Interview: Deutschland als Standort für die Videospielbranche, Gaming-Trends und Esport

24 Oktober, 2019

Ein Interview mit Jens Kosche, Geschäftsführer von Electronic Arts in der DACH-Region, über Deutschland als Standort für die Videospielbranche, Gaming-Trends und E-Sport.

Herr Kosche, welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für Deutschland als Standort der Videospielbranche?

Die Bereitschaft, Geld für digitale Güter zu zahlen, die man nicht physisch besitzt, ist im Vergleich zu anderen Ländern geringer. Da ist Deutschland ein ganz anderes Spielfeld. Die deutsche Bundesliga hat die Premier League als Vorbild oder Anreiz, so sehe ich das auch im Videospielbereich. Den deutschen Gamingmarkt nehme ich daher weiterhin als sehr positiv wahr und sehe sehr großes Potenzial. Dadurch, dass derzeit circa jeder Zweite ein Gamer ist, kann noch eine weitere Hälfte erreicht werden.

Ist die Games-Förderung in Deutschland angemessen? Wie lassen sich die Strukturen Ihrer Meinung nach – auch im Hinblick auf die Aktivitäten in Verbindung mit game, dem Verband der deutschen Games-Branche, noch verstärken?

Ich sehe die Entwicklung wirklich positiv. Diese ist stärkeren Verbänden und einem verbesserten Zugang zur Politik – auch durch Organisationen wie game – zu verdanken. Grundsätzlich wird natürlich der Markt entscheiden, welche Produkte sich durchsetzen, allerdings ist es äußerst auffällig, dass der Anteil deutscher Produktionen weiterhin bei weit unter 10 Prozent liegt. Insbesondere die Förderung ist ein Standortthema. Wenn man in einer digitalen Zukunftsbranche mitreden möchte und dabei sein will, dann gehören – wie auch bei anderen Zukunftsthemen – Investitionen in die entsprechenden Infrastrukturen und Standorte dazu. Nichts Anderes ist für mich eine Games-Förderung.

Kanada beispielsweise ist es durch strukturierte Förderung gelungen, kreative Leute anzuziehen, Sicherheit und Stabilität zu schaffen sowie ein Ökosystem aufzubauen, das nachhaltig tolle (und profitable) Ideen und Produkte generiert. Besonders am Anfang muss man daher auch in Fundamente und Strukturen investieren. Wenn wir uns darüber hinaus die Wechselbeziehungen der Videospielbranche zu anderen Unterhaltungs- und Medienbranchen ansehen, lassen sich auch die langfristigen Potenziale aufzeigen. Allein in der Filmbranche befruchten sich Studios und Spielentwickler schon länger gegenseitig.

Können Sie sich eine stärkere Games-Entwicklung für Electronic Arts (EA) auch in Deutschland vorstellen?

EA hat in Deutschland bereits einige Abteilungen der Entwicklungsteams, zum Beispiel das Datenbank- und Lizenzierungsteam des FIFA-Entwicklungsstudios, wesentliche Teile des weltweiten Lokalisierungsteams und der Trailerproduktion. Die entsprechenden Abteilungen hier in Köln wachsen ständig und liefern insbesondere technologische Grundlagen für die gesamte Gruppe.

Was sind die Besonderheiten der deutschen Gamer als Zielgruppe und des lokalen Marktes für EA?

Die Konsumenten in Deutschland sind durchaus etwas zurückhaltender als in anderen Märkten und weisen ein charakteristisches Konsumentenverhalten auf: Zunächst spielt im Bereich Distribution der stationäre Handel hier weiterhin eine starke Rolle, da unter anderem der Bedarf nach Packaged Goods im Vergleich zu anderen Ländern immer noch recht hoch ist. Meiner Ansicht nach gibt es bei den Spielern in Deutschland weiterhin die Lust, etwas in der Hand zu halten, auch was digitale Güter betrifft. Dann werden auch andere Spiele gespielt – vermehrt Simulationen (z. B. Landschaftssimulator) oder klassische Strategiespiele – die in anderen Märkten deutlich weniger gefragt sind. Hier findet sich auch die Altersgruppe 60 plus wieder, die natürlich auch den Vertrieb und die Zielgruppenansprache beeinflusst. Und schließlich liegt in Deutschland ein anderer Plattformmix vor. Im Vergleich zu anderen Ländern werden hierzulande mehr PCs genutzt, während es beispielsweise in Großbritannien oder auch Frankreich eher Konsolen sind.

Hinsichtlich Cloud-Gaming hat EA bereits eine Kooperation mit Google Stadia angekündigt, ohne jedoch konkrete Titel zu nennen. Wie schätzen Sie den Einfluss des Cloud-Gaming allgemein ein und welche kritischen Erfolgsfaktoren sehen Sie für den deutschen Markt?

