Doppel-Interview zur Gesellschaft mit gebundenem Vermögen

Ein Interview mit Uwe Rittmann und Frank Kosner. Die Debatte um eine neue Rechtsform für „Verantwortungseigentum“ läuft auf Hochtouren: Inzwischen liegt ein Gesetzentwurf für die nun benannte “Gesellschaft mit gebundenem Vermögen” vor. Der Entwurf sieht vor, dass die Eigentümer des Unternehmens in der neuen Rechtsform zwar Stimm- und Teilhaberechte haben, jedoch nicht am Gewinn beteiligt werden.

Diejenigen, die im Unternehmen Verantwortung tragen, fungieren als eine Art Treuhänder. Das soll die Reinvestition von Gewinnen und langfristig orientierte Unternehmensführung fördern. Warum die Idee interessant ist und welche Fragen noch zu klären sind: ein Interview mit den PwC-Experten Uwe Rittmann und Frank Kosner.

Uwe Rittmann ist Ihr Experte für Familienunternehmen bei PwC Deutschland

Als Wirtschaftsprüfer betreute Uwe Rittmann erfolgreich Familienunternehmen und Familienunternehmer:innen. Konsequenterweise verantwortet er bei uns genau diesen Kundenbereich. Was ihn antreibt: Er möchte, dass seine Kund:innen auch in der neuen Normalität erfolgreich bleiben. Sein Motto: Unternehmen müssen sich permanent erneuern, um langfristig zu bestehen.

Frank Kosner ist Ihr Experte für Familienunternehmen und Family Offices bei PwC Deutschland

Der Steuerberater Frank Kosner betreut bei uns vornehmlich Familienunternehmen und Family Offices. Für sie ist er Gesprächs- und Sparringpartner, wenn es um die unternehmerischen und vor allem die steuerlichen Auswirkungen der neuen Normalität geht. Das betrifft Technologien genauso wie Wertvorstellungen. Sein Credo: Familienunternehmen müssen ihre Vorreiterrolle behalten.

Herr Rittmann, Herr Kosner, eine Initiative von Unternehmer:innen, Politiker:innen und Expert:innen plädiert für eine neue Rechtsform: die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, kurz: GmbH-gebV. Bei ihr wäre es – um sicherzustellen, dass vornehmlich der Unternehmenszweck verwirklicht wird – nur sehr begrenzt möglich, Erträge auszuschütten. Wie bewerten Sie diese Form des Asset-Locks durch die Stiftung Verantwortungseigentum?

Uwe Rittmann: Die neue Rechtsform soll einen passenden gesellschaftsrechtlichen Rahmen für das wachsende Bedürfnis nach Nachhaltigkeit sowie gesellschaftlicher und unternehmerischer Verantwortung liefern. Damit ist die Initiative, die zu einem großen Teil von einer jüngeren Unternehmergeneration getragen wird, auch Ausdruck einer spürbaren Werteverschiebung. Ich finde das begrüßenswert.

Es gibt allerdings Widerstände: Kritiker sorgen sich um das im Grundgesetz verankerte Recht am Eigentum, wenn Vermögen an eine Firma gebunden ist.

Rittmann: Die Debatte um das sogenannte Verantwortungseigentum erinnert mich ein wenig an die Einführung der Unternehmergesellschaft 2008. Auch damals gab es intensive Diskussionen, ob die Rechtsform notwendig ist und wie sie ausgestaltet sein sollte. Inzwischen existieren mehr als 150.000 Unternehmergesellschaften.

Frank Kosner: Die schnelle und unbürokratische Gründung hat vielen, insbesondere jüngeren Menschen in Start-ups den Weg ins Unternehmertum geebnet.

Unterm Strich ist die Unternehmergesellschaft deshalb ein Erfolgsmodell. Die Befürchtungen der Skeptiker haben sich überwiegend nicht bewahrheitet.

Übertreiben auch die Kritiker der GmbH-Variante?

Rittmann: Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Argumente sind zum Teil gerechtfertigt oder zumindest nachvollziehbar. Auch aus unserer Sicht gibt es zur Gesellschaft mit gebundenem Vermögen noch offene Fragen. Wir sind aber überzeugt, dass sie beantwortet werden.

Wo besteht aus Ihrer Sicht Klarstellungsbedarf?

Kosner: Zum Beispiel bei der Integration in bestehende Konzern- und Gesellschaftsstrukturen, bei der Umsetzung mitbestimmungsrechtlicher Anforderungen in Unternehmen und beim Thema erbrechtliche Auflagen. Auch zahlreiche steuerrechtliche Fragen sind noch ungeklärt, etwa mit Blick auf Haltefristen, Anschaffungskosten und die Erbschaft- beziehungsweise Erbersatzsteuer.

