Bevölkerungsumfrage: So nehmen die Menschen in Deutschland ihre Sicherheit vor äußeren Gefahren wahr

27 Juli, 2022

Repräsentative Bevölkerungsbefragung von PwC zeichnet Stimmungsbild zu Fragen der äußeren Sicherheit / Fast 80 Prozent der Menschen in Deutschland sehen die EU von Russland bedroht / Klare Mehrheiten unter anderem für Bundeswehrpräsenz an der NATO-Ostflanke, höheren Wehretat und Kampfdrohnen / Nur eine Minderheit ist zufrieden mit Deutschlands politischer Krisenführung

Düsseldorf, 27. Juli 2022

Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist eine politische Zäsur. Wie verändert sie das Denken der Bevölkerung in Deutschland? Detaillierte Antworten auf diese Frage gibt die aktuelle repräsentative Bevölkerungsbefragung zu Themen der äußeren Sicherheit der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland. Aus den Befragungsergebnissen leitet PwC Hinweise für politische und militärische Entscheider:innen ab.

Bedrohungsgefühl und Wertschätzung für Militär hängen zusammen

Ein Auszug aus den Befragungsergebnissen: 78 Prozent der Menschen in Deutschland sehen die Europäische Union infolge des russischen Einmarschs in die Ukraine bedroht – durch mögliche gewaltsame Handlungen, Cyberangriffe und andere Destabilisierungsversuche. Nur 16 Prozent sehen keine (vier Prozent) oder eher keine (12 Prozent) Bedrohung. Und: 65 Prozent der Menschen in Deutschland sind gegenüber der NATO – im Vergleich zur Zeit vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine – „unverändert positiv“ (43 Prozent) und „positiver“ (22 Prozent) eingestellt. 

Die Bundeswehr erfreut sich bei 54 Prozent der Befragten einer positiven Wahrnehmung. Bemerkenswert ist der erhebliche Schub, den die positive Bewertung seit dem Ukrainekrieg erfahren hat: 18 Prozent sagen, sie seien gegenüber der Bundeswehr seither „positiver“ eingestellt. Mehr als die Hälfte der Befragten befürwortet eine Präsenz der Bundeswehr an der Ostflanke der NATO. 

„Insgesamt weist die Forschung darauf hin, dass Bevölkerungen eine recht stabile außenpolitische Grundeinstellung haben. Sie ändern ihre Meinungen allerdings anlassbezogen. Daher ist noch abzuwarten, ob sich das gegenwärtige neue Stimmungsbild von Dauer sein wird. Die Geschwindigkeit, mit der teilweise im politischen Raum ein Kursschwenk erfolgt, ist atemberaubend. Zugleich der Detailgrad, mit dem von manchen bisher nicht in der Sicherheits- und Außenpolitik aktiven Politikerinnen und Politikern detailliert über Vor- und Nachteile bestimmter Waffensysteme diskutiert wird.“

Dr. Wolfgang Zink, Partner Public Sector Consulting bei PwC Deutschland

Bevölkerungsmehrheit ist für höheren Wehretat und Kampfdrohnen

Ist die positivere Grundeinstellung einer Bevölkerungsmehrheit gegenüber dem Militär von Dauer? Die Vielzahl von Indikatoren, die sich verändert haben, weist darauf hin. So plädieren 65 Prozent der Befragten für höhere Verteidigungsausgaben. Noch vor rund neun Jahren zeigten Erhebungen, etwa vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), dass lediglich 19 Prozent der Befragten einen höheren Verteidigungshaushalt befürworteten. 

„Der Stimmungswandel begann 2014 mit der Annexion der Krim durch Russland und dem Krieg in der Ostukraine.“

Dr. Wolfgang Zink, PwC-Sicherheitsexperte

Weitere Studienergebnisse sind ebenfalls interessant: So meinen rund sieben von zehn Befragten, dass die Bundeswehr über bewaffnete Drohnen verfügen sollte. Auch dabei handelt es sich um einen bemerkenswerten Meinungsschub in einer über viele Jahre sehr kontrovers diskutierten Frage. Eine Mehrheit von 58 Prozent unterstützt die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine und andere bedrohte und angegriffene Länder. „Eher“ und „auf jeden Fall“ gegen solche Waffenlieferungen sind 18 und 17 Prozent.  