Unsere Vision ist eine Welt, in der jeder die Möglichkeit hat, auf jedem beliebigen Gerät zu spielen, wann und wo auch immer. Cloud-Gaming ist dabei sicherlich ein wesentlicher Faktor. Was Deutschland angeht, denke ich, müssen wir zunächst einmal unser Problem mit der Internetbandbreite im ganzen Land lösen. Wir sehen immer noch einige Bereiche mit schlechtem Internet. Deshalb schätzen wir den Fokus der Regierung, dies zu beheben, aber es gibt noch viel zu tun.

Die Umsätze aus Gebühren für Onlinedienste sowie die Nutzeranzahlen sind in den vergangenen Jahren extrem gestiegen. EA ist mit Origin und EA Access bereits ein sehr relevanter Player. Wie könnte Cloud-Gaming diese Strukturen verändern?

Egal welche Plattform genutzt wird, wir wollen dabei sein. Unser Ziel ist es, den potenziellen Spieler abzuholen und ihm die geeignete Plattform und das für ihn richtige Spielempfinden zu ermöglichen. EA investiert in neue Technologien, um vorn mit dabei zu sein, und wir entwickeln dabei bestehende Konzepte ständig weiter.

Wir glauben fest an die Kombination von Streaming und Abonnements – wir glauben, dass das ein entscheidender Faktor dafür sein kann, in Zukunft noch mehr Menschen für digitale Spiele zu begeistern. Wir sind heute führend bei Abonnementangeboten für Spieler und freuen uns darauf, das Potenzial der Kombination von Abonnements und Cloud-Gaming-Angeboten zu sehen.

Free-to-Play als Ansatz wird aber weiterhin eine große Rolle spielen. Hiermit lässt sich eine Öffnung von Plattformen und der Zugang zu einer Vielzahl an Angeboten und Kanälen erreichen. Wir können über Free-to-Play sehr schnell eine Vielzahl von Interessenten ansprechen und diese gegebenenfalls auch für unsere anderen angebotenen Spiele begeistern. Diese Spiele sind ja skalierbar und der überwiegende Teil der Titel profitiert stark von einer aktiven Community.

Mit Apex Legends hat EA eine Antwort auf Fortnite gegeben und ist noch einmal konkret auf den enormen Trend von Battle Royale und Free-to-Play-Spielen eingegangen. Welche Erwartungen haben Sie an die weitere Entwicklung und Potenziale dieses Marktsegments?

Battle Royale lebt von der Skalierung. Aus diesem Grund freut es EA selbstverständlich, dass Apex Legends so gut funktioniert hat. Das Konzept basiert ja ursprünglich auf einer Subkultur aus dem Japanischen mit großer Bekanntheit. Darauf konnte man aufsetzen. Mithilfe einer sehr aktiven Community entwickelte sich Apex Legends dann für uns sehr schnell, wie die meisten großen E-Sport-Titel.

Apex Legends ist dabei einfach ein technisch hervorragendes Spielerlebnis, das auch deshalb besonders gut funktioniert hat. Wir sprechen damit vielleicht auch eine andere, gegebenenfalls etwas ältere Spielergruppe an als unsere Wettbewerber. Außerdem ist ein wichtiger Punkt, dass Apex Legends als einziges Spiel im Battle-Royale-Segment lediglich als Team siegreich zu bestreiten ist. Die Kombination aus Free-to-Play und TV-Konsolen ist zudem auch noch recht neu für die Spieler und hat zu unserem Erfolg beigetragen. Ich bin daher davon überzeugt, dass sich Battle Royale als eigener, stabiler Markt weiter etablieren wird. Natürlich erhoffen wir uns davon auch Folgeeffekte und das Interesse oder die Begeisterung für unsere Full Games (das heißt vollbepreiste Kaufspiele) zu wecken und hierbei von der enorm großen Reichweite von Free-to-Play zu profitieren.

Wie sehen Sie die Zukunft des Gamings in Bezug auf Umsatzstrukturen: Bleibt der Spieleverkauf wichtig oder können Sie sich vorstellen, dass auch Spiele wie FIFA Free-to-Play-Titel werden?

EA probiert sich in verschiedenen Konzepten aus. In Asien gibt es FIFA online sogar schon als Free-to-Play. Grundsätzlich ist es EA wichtig, für jeden Spieler das Erlebnis oder Modell zu finden, das ihn am meisten anspricht. Hierfür halten wir Vielfalt in unserem Angebot und innovative Ansätze für einen wesentlichen Erfolgsfaktor.

