Kanada bringt alle Voraussetzungen mit, um Unternehmen ein sicheres Umfeld für wirtschaftliche Aktivitäten zu bieten: Es gewährt freien Handel mit Europa, bietet ein stabiles Rechtssystem sowie ein solides Bankenwesen. Dennoch müssen Investoren einige Besonderheiten beachten, sagt Dr. Christian Hamann, Leiter der Canadian Business Group bei PwC. Denn in Kanada als föderalem Staat variieren regulatorische Vorgaben stark je nach Region. Und auch kulturell gibt es einige Unterschiede zu Europa.
Was macht Kanada als Investitionsstandort interessant?
Dr. Christian Hamann: Kanada gehört zu den verlässlichsten Wirtschaftssystemen der Welt. Das Land verfügt über ein differenziertes Rechtssystem, ein solides Bankenwesen und sehr gut ausgebildete, kreative und unternehmerisch denkende Arbeitskräfte. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA sichert Investoren zudem den Zugang zu einem Markt mit 490 Millionen Kunden. Seit dem Inkrafttreten des Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), dem Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, im Herbst 2017 verzichten beide Wirtschaftsräume ebenfalls weitgehend auf Handelszölle und wollen Industriestandards angleichen. Ein weiterer Standortvorteil Kanadas ist das staatliche Programm für wissenschaftliche Forschung und experimentelle Entwicklung, ein steuerliches Anreizprogramm, das Unternehmen aller Branchen und Größen bei ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit unterstützt.
Welche Besonderheiten sollten Unternehmer bei einem Markteintritt beachten?
Hamann: Um keine bösen Überraschungen zu erleben, sollten sich Unternehmen vor dem Markteintritt mit einigen Besonderheiten Kanadas vertraut machen. Beispielsweise können gesetzgeberische Vorschriften aufgrund der föderalen Struktur Kanadas je nach Region stark variieren. Auch im Hinblick auf die steuerlichen Rahmenbedingungen ist es sinnvoll, sich vor Markteintritt beraten zu lassen. Denn das Steuerrecht schafft durchaus attraktive Rahmenbedingungen - für Unternehmen wie für Arbeitnehmer. Insgesamt ist die kanadische Wirtschaft relativ stark reguliert – insbesondere in den Bereichen Medien, Energie und im Finanzwesen. Die strengen Regularien haben Kanada zwar geholfen, die Finanzkrise relativ gut zu überstehen, sie können Investoren jedoch vor unerwartete Herausforderungen stellen. Zudem gibt es kulturelle Unterschiede, etwa eine wesentlich indirektere Art des Feedbacks und einen größeren Hang zu eher schrittweisen Veränderungen, die deutsche Unternehmer unbedingt beachten sollten, um erfolgreich zu sein.
Wie beurteilen Sie die Entwicklungsperspektiven Kanadas?
Hamann: Unsere Befragung kanadischer CEOs aus dem Januar 2018 hat gezeigt, dass die Führungskräfte die wirtschaftlichen Perspektiven in ihrem Land positiv beurteilen – trotz der Unsicherheiten durch den wachsenden Protektionismus der US-Regierung. Das liegt insbesondere an der derzeit stabilen Weltwirtschaft, unerwartet guten Wachstumsraten in den USA und Kanada, sich stabilisierenden und sogar steigenden Rohstoffpreisen sowie einer Regierung, die Freihandelsabkommen generell positiv gegenübersteht. Während 88 Prozent der befragten CEOs vor allem auf das Wachstum in den Vereinigten Staaten setzen, nennt immerhin fast ein Fünftel der Befragten auch Deutschland als interessanten Handelspartner. Zusätzliche Wachstumsimpulse – insbesondere im pharmazeutischen Bereich – erwartet die kanadische Wirtschaft zudem von der noch in diesem Jahr geplanten Legalisierung von Cannabis. Deren Potenzial wird auf einen zweistelligen Milliardenbereich geschätzt.