Ein beliebtes Argument gegen die neue Rechtsform lautet, dass das Doppelstiftungsmodell alles bereithält, was die Befürworter der GmbH-gebV anstreben.

Kosner: Die Doppelstiftung bringt hohe administrative Herausforderungen sowie interne und externe Kosten für Unternehmen mit sich. Wenn wir Start-ups und unternehmerisch tätigen Familien das Leben erleichtern wollen, müssen wir über nachhaltige Alternativen zur Stiftung nachdenken.

Rittmann: Meines Erachtens wäre eine neue Rechtsform eine Bereicherung. 

Gerade die Vielfalt ist doch das, was wir mit Begriffen wie New Normal oder New Work verbinden. Das sollte insbesondere auch für Rechtsformen gelten: Schließlich schaffen sie den Rahmen für Arbeitsorganisation, Ideen, Produktivität und qualitatives sowie quantitatives Wachstum!

Ein Wechsel der Rechtsform birgt Unwägbarkeiten. Worauf müssten sich Unternehmen beim Verantwortungseigentum einstellen?

Kosner: Ein großer Vorteil ist, dass sie bei der Rechnungslegung, bei der Überwachung der Corporate Governance und bei der Besteuerung auf eingespielte, rechtliche Verfahren zurückgreifen können.

Rittmann: Da die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen als Kapitalgesellschaft einzustufen sein sollte, wären für Rechnungslegung und Jahresabschluss die Vorschriften des Handelsgesetzbuches maßgeblich. Die Rechnungslegung würde sich also nicht von der einer herkömmlichen GmbH unterscheiden – das erleichtert die Vergleichbarkeit und fördert die Wettbewerbsfähigkeit.

Kosner: Auch steuerlich soll die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen wie eine klassische GmbH behandelt werden. Das bedeutet, dass ihr Gewinn der Körperschaft- und der Gewerbesteuer unterliegt. Bei der Umsatz-, Grund- und Grunderwerbsteuer sowie bei Erwerben und Veräußerungen sollen ebenfalls die allgemeinen Vorschriften greifen.

Verantwortungseigentum sieht vor, dass Unternehmen ihre Gewinne in der Regel thesaurieren. Entgehen dem Staat durch die neue Gesellschaftsform Einnahmen?

Rittmann: Der Einwand überzeugt nicht. Auch bei einer klassischen GmbH ist es Gesellschaftern freigestellt, ob sie Gewinne thesaurieren oder steuerpflichtig entnehmen.

Drohen Einnahmeausfälle durch verdeckte Gewinnausschüttungen?

Kosner: Auch hier greifen die etablierten Vorschriften: Gewinnausschüttungen – egal ob offen oder verdeckt – würden gleichermaßen der Ertragsbesteuerung unterliegen. Entsprechendes gilt für von den Gesellschaftern bezogene (Geschäftsführer-)Gehälter und dergleichen.

Kritiker fürchten zudem, dass die GmbH-gebV missbraucht wird, um die Erbschaftsteuer zu umgehen.

Rittmann: In der Tat sieht der Gesetzentwurf – anders als bei einer Familienstiftung – keine Erbersatzsteuer vor. Aufgrund der Vermögensbindung wäre aber ohnehin von einer deutlich geringeren Bemessungsgrundlage auszugehen. Unabhängig davon erscheint mir die Kritik aufgrund der intrinsischen Motivation, die hinter der neuen Rechtsform steht, nicht zeitgemäß.

Braucht es beim Verantwortungseigentum besondere Kontrollmechanismen?

Rittmann: Für die Überwachung liegen zwei Entwürfe vor.

Erstens: ein jährlicher Bericht der Geschäftsführung, den ein Wirtschaftsprüfer kontrolliert, der nicht zugleich Abschlussprüfer ist. Zweitens: eine verpflichtende Mitgliedschaft in einem Prüfverband, ähnlich wie bei Genossenschaften. Beide Modelle ließen sich leicht umsetzen.

Kosner: Da die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen nach dem jüngsten Vorschlag im GmbH-Gesetz verankert werden soll, wäre das Wirtschaftsprüfermodell meines Erachtens stringent.

Rittmann: Das sehe ich genauso, zumal die Unabhängigkeit der Prüfung durch die im Gesetzesentwurf vorgesehene Rotation des Wirtschaftsprüfers nach fünf Jahren gesichert wäre. Man könnte also auch hier auf vorhandene Strukturen aufsetzen.

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Leiter Familienunternehmen und Mittelstand, PwC Germany

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Partner, Head of Tax Compliance, PwC Germany

Tel.: +49 151 14817958

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