Was spricht die Kunden am meisten an?

Die breite Palette der Distribution und die hohe Flexibilität. Es besteht unter den Kunden eine hohe Bereitschaft zu zahlen, zum Beispiel für Differenzierung. Wir bieten dementsprechend diese Leistungen – beispielsweise Skins oder andere Spielinhalte – an, weil die Nachfrage bei unseren Kunden so groß ist. Selbstverständlich müssen wir als Unternehmen dabei aber auch sensibel vorgehen, um gerade auch Casual Gamer weiterhin anzusprechen.

Wie stark wird neben dem Cloud-Gaming der Einfluss von Technologien wie 3-D-Brillen oder Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) die Spielerfahrung beeinflussen? Welche Trends sehen Sie hierbei als besonders vielversprechend?

Ich sehe Technologie als Fortschritt und hilfreich an, sofern es das Spielerlebnis der Gamer natürlicher und immersiver gestaltet. Je natürlicher das Spielerlebnis ist, desto besser.

Das hängt allerdings auch von den folgenden wichtigen Themen ab: Grafik, Leistung und Erlebnis. Mit „Erlebnis“ meine ich, dass man zum Beispiel das verwendete Equipment beim Spielen nicht spürt oder gar als störend wahrnimmt. Bei vielen Ideen und Ansätzen funktioniert das Zusammenspiel dieser Faktoren bisher noch nicht in dem Maße, dass es bei den Kunden ankommt. VR-Brillen beispielsweise sind häufig sehr schwer oder der Spieler erfährt Verzögerungen in der Interaktion.

EA unterstützt ihre Studios sehr stark dabei, neue Technologien wie VR-Brillen auszuprobieren und technologische Trends mitzugestalten. Wir überlassen es dann aber den Studios, wie sie das Erlebnis am besten gestalten. Zum Beispiel empfand ich es als spannenden Ansatz, bei Star Wars Battlefront VR-Brillen im Flugmodus im Tie Fighter einzusetzen.

Wir haben darüber hinaus eine eigene Einheit namens „Seeds“ bei EA, die sich um Zukunftstechnologien kümmert. Diese beschäftigt sich – um nur ein Beispiel zu nennen – mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Programmierung von Leveldesigns.

Durch das Engagement der Deutschen Fußball Liga (DFL) und der deutschen Bundesligavereine professionalisiert sich die Struktur im virtuellen Fußball zunehmend – hiervon profitiert auch Ihr Titel FIFA. Wie schätzen Sie hier die weitere Entwicklung und auch die Rolle von EA ein?

Wir sind der Auffassung, dass – auf Basis der durch uns bereitgestellten Infrastruktur – aus jedem ein Star werden können sollte. Bei FIFA kann jeder täglich seine Erfolgserlebnisse wahrnehmen und muss nicht zwingend ein Profi sein. E-Sport ist die Königsklasse und bleibt dadurch leider auch immer lediglich für wenige zugänglich. Daher ist es mir ebenso wichtig, Breite anzubieten, das heißt, den Breitensport zu fördern. Wir bieten hierfür unter anderem eigene Turniere und Partnerschaften an, in denen Spieler trainieren und sich weiterentwickeln können, um später E-Sport-Profis und -Stars zu werden. Die große Begeisterung, das Engagement der DFL und Vereine sowie die neuen Entwicklungen der letzten Jahre sehe ich hier als sehr positiv an.

Welchen Einfluss können Publisher auf Erfolg und Verbreitung potenzieller E-Sport-Titel nehmen?

Auch EA arbeitet natürlich daran, das Thema E-Sport weiter voranzutreiben. Dies geschieht durch neue Spiele, eigene TV-Studios, Erfahrungsaufbau im Rechtehandel und selbstverständlich durch das Einbringen der Publisher-Strukturen, zum Beispiel in Marketing und Vertrieb. Ob dafür eigene Ligen oder auch geschlossene Strukturen erforderlich sind, wird die weitere Entwicklung zeigen. Grundsätzlich gehen die globalen Publisher mit sehr unterschiedlichen Ansätzen an die Sache heran. Für EA in Deutschland sehe ich es so, dass wir mit der Electronic Sports League (ESL) den weltgrößten Anbieter von E-Sport-Ligen ja direkt vor der Haustür haben und freue mich daher über den direkten Austausch.

Über den Autor

Jens Kosche ist seit dem 1. Juni 2014 Geschäftsführer von Electronic Arts (EA) Deutschland/Österreich. Der Diplom-Ökonom ist in unterschiedlichen Funktionen bereits seit 2003 bei Electronic Arts tätig, zuletzt als Sales Director für den deutschen und österreichischen Markt.

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