Zwei, die sich gut verstehen: Von Family Venture Capital profitieren Familienunternehmen und Startups

13 August, 2020

Ein Interview mit Uwe Rittmann und Florian Nöll. Investitionen in die Zukunft sind heute vor allem Investitionen in die digitale Transformation. Familienunternehmen haben auf diesem Gebiet großen Nachholbedarf. Der Königsweg, um diesen Bedarf zu decken, ist die Beteiligung über Family Venture Capital an jungen, innovativen Startups.

Denn Familienunternehmen und Startups haben eine gemeinsame DNA und können voneinander profitieren. Das finden jedenfalls Uwe Rittmann, Leiter Familienunternehmen und Mittelstand, und Florian Nöll, Head of Digital Ecosystems bei PwC.

Familienunternehmen gelten als wertkonservativ, was mit Langfristorientierung, aber auch mit einer gewissen Bedächtigkeit einhergeht. Wie passt das zu Startup-Unternehmern, denen Attribute wie agil, veränderungswillig und schnell zugeschrieben werden?

Uwe Rittmann: Das passt ausgesprochen gut – denn schließlich war jedes Familienunternehmen irgendwann einmal selbst ein Startup, auch wenn es früher nicht so hieß. Alle Gründer brauchen Unternehmergeist, Innovationskraft, Agilität und Schnelligkeit. Das war früher nicht anders als heute, deshalb gibt es eine gemeinsame DNA.

Florian Nöll: Die gemeinsame DNA ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Kooperation. Als die Konrad-Adenauer-Stiftung im Jahr 2016 das Leitbild und Selbstverständnis von Startup- und Familienunternehmern in einer Studie miteinander verglichen hat, war das Ergebnis für viele überraschend.

Gründerinnen und Gründer von Startups sind häufig Familienunternehmer der ersten Generation. Vor allem die Innovationskraft zeichnet Familienunternehmen bis heute aus. Ich bin davon überzeugt, dass die mittelständische Wirtschaft oft innovativer ist als so manch Großkonzern.

Wenn dem so wäre: Warum sollen Familienunternehmen dann in Startups investieren, um sich der Herausforderung Digitalisierung zu stellen. Schaffen sie das nicht aus eigener Kraft?

Rittmann: Nur bedingt. Innovationskraft ist mit der Digitalisierungskompetenz nicht gleichzusetzen. Viele Unternehmen haben das Thema auf der Agenda, wissen aber nicht genau, wie sie es anpacken können. Ein junger NextGen-Vertreter hat in einem Interview einmal gesagt „Mein Vater kannte jeden bei uns in der Stadt persönlich, aber er kannte niemanden im Internet“. Der Satz spricht Bände. Familienunternehmer brauchen Hilfestellung, um sich bewusst zu machen, dass Digitalisierung weit mehr bedeutet als die Einführung eines neuen Tools oder die papierlose Buchhaltung; dass es hier um die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, moderne Arbeitsformen oder die Nutzung von Künstlicher Intelligenz geht.

Warum sollten denn Startups Interesse daran haben, sich von einem Familienunternehmen kaufen zu lassen, es an seiner Geschäftsidee zu beteiligen oder mit ihm zu kooperieren?

Nöll: Da gibt es viele gute Gründe und einer davon ist – wen wundert es – das liebe Geld. Viele etablierte Unternehmen haben eine solide Kapitalausstattung. Bei den Startups ist das finanzielle Immunsystem in der Regel noch schwach. Durch die Krise der letzten Monate ist die Widerstandsfähigkeit nicht gerade größer geworden – mit Family Venture Capital kann sie gestärkt werden. Weitere Vorteile sind: der Zugang zu Kunden und zu Märkten. Funktionierende Prozesse vom Controlling bis zum Personalbereich, an denen Startups partizipieren können, um Kapazitäten für ihre Kernkompetenz der Produkt- oder Dienstleistungsentwicklung freizuschaufeln.

Venture Capital – auch wenn ein Family oder Corporate davor steht – ist am Ende doch immer Wagniskapital. Wer das investiert, möchte oft schlicht die schnelle Rendite und den satten Gewinn …

Nöll: Im Gegensatz zu reinen Venture-Capital-Unternehmen ist das bei Corporate Venture Capital (CVC) in der Regel anders. Hier geht es zusätzlich um eine strategische Rendite, die sich nicht monetär auszahlt, sondern durch den Zugang zu neuen Technologien, zu digitalen Talenten, zur neuen Geschäftsmodellen und so weiter ...

