PwC-Studienreihe: Versicherungsvertrieb während und nach der Pandemie – Eisberg oder Rückenwind?

28 Februar, 2023

Digital ist gut – Vertrauen ist wichtiger

In den letzten Monaten haben wir Ihnen regelmäßig Insights aus unserer aktuellen Studie zum Versicherungsvertrieb während und nach der Pandemie vorgestellt, die wir zusammen mit den Versicherungsforen Leipzig durchgeführt haben.

Betrachtet haben wir die fünf dominanten Vertriebswege und ihnen jeweils einen Studienbeitrag gewidmet. In diesem abschließenden Artikel wollen wir noch einmal die Ergebnisse zusammenfassen und gegenüberstellen.

Ihr Experte für Fragen

Sven Stark
Insurance Leader Advisory, Partner bei PwC Deutschland
Tel.: +49 69 9585-1131
E-Mail

Über die Studie

Die Bearbeitung der Fragestellung erfolgte in fünf Stufen. Zunächst wurden in einer umfassenden Recherche Erkenntnisse zu aktuellen Trends, Themen und Kundenanforderungen, bezogen auf den Versicherungsvertrieb, zusammengetragen. Anschließend haben wir eine Online-Umfrage unter 1.000 Endkund:innen durchgeführt und Erwartungen an und Erfahrungen mit dem Vertriebsprozess erhoben. Besonderer Fokus lag auf Veränderungen, die sich im Zuge der Corona-Pandemie in der Interaktion mit dem Versicherungsunternehmen ergeben haben. Die Ergebnisse haben wir in einer weiteren Online-Umfrage den Einschätzungen von Vertriebsexpert:innen aus Versicherungsunternehmen gegenübergestellt. In einem vierten Schritt diskutieren wir zentrale Themen und Fragestellungen in leitfadengestützten Tiefeninterviews noch einmal detailliert mit Vorstandsmitgliedern und leitenden Vertriebsexperten aus Versicherungsunternehmen. Die Erkenntnisse werden für die verschiedenen Vertriebswege aufbereitet, Handlungsfelder formuliert und aufeinander aufbauend veröffentlicht.

Unser Studienrückblick in fünf Überschriften

Neuer Wein ja, aber die alten Schläuche braucht es weiter

Der Ausschließlichkeitsvertrieb zeigte sich belastbar in der Krise. Hier wurde schnell auf digitale Prozesse und Beratungswege umgestellt, dabei hat man jedoch die Klassiker Telefon, E-Mail und Brief nicht vergessen. Zudem unterstützten die Versicherungsunternehmen mit Technik, Schulung und Bestandskampagnen – Ergebnis: Agenturen mit engem Kundenkontakt verzeichneten steigende Cross-Selling-Quoten, die Versicherungen stärkere Kundenbindung. Unsere Befragung unter Branchenexperten ergab, dass folgende Kanäle für den Kundenkontakt die erfolgreichsten sind: 1.) die persönliche Kundenansprache über Vermittler (82,8%), 2.) der Service Point bzw. die Agentur (53,1%) und 3.) die persönliche Weiterempfehlung durch Kunden (34,4%). Entsprechend zeigt sich, dass man diesen erfolgreichen Weg weiter zusammen geht und technologiebasierte Beratung und Prozesse und deren Möglichkeiten weiterhin mit großer Kundennähe durch die Exklusivvermittler kombiniert werden.

Nichts ist so beständig wie der Wandel

Der Maklervertrieb befindet sich nicht nur aufgrund der Pandemie im Umbruch. Die seit rund zehn Jahren zu beobachtende Konsolidierung im Maklervertrieb aufgrund von Überalterung und Mangel an Nachwuchs verschärft sich weiter und erzeugt ein neues Machtgefüge zugunsten der Makler. Daher wird es zukünftig immer mehr und insbesondere in Zeiten wie diesen wichtig für die Assekuranz sein, die Anforderungen an die gemeinsame Zusammenarbeit seitens der Makler zu kennen und stetig zu optimieren. Das heißt weg von der Absatzorientierung – hin zur Maklerorientierung oder anders ausgedrückt: Aktivitäten nicht mehr nur von innen nach außen, sondern von außen nach innen anstoßen. Was bedeutet das konkret? Das Versicherungsunternehmen von morgen löst das Regionalprinzip und standardisierte, absatzfokussierte Verkaufstorys ab. Stattdessen berücksichtigt er spezifische Entwicklungstreiber und definiert somit individuell auf das jeweilige Maklersegment zugeschnittene Prozesse und Dienstleistungen. Das Wichtigste unter dem Strich ist, die Makler für sich zu begeistern. Eine bedeutende Rolle hierbei spielt vor allem auch die „Technik, die begeistert“. Insbesondere während der Pandemie bewiesen Maklervertriebe wie auch Versicherungsunternehmen Innovationskraft und hohe Veränderungsbereitschaft. Digitale Services, virtuelle Beratung aber auch Social-Media-Kanäle als Informationsmedien – all dies hat sich rasend schnell etabliert und wird auch nach der Pandemie bleiben.