Alternativen zum Pflichtdienst

In anderen Fragen zeigt sich die Bevölkerung allerdings zögerlicher. 64 Prozent der Befragten sagen, dass sie zu persönlichen Einsparungen bereit wären, um gegenüber Russland eine harte Position einzunehmen. Sie würden dafür beispielsweise weniger Heizenergie und Benzin verbrauchen, auf bestimmte Lebensmittel verzichten oder höhere Preise akzeptieren.

Persönliches Engagement für die Sicherheit ist nicht im alten Rahmen zustimmungsfähig. Für die Reaktivierung der Wehrpflicht in herkömmlicher Form sind 19 Prozent. Weitere 35 Prozent befürworten eine angepasste Wehrpflicht, für Frauen und Männer. Auf Ablehnung stößt die Wehrpflicht bei 37 Prozent.

Größere Zustimmung würde die Einführung eines verpflichtenden Sozialdiensts erfahren. Erst vor wenigen Wochen hatte der Bundespräsident eine Anregung in diese Richtung gegeben. 61 Prozent der Befragten sprechen sich für einen verpflichtenden Sozialdienst aus. Allerdings lehnen ihn auch 30 Prozent ab. Akzeptanzfähiger wäre ein freiwilliges Qualifizierungsangebot mehrerer Monate, um Feuerwehren, Hilfsorganisationen und das Gesundheitswesen zu entlasten. 84 Prozent befürworten dies und nur ganz wenige (drei Prozent) würden ihn ablehnen.    

Sicherheitsfragen gehören dauerhaft auf die politische Agenda

Die Frage, wie gut die politische Führung Deutschlands das Land durch Bedrohungen und Krisen führt, beantworteten insgesamt 58 Prozent der Befragten negativ.    

Auf Basis der Befragungsergebnisse – die Publikation dazu enthält auch demografische Details – formulieren die Studienautor:innen Hinweise für politische und militärische Entscheider:innen. Erstens müssten die politische Kommunikation und Kohärenz besser werden. Die Linien des deutschen Handelns überzeugen in Deutschland (und es kann ergänzt werden: auch international) offensichtlich noch nicht vollends. Gerade angesichts der möglicherweise noch volatilen Akzeptanzbasis ist eine klare Kursbestimmung mit stimmigen Zielen und Mitteln sowie entsprechender Kommunikation erforderlich. 

„Nur gut jede:r Dritte hierzulande hat derzeit Vertrauen in eine robuste äußere Sicherheit Deutschlands. Die Bevölkerung ist also mehrheitlich besorgt und erwartet Antworten der Politik auf drängende Fragen.“

Dr. Wolfgang Zink, Partner Public Sector Consulting bei PwC Deutschland

Zweitens sollte die Politik Sicherheitsfragen wieder stärker öffentlich diskutieren als bisher. Ein strategischer Sicherheitsdiskurs sollte daher auch dauerhaft nicht nur in Insider-Zirkeln, sondern auch öffentlich geführt werden und Raum bekommen. Nur damit gibt es auch einen Kontext, in den die Bewertung konkreter Situationen, von einem bestimmten Auslandseinsatz der Bundeswehr bis hin zum möglichen Umfang der Unterstützung der Ukraine geführt werden können. Drittens gelte es, zeitgemäße Konzepte für mehr gesellschaftliche Resilienz zu entwickeln und umzusetzen. Ein reines „Wiederauflebenlassen“ alter Formate genügt nicht. Zeitgemäße Alternativen hingegen finden Akzeptanz.

„Wie komplex die gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse unter anderem bei Fragen der äußeren Sicherheit sind, ist uns klar. Dennoch appellieren wir an die Politik, einerseits die nun mit hoher Akzeptanz versehenen Weichenstellungen, etwa die Erhöhung der Verteidigungsausgaben, mit Tempo für spürbare Verbesserungen zu nutzen. Zugleich sind Sicherheitsfragen dauerhaft auf der Agenda zu behalten und mit Priorität zu behandeln – auch über den Augenblick hinaus.“

Dr. Wolfgang Zink, Partner Public Sector Consulting bei PwC Deutschland

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Martin Krause

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