Beim Family Venture Capital kommt das Geld aber möglicherweise gar nicht direkt vom Familienunternehmen, sondern von der Familie, die operativ nicht im eigenen Unternehmen tätig ist…

Rittmann: Aber auch dann sind die Treiber für ein Investment anders als bei reinen Wagniskapitalgebern. Neudeutsch könnte man sagen, dass Familienunternehmer „purpose driven“ sind – sie investieren oft in eine persönliche Leidenschaft und möchten einen gesellschaftlichen Wertbeitrag stiften. Das mag altmodisch klingen.

Aber das generationenübergreifende und unternehmerische Denken ist tief verwurzelt: Sie wollen etwas schaffen, um es zu erhalten. Deshalb halten sie in der Regel länger durch und werfen die Flinte nicht sofort ins Korn, wenn das schnelle Geld ausbleibt.

Nöll: Das passt auch sehr gut zu der Motivation der Gründerinnen und Gründer: Aus den Ergebnissen des Deutschen Startup Monitors 2020 lässt sich durchaus herauslesen, dass Themen wie Green Economy und Social Entrepreneurship wichtiger geworden sind – ebenso wie Kooperationen mit etablierten Unternehmen. Und es gibt noch einen weiteren Aspekt, weshalb Familienunternehmen für Startups sehr attraktive Investoren und Kapitalgeber sind. Sie sind es gewohnt, generationenübergreifend zusammenzuarbeiten. Natürlich gibt es immer wieder Fälle, wo die Nachfolge und Integration der NextGen nicht klappt, aber die vielen deutschen Unternehmen, die es in die dritte, vierte, fünfte Generation geschafft haben, sind Beleg, dass es oft gut funktioniert.

Rittmann: Der NextGen kommt eine wichtige Rolle zu. Das Mindset der Nachfolgegeneration ist oft ähnlich wie das der Startups. Sie ist technologieaffin, von klein auf „digitalisiert“, international vernetzt, gut ausgebildet. Das heißt: Hier kommen nicht nur die „alte“ Familie und die „junge“ Gründerszene zusammen – sondern letztere trifft auf eine junge NextGen, die sich – das zeigt der letzte NextGenSurvey von PwC – in das Unternehmen aktiv einbringen möchte; besonders bei allem, was mit Digitalisierung zu tun hat. Als Alternative zum eigenen Investment können Familienunternehmen deshalb auch gut beraten sein, ihre NextGen mit Family Venture Capital auszustatten, damit diese das in Technologie-Startups investieren kann. Dass die NextGen selbst dazu bereit ist, zeigt die Studie „Deutschlands nächste Unternehmergeneration“ der Stiftung Familienunternehmen: Drei Viertel der Befragten finden die Kooperation mit Startups zur Entwicklung von digitalen Lösungen wichtig.

Uwe Rittmann

Beruflich hat Uwe Rittmann eine Leidenschaft: Familienunternehmen und Familienunternehmer. Und so wundert es nicht, dass er bei PwC Deutschland für diese Kundengruppe verantwortlich ist. Was den Wirtschaftsprüfer bei seiner Arbeit besonders antreibt: Er möchte seinen Kunden und Mandanten helfen, in der „neuen Normalität“, erfolgreich zu bleiben. Sein Motto: Unternehmen müssen sich permanent erneuern, um langfristig erhalten zu bleiben.

Florian Nöll

Florian Nöll hat schon als Schüler sein erstes Startup gegründet und ist der Gründerszene bis heute treu geblieben – als Mitgründer eines Venture Capital Fonds, der insbesondere Familienunternehmen und Startups zusammenbringen möchte, als langjähriger Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Startups und heute als Head of Digital Ecosystems und Leiter der Startup-Initiative Next Level bei PwC, wozu auch das Center of Excellence für Corporate Venture Capital gehört.

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Uwe Rittmann

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Leiter Familienunternehmen und Mittelstand, PwC Germany

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EMEA Startups, Scaleups & Venturing Leader, PwC Germany

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