05 Juli, 2022
Ist Unsicherheit die neue Normalität? 2020 und 2021 hat die Coronavirus-Pandemie die globale Entertainment- und Medienbranche beeinflusst, nun beeinträchtigt der Krieg in Osteuropa unsere Prognosen. Aber: Während der Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns haben viele Verbraucher:innen sich stärker als vorher für digitale Inhalte und Dienstleistungen interessiert. Dass soziale und Online-Videoplattformen zunehmend zum Einkaufen einluden, eröffnete insbesondere Online-Handelsunternehmen jeder Art und Größe beträchtliche Chancen. Die Werbung folgt diesen Konsumausgaben. Dies hat bedeutende Auswirkungen auf die Onlinewerbung.
Zuerst ein Blick auf die Zahlen: Nach einem Rückgang von -2,3 % im Jahr 2020 haben sich die weltweiten Gesamteinnahmen aus der Entertainment- und Medienbranche (E&M) erholt. 2021 stiegen sie um +10,4 %, von 2,1 auf 2,3 Billionen US-Dollar an weltweitem Umsatz. Die Expert:innen rechnen damit, dass der Aufschwung anhält. Bis 2026 prognostizieren sie eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate, CAGR) von +4,6 %. So wird der weltweite E&M-Umsatz bis 2026 voraussichtlich auf 2,9 Billionen US-Dollar steigen.
Ihr Experte für Fragen
Werner Ballhaus
Global Entertainment & Media Sector Leader und Leiter Technologie, Medien, Telekommunikation (TMT) bei PwC Deutschland
Tel.: +49 211 981-5848
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Im Jahr 2026 werden Werbeeinnahmen voraussichtlich die Eine- Billion-US-Dollar-Marke überschreiten und mit einem Anteil von fast 35 % an den Gesamteinnahmen damit branchenweit die größte Einnahmequelle darstellen. Im Jahr 2021 verzeichnete Werbung weltweit ein Wachstum von +22,6 % im Vorjahresvergleich. Bis 2026 rechnen die Expert:innen mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von +6,6 % pro Jahr.
Onlinewerbung ist der wichtigste Wachstumstreiber bei der Werbung. Die Einnahmen durch Onlinewerbung werden voraussichtlich um +9,1 % pro Jahr bis 2026 steigen. Davon werden 74 % 2026 über mobile Werbung erzielt. Demgegenüber wird analoge Werbung kaum wachsen und ab 2025 sogar rückläufig sein.
Die weltweiten Umsätze aus Onlinewerbung lagen 2021 bei 468 Milliarden US-Dollar – ein herausragender Anstieg um +31,6 % gegenüber 2020 bzw. 112 Milliarden Dollar mehr Umsatz. Alle anderen Werbeformen zusammengenommen konnten nur 26 Milliarden US-Dollar mehr Umsatz generieren. Die traditionelle Radiowerbung ist stabil und verzeichnet gemäß den Prognosen bis 2026 einen leichten Anstieg (+1,3 Prozent CAGR), während die Werbeeinnahmen bei Printmedien bis 2026 voraussichtlich um weitere -11 Milliarden US-Dollar sinken werden.
Allerdings hinterfragen die Aufsichtsbehörden die Dominanz der großen Technologieunternehmen zunehmend kritisch. Die Regierungen versuchen, die Macht dieser Unternehmen zu begrenzen und die Einnahmen unabhängiger Anbieter im Internet zu schützen. Regulierungen könnten unsere Prognosen daher noch verändern.
Die klassische Fernsehwerbung bewegt sich um die Marke von 150 Milliarden US-Dollar. Seit es mehr und mehr datengesteuerte und adressierbare TV-Werbung gibt, konzentrieren sich die Sender stärker auf ergebnisorientierte Werbung und Messdienste. Die Konvergenz von adressierbarem linearem Fernsehen, OTT-Streaming, Connected-TV-(CTV)-Werbung und massentauglichem Online-Handel ist die Basis für „Shoppable TV 2.0“.
So betten beispielsweise erste Sender QR-Codes in die Werbung ein. Wenn die Zuschauenden sie scannen, gelangen sie direkt zur Produktseite oder zum Online-Shop. Die Zukunft dieser Technologie werden jedoch die großen Digitalkonzerne wie Google oder Amazon bestimmen. In einem neuen digitalen Anzeigenformat von Amazon können Zuschauer:innen beispielweise ein beworbenes Produkt einfach per Klick auf die Fernbedienung oder durch Interaktion mit der virtuellen Assistentin Alexa direkt kaufen. Eine solche reibungslose Kombination von Fernsehen, Handel und Smart Home ist die langfristige Zukunft des Shoppable TV.
Hinzu kommen die möglichen Anwendungsfälle für Werbung im Metaversum. So wird Werbung zu einem der lebendigsten und dynamischsten Segmente der E&M-Branche.
Augmented Reality (AR), E-Sports und Virtual Reality (VR) gehören zu den am schnellsten wachsenden Segmenten. Der Konsumumsatz mit mobiler AR wird in den kommenden fünf Jahren um +39,1 % steigen, weil die Technologie zunehmend in Apps, Spielen und anderen Anwendungen eingesetzt wird.
