08 März, 2016
Bisher bilanzierten Unternehmen der Engineering and Construction Branche ihre Umsatzerlöse aus Verträgen mit Kunden nach Vorschriften verschiedenster Standards. Durch die Einführung des IFRS 15 werden gleich mehrere Standards durch ein einheitliches Rahmenwerk abgelöst. Zukünftig werden Fertigungsaufträge (IAS 11), Umsatzerlöse (IAS 18), Kundenbindungsprogramme (IFRIC 12), Vereinbarungen über die Errichtung von Immobilien (IFRIC 15) und die Übertragungen von Vermögenswerten von Kunden (IFRIC 18) zentral im neuen Standard IFRS 15 vereint. Dies bedeutet, dass zukünftig alle Verträge - einschließlich der Fertigungsaufträge - einen 5-Stufen-Ansatz durchlaufen müssen.
Herr Gruss, in welchen Bereichen sehen Sie die größten Änderungen durch den neuen Standard für die Baubranche?
Christoph Gruss: Besonders die langfristigen Fertigungsaufträge sind auf Änderungen zu prüfen. Während nach dem IAS 11 meist entsprechend dem Fertigstellungsgrad Umsatz realisiert wurde (percentage-of-completion method, PoC-Methode), ist nach dem neuem IFRS 15 der Umsatz bei Kontrollübergang zu realisieren. Dabei kann der Kontrollübergang nach IFRS 15 zu einem Zeitpunkt (z.B. mit Schlüsselübergabe) oder über einen Zeitraum (z.B. während der Bauphase) erfolgen.
Damit Fertigungsaufträge weiterhin analog zur bisherigen PoC-Methode zu einer laufenden Umsatzrealisierung führen, müssen Unternehmen nachweisen, dass die Kontrolle schon während der Bauphase übertragen wird. So müssen Bauunternehmer zum Beispiel nachweisen, dass sie im Falle einer Vertragskündigung stets einen Vergütungsanspruch haben, der nicht nur die bis dato entstandenen Kosten umfasst, sondern auch eine angemessene Marge. Fehlt der Vergütungsanspruch oder beinhaltet er lediglich die entstandenen Kosten, darf der Umsatz erst am Ende der Bauphase, mit vollständigem Kontrollübergang, erfasst werden.
Dies bedeutet eine kritische Prüfung sämtlicher Verträge und eine sachgerechte Beurteilung dieser durch das Management. In bestimmten Fällen ist der Umsatz aus Fertigungsaufträgen nicht mehr über einen Zeitraum zu realisieren (overtime), sondern an einem Zeitpunkt (at a point of time), wodurch sich Umsätze und Gewinne erheblich verschieben können.
Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie auf Unternehmen der E&C Branche zukommen?
Kai-Uwe Czymoch: Ein absolutes Novum stellt die Verpflichtung dar, Kundengewinnungskosten („Costs of obtaining a contract“) und Kosten der Vertragserfüllung („Costs of fulfilling a contract) zu aktivieren.
Damit die Kosten als Kundengewinnungskosten qualifizieren, muss es sich um „incremental costs“ handeln, das heißt Kosten, die ohne den Vertragsabschluss nicht entstanden wären. In der Baubranche ist zu prüfen, ob Kosten, die während der Ausschreibung, bei Vertragsverhandlungen oder beim Vertragsabschluss angefallen sind, zukünftig als Kundengewinnungskosten zu qualifizieren sind. Kosten, die unabhängig vom Vertragsabschluss entstehen, dürfen jedoch weiterhin nicht aktiviert werden.
Kosten der Vertragserfüllung sind Kosten, die direkt einem Vertrag zuzuordnen sind und dazu dienen, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Kosten im Zusammenhang mit der Bauvorbereitung wie z.B. Errichtung von Zugängen, Transport von Maschinen oder Aufbau von Maschinen als Kosten der Vertragserfüllung zu aktivieren sind.
Können Sie uns näher beschreiben wie diese Kosten bilanziell zu erfassen sind?
Gruss: Die Kundengewinnungskosten und die Kosten der Vertragserfüllung im Sinne des IFRS 15 werden zunächst aktiviert. In der Folge werden die aktivierten Kosten über die Dauer der Leistungserbringung amortisiert.
Bisher werden die Kosten als sofortiger Aufwand in der GuV erfasst. Im Vergleich zur heutigen Bilanzierung hat die Neuregelung somit einen signifikanten Einfluss auf die Finanzkennzahlen. Zum einen ändert sich die Bilanzsumme und zum anderen ändert sich der Zeitpunkt, an dem die Kosten sich in der GuV niederschlagen. Darüber hinaus kann sich der Ausweis innerhalb der GuV ändern, was Auswirkungen auf z.B. das EBITDA hat.