omnichannel-Einkauf. Gleichzeitig hat sich die digitale Infrastruktur in Deutschland stark verbessert.

„Der Omnichannel-Vertrieb ist längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern eine Grundvoraussetzung im Einzelhandel, welche die meisten Kunden schlichtweg erwarten. Die Händler haben zwei Optionen: Sie können diesem Anspruch gerecht werden oder ihren Kunden dabei zusehen, wie sie zum Wettbewerb abwandern, der diese Option bietet“, so das Fazit von Gerd Bovensiepen.

Er gibt Einzelhändlern drei Handlungsempfehlungen:

  1. In IT-Systeme und Lieferketten investieren und das Betriebsmodell so anpassen, dass es Online- und Offlinegeschäft vollumfänglich integriert.
  2. Die mobile Präsenz stärken: Sie ist das Verbindungsstück zwischen online und offline.
  3. Die optimale Rolle des physischen Ladens im Einkaufsprozess klar definieren. Denn der physische Laden bleibt wichtig, dort findet noch immer der größte Teil der Gesamtverkäufe statt.

Zur Methodik:

Für die Studie haben die Experten von Strategy& den Omnichannel-Reifegrad von 28 Ländern und neun Einzelhandelskategorien analysiert. Auf dieser Basis haben sie einen Index erstellt, der die Länder auf einer Skala von 1 bis 100 in den folgenden vier Dimensionen bewertet: Grad der Digitalisierung im Einzelhandel, Omnichannel-Potenzial, Konsumentenverhalten und digitale Infrastruktur.

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Dr. Christian Wulff

Dr. Christian Wulff

Consumer Markets Leader, EMEA, PwC Germany

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