28 April, 2016
Der demografische Wandel trifft Deutschland – im Vergleich zu seinen Nachbarländern Österreich und der Schweiz – am härtesten: So werden dem deutschen Arbeitsmarkt bis zum Jahr 2030 rund 3,5 Millionen Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stehen als heute. Der Handel wird von diesem Arbeitskräftekräftemangel besonders stark betroffen sein. Der Branche werden vor allem Akademiker fehlen, die etwa den Umgang mit IT-Systemen und mobilen Bezahlverfahren beherrschen. Arbeitsplätze für Verkaufskräfte werden dagegen entfallen. Das sind zentrale Ergebnisse der Untersuchung „Fachkräftestudie für Deutschland“, die PwC gemeinsam mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR veröffentlicht hat.
Der demografische Wandel bringt – je nach Berufsgruppe und Ausbildungsstand – Gewinner und Verlierer mit sich, wie die Fachkräftestudie zeigt. Der Handel wird die Auswirkungen des Fachkräftemangels nach der Transport- und Logistikbranche am zweitstärksten zu spüren bekommen. Bis zum Jahr 2030 werden den Handelsunternehmen rund 50.000 Akademiker fehlen. „Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmen sich mit diesem Engpass bereits jetzt auseinandersetzen und ihre Personalstrategie entsprechend ausrichten“, sagt Gerd Bovensiepen, Leiter des Bereichs Handel und Konsumgüter bei PwC. „Der Handel muss sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren.“
Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften wächst, weil die Branche sich im Umbruch befindet – weg vom stationären Handel als einzigen Vertriebsweg, hin zum Omni-Channel-Kauferlebnis. Entsprechend steigen auch die Anforderungen an die Qualifikationen der Mitarbeiter. Sie benötigen Kenntnisse im Umgang mit IT-Systemen und digitalen Technologien wie beispielsweise Virtual Reality und mobilen Zahlverfahren. So entstehen neue Berufsbilder, von denen viele einen akademischen Abschluss erfordern. Zwar steigt die Zahl der Akademiker deutlich – sie verdoppelt sich von 2008 bis 2030 –, doch der Anstieg kann den Bedarf nicht ausgleichen. „Investitionen in die Mitarbeiter, etwa durch Weiterbildungsmaßnahmen, sind daher notwendig“, so Bovensiepen. Engpässe im Personal könnten auch durch die gezieltere Förderung von Frauen, die im Handel mit einem Anteil von 53 Prozent stärker vertreten sind, abgefedert werden, indem sie durch flexible Arbeitszeiten und -orte besser an das Unternehmen gebunden werden. Eine weitere Maßnahme wäre die Einstellung ausländischer Mitarbeiter, die zusätzliche neue Sichtweisen und Ideen mitbringen, von denen die Unternehmen profitieren können.
Investieren sollten die Unternehmen ebenfalls in die Schulung ihrer Verkaufskräfte: Ihnen kommt eine neue Rolle als „Produkt-Experten“ zu. Auch in Zeiten des Online-Handels wollen viele Kunden auf eine persönliche Beratung beim Einkauf nicht verzichten. Das gilt insbesondere für die kaufkräftige Zielgruppe der älteren Konsumenten, die durch die demografische Entwicklung noch weiter wachsen wird. Ältere Verkaufskräfte verstehen sich oftmals besonders gut darauf, auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe einzugehen. Hier liegt eine Chance in der Alterung der Belegschaften, von denen der Handel stark betroffen sein wird – bis 2030 wird das Durchschnittsalter der Mitarbeiter bei 44,8 Jahren liegen.
Spürbare Auswirkungen auf die Arbeitsmarktsituation im Handel hat die zunehmende Digitalisierung, wie die PwC-Studie „Der Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitskräftesituation in Deutschland“ zeigt: Gelingt den Unternehmen die digitale Transformation, wird die Branche voraussichtlich 900.000 Arbeitskräfte weniger bis zum Jahr 2030 benötigen. Insbesondere bei den Verkaufskräften wird ein Nachfragerückgang von circa 34 Prozent erwartet, was maßgeblich auf Automatisierungseffekte und elektronische Weiterentwicklungen zurückzuführen ist. Deutlich wird zudem, dass der Nachfragerückgang nach Verkaufskräften für nahezu die Hälfte (48 Prozent) des gesamten Digitalisierungseffekts in der Branche Handel verantwortlich zeichnet. Akademische bzw. hoch qualifizierte Fachkräfte werden hingegen verstärkt gesucht.