Die Pandemie hat den Verkauf von Eintrittskarten für E-Sport-Events stark negativ beeinträchtigt, weil viele große Turniere abgesagt oder verschoben werden mussten. Ab dem Jahr 2022 erwarten die Expert:innen jedoch einen Anstieg von +31 % CAGR bis 2026.
Das Segment Virtual Reality (VR) ist im Jahr 2021 um +36 % auf 2,6 Milliarden US-Dollar Umsatz gewachsen. Selbst im ersten Pandemiejahr 2020 war VR um +39 % gegenüber dem Vorjahr gewachsen. VR-Spiele kamen 2021 auf einen Umsatz von 1,9 Milliarden US-Dollar. Bis 2026 werden es voraussichtlich 6,5 Milliarden US-Dollar werden. Das entspricht 85 % der gesamten Einnahmen durch Virtual Reality.
Im Jahr 2021 erreichte der Gesamtumsatz mit Videospielen (ohne E-Sports) 214,2 Milliarden US-Dollar. Er wird sich bis 2026 auf 321 Milliarden US-Dollar erhöhen. Auf der anderen Seite schrumpften die Einnahmen aus dem Verkauf herkömmlicher PC-Spiele am schnellsten. Die Dominanz von Plattformen wie Steam hat dazu geführt, dass physische PC-Spiele mehr oder weniger obsolet geworden sind.
Blicken wir auf die Unternehmenskäufe und -verkäufe der Branche. In jüngerer Zeit häuften sich Fusionen und Übernahmen in der Videospielbranche. Hervor stach die Ankündigung der Rekordübernahme von Activision Blizzard durch Microsoft für 69 Milliarden US-Dollar. Dies stärkt Microsofts Position in der Spielebranche an allen Fronten weltweit, auch im Hauptgeschäft mit Konsolen sowie den zunehmend wichtigen neueren Xbox-Anwendungen: Mobile, PC, Cloud-Gaming und Abonnements.
2021 hat Sony gleich fünf Videospielstudios übernommen, darunter Bluepoint und Valkyrie Entertainment. Mit der Ankündigung der 3,6 Milliarden US-Dollar schweren Übernahme von Bungie, dem Entwickler der Erfolgsspiele Halo und Destiny, sowie von Haven Studios setzte das Unternehmen seine M&A-Aktivitäten fort.
Bei den Regionen ist Festlandchina auf dem Vormarsch. Die Expert:innen rechnen damit, dass der dortige E&M-Umsatz bis 2026 um +8,1 % CAGR auf 357 Milliarden US-Dollar wachsen wird. China ist bereits jetzt der weltweit größte Datenkonsument mit 804 Tsd. Petabytes (PB). Fast ein Drittel dieses Verbrauchs erfolgt über Mobilfunknetze. Es ist zu erwarten, dass mobile AR-Spiele in den kommenden Jahren in Festlandchina boomen werden, da die großen dort aktiven Tech-Unternehmen Huawei und Tencent massiv in die Entwicklung solcher Spielen investieren. Wenn der chinesische AR-Mobilsektor so rasch wächst wie prognostiziert, wird China den bisherigen Marktführer USA überholen und bis 2025 zum Weltmarktführer in diesem Segment aufsteigen.
Derzeit liegen die Nordamerikaner:innen, insbesondere die US-Amerikaner:innen noch bei den weltweiten Pro-Kopf-Ausgaben für Unterhaltung und Medien vorne: Mit 2.229 US-Dollar gaben sie im Jahr 2021 fast doppelt so viel aus wie die Westeuropäer:innen (1.158 US-Dollar).
Im asiatisch-pazifischen Raum lagen die Pro-Kopf-Ausgaben nur bei 224 US-Dollar, obwohl die Region die größten Umsätze erzielt. Dies liegt an der großen Bevölkerungszahl in Märkten wie China und Indien und daran, dass in dieser Region eine Reihe schnell wachsender E&M-Märkte wie Pakistan, Thailand und Usbekistan liegen.
Der Nahe Osten und Afrika hatten mit 82 US-Dollar die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben für E&M weltweit. Sie sind jedoch, zusammen mit Lateinamerika und Asien, die Märkte mit den höchsten durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten. Die größten Wachstumschancen in den kommenden fünf Jahren sehen die Expert:innen in der Türkei (+ 14,2 Prozent CAGR) sowie in Argentinien (+10,4 Prozent CAGR), Indien (+9,1 Prozent CAGR) und Nigeria (+8,8 Prozent CAGR). Saudi-Arabien ist der größte Markt in der Region. Hier lagen die Pro-Kopf-Ausgaben mit 460 US-Dollar im Jahr 2021 über dem weltweiten Durchschnitt von 394 US-Dollar.
„Die Verbraucher:innen entscheiden, wie sie ihre Zeit, ihre Aufmerksamkeit und ihr Geld investieren. Sie treiben den Wandel in der Branche voran und bestimmen die Trends – letzten Endes stärker, als Unternehmen dies tun.“
Werner Ballhaus
Global Entertainment & Media Sector Leader und Leiter Technologie, Medien, Telekommunikation, PwC Germany
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