Ein weiterer Trend, der sich im Maklervertrieb abzeichnet, ist die zunehmende Kraft der Pools. Sie dominieren den Markt immer stärker und bündeln immer mehr Geschäft. Durch Verschmelzung und Konsolidierung entstehen große Marktplätze, die alle digitalen Transaktionen zusammenführen und damit Versicherungsvertrieb erstmalig skalierbar machen. Ergebnis: Die Mehrheit der Pools konnte ihre Erlöse während Pandemie steigern. Je breiter das Produktportfolio, desto besser können Einbrüche bei einzelnen Sparten ausgeglichen werden. Die mit den Pools entstandene Mehrstufigkeit in der Vermittlerkette muss von Versicherungsunternehmen berücksichtigt und in der Datenverwaltung und Vergütung abgebildet werden. Außerdem steigt der Wettbewerbsdruck durch Vergleichsportale. Die Einbindung der Tarife in Vergleichsrechner erfordert online-gerechte Produkte und Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette ohne Medienbruch und inklusive rechtssicherer Dokumentation. Je intuitiver die Selfservice-Portale, desto attraktiver sind sie für die Nutzer. Und ebenfalls wichtig: die Auswahl des geeignetsten Produktgebers erfolgt immer mehr über künstliche Intelligenz.

Zum zweiten Teil der Studie

Krise? Welche Krise?

So paradox es klingen mag, aber für die Versicherungsvertriebe bietet die Corona-Pandemie neue Chancen, die die Mehrheit auch zu nutzen weiß. So steigerten beispielsweise im Corona-Jahr 2020 90 Prozent aller Versicherungsvertriebe ihre Provisionserlöse. Wie? Durch das Erkennen und Ergreifen neuer Geschäftschancen. Zahlreiche Vertriebe haben auf die Videoberatung als neuen Kontaktkanal gesetzt.

Vorteil hierbei: mehr Effizienz durch kürzere Taktung und engere Kundenbindung durch höhere Terminfrequenz. Bei der Neukundengewinnung lassen sich bisherige Präsenzveranstaltungen durch Online-Webinare ersetzen, die zudem Skalierungspotenzial bieten. Obwohl der Trend zum Online-Vergleichen und -Abschließen da ist, punkten die Vertriebe durch ihre hybriden Beratungsmodelle mit entsprechenden Serviceleistungen und der Betreuung im Schadensfall.

„Nach der Pandemie wird erfolgsentscheidend sein, diesen Mix aus digitaler, hybrider und dann auch wieder punktuell persönlicher Beratung beizubehalten als Wettbewerbsvorteil gegenüber rein digitalen Angeboten, mit denen sie weiterhin verglichen werden.“

Sven Stark,Insurance Leader Advisory, Partner bei PwC Deutschland

Auch nach innen gerichtet zeigt die Pandemie positive Auswirkungen. Obwohl das Arbeiten im Homeoffice die Kommunikation und Führung stark veränderte, erzeugten die neuen Abläufe in der Zusammenarbeit eine regelrechte Aufbruchstimmung. Für die Berater, die mit den neuen technischen Abläufen Schwierigkeiten hatten, investierten die Vertriebe in neue remote abrufbare Weiterbildungsformate, um die Digitalkompetenz der Berater zu stärken. Für den Recruiting Prozess war es ebenfalls notwendig, sich den veränderten Bedingungen anzupassen. Die, die hier bewerberzentrierte und online-fähige Prozesse implementierten und damit vor allem junge Talente ansprachen, gewinnen heute mehr neue Berater als vor der Pandemie. Nachholbedarf besteht aus Sicht der Vertriebe vor allem bei den Geschäftsprozessen der Versicherungsunternehmen – hier gibt es in Sachen Nutzung aller technischen Effizienzvorteile und bei der Prozessqualität noch viel Optimierungspotenzial. Die Zauberformel für künftige Erfolge wird also die clevere Kombination aus persönlicher Beratung als Wettbewerbsvorteil und automatisierter Datennutzung sein – sowohl in der Neukundengewinnung als auch in der Bestandskundenbetreuung.

