09 Oktober, 2023
Im dritten Quartal wagen sich mit Thyssenkrupp Nucera und Schott Pharma wieder zwei Unternehmen an die Frankfurter Börse – weitere Börsenaspiranten könnten folgen / Kapitalerhöhungen und Fremdkapitalemissionen verharren auf niedrigem Niveau / PwC-Experte Stephan Wyrobisch hofft auf Deutschland als Vorreiter für die Wiederbelebung der europäischen IPO-Märkte
Frankfurt am Main, 9. Oktober 2023
Trotz anhaltend trüber Stimmung in der deutschen Wirtschaft und einem nach wie vor herausfordernden Aktienmarktumfeld erlebte der Emissionsmarkt im dritten Quartal ein Comeback: Nach einer kompletten Flaute im zweiten Quartal und nur einem Börsengang im Auftaktquartal wagten sich zwischen Anfang Juli und Ende September zwei große deutsche Unternehmen an die Frankfurter Börse. Sollte sich dieser Trend im Schlussquartal fortsetzen, könnte sich Deutschland europaweit zum Vorreiter für eine Wiederbelebung des IPO-Markts entwickeln. Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse „Emissionsmarkt Deutschland“, für die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC vierteljährlich die Aktienneuemissionen von Unternehmen an der Börse Frankfurt erfasst.
Deutschland steht vor einer Rezession, Inflation und Zinsniveau bleiben vorerst hoch, das Geschäftsklima ist verhalten. Zumindest das Aktienmarktumfeld war über die Sommermonate relativ stabil: Die Indizes bewegten sich seitwärts, die Volatilität – ebenfalls ein Indikator für Unsicherheit am Kapitalmarkt – verharrte auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau.
„Auch wenn das Marktumfeld weiterhin mit Unsicherheiten behaftet ist, kommt endlich wieder Bewegung in den deutschen Emissionsmarkt.“
Nach Monaten der Flaute haben im Sommer zwei Börsenkandidaten ihre IPO-Pläne erfolgreich durchgezogen:
Bereits Anfang Juli ging der Wasserstoff-Spezialist Thyssenkrupp Nucera an die Börse und spielte dabei 605 Millionen Euro ein. Es war das erste IPO in Frankfurt seit Anfang Februar. Trotz schwierigem Marktumfeld verlief die Erstnotiz erfolgreich.
Ende September folgte Schott Pharma: Der Mainzer Glashersteller setzte das seit langem geplante Börsendebüt seiner Pharmasparte in die Tat um; die Erlöse lagen bei 813 Millionen Euro.
„Diese beiden Börsengänge könnten den Auftakt für eine wieder regere IPO-Tätigkeit bilden, auch wenn das Emissionsvolumen bislang deutlich hinter den Vorjahren zurückbleibt.“
Bis Ende September lag das Volumen aus den bislang drei IPOs im Jahr 2023 bei rund 1,4 Milliarden Euro. Im Gesamtjahr 2022 spielten vier Börsengänge 9,4 Milliarden Euro ein, wovon allerdings allein auf den Börsengang von Porsche 9,1 Milliarden Euro entfielen.
In Sachen Kapitalerhöhungen verlief das dritte Quartal allerdings enttäuschend: Im Prime und General Standard verzeichnete die Frankfurter Börse lediglich eine Kapitalerhöhung. Die Talanx AG, im MDAX notierter deutscher Versicherungskonzern, sammelte Ende September 300 Millionen Euro ein. Im Scale-Segment fanden zwei kleinere Transaktionen statt: Die Delignit AG, Anbieter von ökologischen Werkstoffen und Systemlösungen, besorgte sich über eine Kapitalerhöhung acht Millionen Euro an frischem Kapital von der Börse; das IT-Unternehmen Cyan AG sammelte auf diesem Weg eine Million ein.
Damit setzt sich der Negativtrend der vergangenen Monate fort: Seit Jahresbeginn registrierte die Frankfurter Börse nur elf Kapitalerhöhungen im Prime und General Standard in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Im Gesamtjahr 2022 waren es 22 Kapitalerhöhungen bei einem Emissionsvolumen von 14,8 Milliarden Euro. Die Zurückhaltung bei den Kapitalerhöhungen betrifft dabei alle Branchen.
Auch bei den Fremdkapitalemissionen dämpft das nach wie vor schwierige Umfeld die Transaktionstätigkeiten: Nach einem sehr starken zweiten Quartal hat sich der Emissionsmarkt im Investment-Grade-Bereich über die Sommermonate deutlich abgekühlt. Die Anzahl von Investment-Grade-Emissionen fällt auf den historisch niedrigen Wert des zweiten und dritten Quartals des Vorjahres zurück.
„Die hohen Leitzinsen in Kombination mit einem schwachen wirtschaftlichen Umfeld lassen Marktteilnehmer bei Neuinvestitionen zögern.“
Auch der High-Yield-Markt zeigt sich durch das aktuelle Zinsumfeld und die Rezessionssorgen stark belastet und ist nur für einige wenige Emittenten offen. Bereits im zweiten Quartal gab es in diesem Segment nur sehr wenige Transaktionen. Dieser Trend setzte sich im dritten Quartal fort.
Zumindest mit Blick auf Börsengänge blickt der Kapitalmarktexperte Wyrobisch trotz allem vorsichtig optimistisch auf die kommenden Monate:
„Die im abgelaufenen Quartal erfolgreich abgeschlossenen Transaktionen stimmen uns weiterhin zuversichtlich, dass auch im Schlussquartal 2023 und insbesondere im ersten Halbjahr 2024 weitere IPOs folgen werden.“
Auch wenn das Augsburger Rüstungsunternehmen Renk sein für Anfang Oktober angekündigtes IPO absagen musste, stehen dem Vernehmen nach weitere Kandidaten, wie etwa der Tankkartenanbieter DKV in den Startlöchern für eine Erstnotiz an der Frankfurter Börse. Mit dem Parfüm- und Kosmetikeinzelhändler Douglas und dem Mobilitätsanbieter Flix könnten Anfang 2024 weitere IPOs folgen.
Stephan Wyrobisch sieht Deutschland damit europaweit in der Vorreiterrolle:
„Frankfurt hat in Sachen Wiederbelebung des Emissionsmarkts ein erstes Zeichen gesetzt, andere europäische Länder werden hoffentlich nachziehen.“
Im „Emissionsmarkt Deutschland“ analysiert PwC vierteljährlich sämtliche Aktienneuemissionen sowie Kapitalerhöhungen von Unternehmen an der Börse Frankfurt. Darüber hinaus werden Neuemissionen von Unternehmensanleihen deutscher Emittenten erfasst. Die Angaben der Kapitalerhöhungen basieren auf Informationen von Refinitiv, Bloomberg und Capital IQ und beinhalten Transaktionen bis einschließlich 25. September 2023. Davon ausgenommen ist der Börsengang von Schott Pharma, für den Daten bis einschließlich 29. September 2023 einbezogen werden.
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