Zum dritten Teil der Studie

Noch Luft nach oben

Obwohl das Versicherungsgeschäft in Deutschland in den letzten Jahren stetig wächst, ist davon im Bankenvertrieb nicht viel zu spüren. Nur etwa jede fünfte Lebensversicherung wird über Kreditinstitute abgeschlossen, bei den privaten Krankenversicherungen ist es gar nur jede 25te. Dass hier definitiv mehr möglich wäre, zeigt der Blick ins europäische Ausland: In Portugal werden 80 Prozent der Lebensversicherungen über Banken vermittelt, in Italien sind es 75 Prozent und in Frankreich und Spanien 65 Prozent. Einziges relevantes Versicherungsprodukt im Bankenvertrieb ist die Kreditabsicherung im Rahmen von Baufinanzierungen.

Um das Potenzial, das die Bancassurance bietet, besser zu nutzen, denken die Banken über neue Geschäftsmodelle nach. Dabei spielt das verstärkte Angebot von bankfremden Dienstleistungen und Produkten eine immer größere Rolle. Ebenso der Ausbau von Online-Angeboten, der im Zuge der Digitalisierungswelle aufgrund der Corona-Pandemie nochmals einen deutlichen Schub erhielt. Nicht nur die Kommunikation zwischen Bank und Kunde, wie auch zwischen Bank und Versicherungsunternehmen fand neue Wege, auch Beratungsangebote und Antrags- und Vertragsprozesse wurden virtualisiert bzw. digitalisiert. Dabei mussten nicht nur technische Schwierigkeiten überwunden, sondern auch Akzeptanz für die neuen Vorgehensweisen geschaffen werden.

Großes Potenzial boten auch Up- und Cross-Selling durch bessere Erreichbarkeit der Kunden und größere Kapazitäten bei den Bankmitarbeitern aufgrund des fehlenden Publikumsverkehrs. Doch trotz aller Vorteile, die die Digitalisierung mit sich bringt, bleibt der Faktor Mensch ein wichtiger, d.h. eine gesunde Mischung aus virtueller und persönlicher Beratung wird am Ende ausschlaggebend für den Erfolg der Bancassurance sein.

Zum vierten Teil der Studie

…with sugar on top…

Auch der Direktvertrieb nimmt – insbesondere im Vergleich zu manchen europäischen Nachbarn – einen geringen Anteil am Neugeschäft ein und das, obwohl diesem Absatzweg bereits seit vielen Jahren eine rosige Zukunft attestiert wird. Ursache hierfür sind nicht vorhandene oder mangelhafte (weil zu komplizierte) digitale Abschlussmöglichkeiten. Und wieder „hilft“ die Corona-Pandemie, denn der bereits vielfach erwähnte Digitalisierungsschub sorgt und sorgte für den deutlichen Ausbau bzw. Verbesserung des digitalen Angebots. Allerdings eben nicht nur für den Direktvertrieb, sondern auch für die Online-Angebote der „traditionellen“ Versicherungsunternehmen. Wie also können sich Direktvertriebe nun noch mit ihrem Angebot abgrenzen?

Direktvertriebe sind kraft ihres Geschäftsmodells per se Klassenbeste in Sachen digitaler Zugang. Dieser Vorteil muss unbedingt gespielt werden, indem zum Beispiel Anliegen, die keine persönliche Interaktion zwischen Kunde und Versicherungsunternehmen erfordern, komplett digital abgewickelt werden können. Für komplexere Sachverhalte oder erklärungsbedürftige Produkte muss es aber auch weiterhin Möglichkeiten für eine persönliche Interaktion geben, sei es per Videoberatung oder Telefonmeeting. Ein besonderes Ass im Ärmel der Direktversicherungsunternehmen sind zusätzliche Services und Angebote, die aufgrund ihrer hervorragenden digitalen Infrastruktur vor allem sie anbieten können. Als Beispiel seien hier virtuelle Coachings oder psychologische Beratungen als Ergänzung zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung genannt. Dazu braucht es passende Kooperationspartner und eine schnelle und flexible Integration der jeweiligen Angebote. Dazu sind Direktversicherungsunternehmen in der Lage und diese zusätzlichen Angebote – the sugar on top – werden schlussendlich den (vertrieblichen) Unterschied machen.

Zum fünften Teil der Studie

„Die Ergebnisse unserer Studienreihe haben gezeigt, dass die Zeichen im Versicherungsvertrieb auf "hybrid" stehen. Das Thema Vertrauen ist weiterhin zentral in der Abschlussentscheidung von Kunden. Dennoch gewinnt die digitale Komponente weiter an Wichtigkeit.“

Sven Stark, Insurance Leader Advisory, Partner bei PwC Deutschland
Follow us

Contact us

Sven Stark

Sven Stark

Insurance Leader Advisory, PwC Germany

Hide